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Schulentwicklung in Bremerhaven

Seit Monaten wird in Bremerhaven an einem Schulentwicklungsplan für die Stadt gearbeitet. Von Seiten des Schuldezernats gab es mehrere „verwaltungsinterne“ Schriftsätze, die nicht öffentlich diskutiert wurden. Diese Entwürfe besaßen eine unterschiedlich integrative/inklusive Ausrichtung.

Eines dieser Papiere, die „2. Fassung“, sah vor, dass es in der Stadtgemeinde Bremerhaven nur noch Oberschulen geben sollte. Man unterschied in Oberschule Typ A (integriert, sich aus Gesamtschulen entwickelnd) und Typ B (kooperativ, aus Schulzentren). Das einzige durchgängige Gymnasium hätte demgemäß den Auftrag bekommen, ebenfalls eine Oberschule vom Typ B zu werden. Jugendliche aus Förderzentren wären entweder integriert (Typ A) oder kooperativ in ausgewiesenen Klassen (Typ B) unterrichtet worden.
Insbesondere diese 2. Fassung lag den „verwaltungsinternen Arbeitsgruppen“, sprich Regionalkonferenzen aus Schulleitungen und einer Lenkungsgruppe des Dezernats, zur Befassung vor. Sie war auch Grundlage eines positiven Votums der überwältigenden Mehrheit der Bremerhavener Schulleitungen zu Gunsten des Leitgedankens „einer gemeinsamen Schule“, die bedingt, „dass auch in der Sekundarstufe I eine einheitliche Schulstruktur mittelfristig angestrebt wird, von der kein Schulstandort ausgeschlossen wird“. Verbunden wurde diese Zustimmung mit der Schaffung entsprechender Voraussetzungen (Fortbildungsoffensive für die Kollegien, verlässliche personelle Ressourcenausstattung, räumliche Ausstattung).
Parallel dazu hat das Bremerhavener Bündnis „Eine Schule für alle“ mit erheblichem Aufwand eine öffentliche Diskussion über die Schulentwicklung Bremerhavens erzwungen. Über den Einwohnerantrag vom Mai 2009 und den Kongress „Eine Schule für alle“ aus dem November 2009 berichtete die BLZ ausführlich. Zuletzt formulierte das Bündnis sechs Fragen an die politischen Parteien der Stadtverordnetenversammlung, um Klarheit über deren bildungspolitische Perspektiven zu gewinnen. Dabei ging es beispielsweise um die Position zum durchgängigen Gymnasium, die Umsetzung des Inklusionsauftrages des Bremischen Schulgesetzes und die schulgesetzlich vorgesehene Beteiligung.

Das neue Papier der Koalition

Zwischenzeitlich haben sich SPD und CDU auf einen koalitionsintern abgestimmten Plan verständigt („5. Fassung“). Vor dem Hintergrund der geschilderten Situation ist es nunmehr interessant, welche Aspekte in der fünften Fassung – im Vergleich zur zweiten – nicht mehr auftauchen. In der 2. Version hieß es noch:

  • der Weg in Richtung „Eine Schule für alle“ ist … alternativlos“;
  • „die Kosten einer Schulreform … sind hoch. (Es) gibt …keine Alternative zu diesen Investitionen in die Zukunft der Stadt“.

Beide Aussagen fehlen im Koalitionspapier.
Bemerkenswert ist ebenso, dass

  • das durchgängige Gymnasium von allen Veränderungen bis zur Wahl 2011, d.h. faktisch bis zum Ende des Schuljahres 2011/2012, ausgenommen wird;
  • die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik mit dem Förderschwerpunkt L an die Voraussetzung des „vorhandenen Personalbestandes“ geknüpft wird;
  • es keine unterschiedlichen Typen von Oberschulen mehr gibt, sondern Oberschulen, die sich aus ehemaligen Gesamtschulen bzw. Sek-I-Zentren/Sekundarschulen entwicklen;
  • diese Schulen mit ihrer Umwandlung in Oberschulen gemäß Schulgesetz zum Schuljahr 2011/2012 beginnen müssen, die integrative/kooperative Beschulung von Förderschüler/innen L aber erst „spätestens“ 2012/2013 startet;
  • die zweijährige Vorbereitungszeit der Schulen auf die Umordnung (vorgesehen im 2. Entwurf war der Start im Schuljahr 2012/2013) um ein Jahr verkürzt wird.

Das alles erfolgt in selbstorganisierter zeitlicher Eile. Der Schulausschuss soll schon in der Sitzung am 15.03.2010 beschließen. Echte Beteiligung kann so nicht gelingen!

Bewertung durch die MV am 10.02.2010

Die vorgelegte 5. Fassung des Schulentwicklungsplans wird von den Mitgliedern einhellig kritisch eingeschätzt; dies gilt insbesondere wegen der nunmehr fehlenden Aussagen zum Ziel der Entwicklung („Eine Schule für alle“) und zur finanziellen Absicherung dieses Prozesses.
Intensiv diskutiert wurden 2 Etappen der anstehenden politischen Auseinandersetzung:

Die Zeit bis zur konkreten Beschlussfassung durch die kommunalen Gremien.

Als dringlich nannten die Kolleginnen und Kollegen: Die Einforderung einer tatsächlichen Mitbestimmung aller „Betroffenen“; die Absicherung einer qualitativ hochwertigen Fortbildung der entsprechenden Schulteams und die Ermöglichung der Wahlfreiheit zwischen FöZ und ZuP.
Belastend dabei ist der zeitliche Verzug Bremerhavens hinsichtlich der Umsetzung von Anforderungen aus dem Bremischen Schulgesetz. Geprüft und im Bremerhavener Bündnis „Eine Schule für alle“ beraten werden muss deshalb die Forderung nach einem Moratorium;

Die mittelfristige Perspektive.

Unstrittig bleibt das Festhalten an einer Schule für alle Kinder und Jugendlichen. Vor diesem Hintergrund müssen Bündnis und GEW Überlegungen bis zur nächsten Bürgerschafts-/Kommunalwahl 2011 konkretisieren (z.B. Einberufung eines „großen Ratschlages“, thematische Zuspitzung während der Pädagogischen Woche 2011, Beteiligung am Fachtag Inklusion der Lebenshilfe im Herbst). Ebenso angeschnitten wurde die juristische Dimension: Liefert die UN-Konvention mit der Vereinbarung, ein inklusives Schulwesen verpflichtend einrichten zu müssen, einen Hebel „Eine Schule für alle“ tatsächlich erzwingen zu können?
Als nächsten Schritt verständigte sich die MV auf eine weitere Versammlung mit dem Dezernenten Dr. Paulenz, um Klarheit hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen zu gewinnen.