Schwerpunkt
Schulen und Beschäftigte im Widerstand
Massive Proteste in Portugal
Die Inflation hat dazu geführt, dass der Lohn in Portugal massiv an Wert verliert. Mieten zu bezahlen an der Algarve, ist fast unmöglich. Als erste Reaktion hatte der Gewerkschaftsdachverband CGTP-IN in Lissabon und Funchal zu Demos aufgerufen. Landesweiter Streiktag war am 18. November 2022. Portugals Löhne sind ganz unten, die Mieten ganz oben in Europa. Protestmaßnahmen wurden 2022 immer zahlreicher. Bis hin zum Hungerstreik des Schulleiters Luis Sottomaior in Viana do Castelo, zur Erfüllung von Forderungen, den Lehrermangel zu beseitigen, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und höhere Löhne zu zahlen. Lehrkräfte sind die Berufsgruppe, die dabei besonders aktiv ist.
Immer mehr Streiks
Im Februar rief die Bildungsgewerkschaft S.T.O.P in Lissabon zur Demo und geschätzte 150.000 Personen nahmen teil. Am Jahrestag, der Nelkenrevolution (25. April) beteiligten sich Tausende in allen Landesteilen an Protestaktionen. Es geht um die „Verteidigung und Würdigung des öffentlichen Schulsystems, der öffentlichen Dienstleistungen und die Verteidigung der Demokratie“. Alles Maßnahmen, die nicht isoliert vom Widerstand anderer Berufsgruppen stattfinden: Streiks der Beschäftigten in der Justiz, im Gesundheitswesen, bei den Eisenbahnern, auch über die Osterfeiertage, rissen nicht ab. Ein Problem scheint dabei, dass die Wähler bei der letzten Wahl den Sozialisten eine absolute Mehrheit bescherten, mit der sich jetzt Beschlüsse leichter durchsetzen lassen, wenn es keine Opposition gibt.
Am 1. April wurde auch in sieben Städten für „menschenwürdige Wohnungen für alle“ demonstriert. Und das bei einem in Europa niedrigstem Mindestlohn von 760 Euro. Die Linksblock-Leitende Catarina Martins fordert Steuererhöhungen bei Investmentfonds. Mieten sind so teuer wie in Barcelona oder Mailand. Ein Drittel aller Beschäftigten erhält in Portugal den Mindestlohn, Lehrkräfte verdienen nur 1.400 Euro. Nach offiziellen Angaben stehen 700.000 Wohnungen als Spekulationsobjekte leer. Soziale Probleme geraten aus den Fugen. Lehrkräfte, Schulbedienstete, Mediziner, Pflegekräfte, Eisenbahner, Verwaltungsangestellte… Im Januar gab es 309 Streikaufrufe. Zwei der Hauptparolen dabei sind „Respekt“ und „Wir wollen Frieden, Brot und Wohnung“.
Der Raub von Lebensarbeitszeit
Ein Lehrkraftgehalt reicht nicht, um in den Hauptzentren des Landes leben zu können. Bei den Lehrkräften kommt noch dazu, dass Dienstjahre nicht für die Renten angerechnet werden sollen, Beförderungen zum Teil verschleppt werden und Lehrkräfte an Orte versetzt werden können, die weitab von ihrem Wohnort und damit der Familie liegen. Schon 2019 hieß es: Über ein Jahr hatten die Gewerkschaften mit der Regierung verhandelt, aber ohne Erfolg. Seit mehr als neun Jahren gab es keine Höhergruppierungen in Gehaltsstufen mehr. Mit 19 Dienstjahren hat eine Lehrerin das Durchschnittsgehalt von 1.200 Euro. Und dann sollen nicht alle Jahre für die Rente zählen. Nur zwei Jahre, neun Monate und 18 Tage will die Regierung von den 19 Jahren Dienstzeit anerkennen! Viele setzten ihre Hoffnung auf die gewählten Volksvertreter. „Dienstjahre verhandelt man nicht. Dienstjahre zählt man. Die Regierung respektiert uns nicht, aber die Parlamentarier*innen müssen uns respektieren“, sagte eine Lehrerin auf der Praca do Comércio. Die Forderungen der Lehrkräfte werden von vielen Abgeordneten aus einem weiten Parteienspektrum unterstützt. Inakzeptabel ist weiterhin die Ungleichbehandlung der einzelnen Regionen Portugals. So wird auf den Azoren und auf Madeira die volle, ungekürzte Dienstzeit auf die Rente angerechnet.“
Isabel Canarinho, Chefin des CGTP, spricht von „sehr tiefer Unzufriedenheit und großer Empörung“ nicht nur bei einzelnen Gruppen, sondern insgesamt. Die letzten Lohnerhöhungen liegen bei fünf Prozent, die Inflation mindestens bei zehn. Der Generalsekretär von FenProf, des Nationalen Lehrerverbandes: „Egal, wie sich die Optionen ändern, die Regierung muss erkennen, dass sie bestimmte Maßnahmen nicht durchsetzen kann. Öffentliche Schulen, das Gesundheitswesen und eine Reihe von Dienstleistungen, die der Staat garantieren muss, verlieren an Qualität, wenn es aufgrund bestimmter Ausgaben zu Desinvestitionen und Unterfinanzierung kommt.
S.T.O.P verbreitete diesen Demoaufruf für den 25.4.:
Es gibt nur kein Geld für die, die arbeiten – 25. April für die öffentliche Schule, den öffentlichen Dienst und die Demokratie eintreten … Nach einem weiteren Treffen mit dem ME (Ministerium) besteht dieses weiterhin darauf: 1) Geben Sie nicht den Hauptforderungen von Bildungsfachleuten (Lehrpersonal und nicht lehrendes Personal) nach, die den größten Kampf aller Zeiten im Bildungswesen in Portugal gerechtfertigt haben, nämlich Gleichberechtigung zwischen Lehrkräften auf dem Festland und auf den Archipelen und mehr nicht lehrenden Fachkräften, mit besseren Gehältern und würdigen Karrieren für alle; 2) Keine Flexibilität beim Rücktritt von der Mobilität aufgrund von Krankheit und des Gesetzesdekrets über das Rekrutierungs- und Managementsystem für Lehrkräfte (mit hohen Strafen für QA-Kollegen, DACL und Lehrkräfte, die nach den unfairen Regeln der dynamischen Zuweisung eingestellt wurden); 3) Das Versäumnis, einen Verhandlungskalender zu vielen der Forderungen vorzulegen, die von der Fakultät und Nicht-Lehrern gestellt werden, den die S.TO.P schon lange fordert...
Folglich wiederholen wir, was am 18. März in Coimbra von Hunderten von Vertretern von Gewerkschaften und Streikkommissionen befürwortet wurde: Verwandle die Demonstration vom 25. April in Lissabon in die größte des Jahrhunderts unter dem Motto: „ES GIBT NUR KEIN GELD FÜR DIE, DIE ARBEITEN !”. Wir laden ALLE Zivilgesellschaften ein, die die Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen und den Kaufkraftverlust spüren (Bildungsfachleute, Gesundheitsfachkräfte, Justiz-/Kulturarbeiter, Beschäftigte im öffentlichen und privaten Sektor, ...) zur Verteidigung des Rechts und für höhere Löhne/Renten zu streiken.
GEMEINSAM SIND WIR STARK!