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GEW Bremerhaven

Schule nach Corona: Den Druck rausnehmen und das soziale Lernen stärken!

Im Interview mit der Nordseezeitung fordert Peer Jaschinski - Stadtverbandsvorstandssprecher in Bremerhaven - die wirklichen Bedarfe der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu rücken.

Peer Jaschinski - Sprecher der GEW Bremerhaven

Das ist zu nächst eine gute Nachricht: Der Bund stellt zwei Millionen Euro für das Aufholen von Lernrückständen zur Verfügung. Investiert werden soll dies z.B. in Nachhilfe um Lernrückstände aufzuholen. Allerdings: Das ist nicht nur zu wenig – es handelt sich um gerade mal 200 Euro pro Kind in den nächsten Jahren. Auch die Fixierung auf den „Lernstoff“ ist laut Peer Jaschinski, Vorstandssprecher der GEW Bremerhaven aber der falsche Ansatz für die Schule nach Corona: Jetzt mit der Gießkanne Lernstoff in Form von Nachhilfeangeboten darüberzugießen, ist der falsche Weg.  

Statt auf die Lernrückstände zu fixieren ist es wichtig, den großen Druck herauszunehmen. Es erscheint wenig hilfreich, zumal sich die Kinder und Jugendliche eh schon wie die „Corona-Generation“ fühlen.

Besonders wichtig ist es jetzt, Zeit für Lerngespräche und Beratung einzuplanen, denn die Lerngruppen sind durch Corona und die Schulschließungen noch heterogener geworden, weil die Schüler:innen zu Hause mit so unterschiedlichen Lernbedingungen konfrontiert waren. Auch die soziale Schere ist noch größer geworden. Stattdessen müssen die Schulen direkt unterstützt werden, weil das pädagogische Personal - auch ohne neue Erhebungen - in den Schulen weiß, wo die Kinder stehen.

In Ruhe muss jedes Kind einzeln betrachtet und in enger Kooperation mit den Eltern besprochen werden, wie sich das sogenannte „Home-schooling“ in den einzelnen Familien dargestellt hat. Dabei muss die Schulsozialarbeit eine wichtige Rolle spielen.
 

Das Soziale Lernen muss ganz weit vorne stehen.

Das Schlimmste in der Pandemie war nicht, dass nicht genug Mathe, Deutsch und Englisch stattgefunden hat, sondern dass die Schüler:innen keine sozialen Kontakte mehr und viel zu wenig Bewegung hatten. Hierfür wäre es sinnvoll  außerschulische Lernorte in Zukunft mehr zu nutzen, z.B: in einer Zusammenarbeit mit Vereinen, Kultureinrichtungen, der Iugendhilfe und Museen. Denkbar wäre auch, sich durch Lehramtsstudent:innen, Trainingsleitungen aus Sportvereinen oder Künstler:innen unterstützen zu lassen, um Kreativität, soziale Kompetenzen und Bewegung zu fördern, ganz abgesehen von den dringend notwendigen Klassenfahrten und Bildungsfreizeiten.

Eine Schule nach Corona kann nun auf eine ausgebaute digitale Infrastruktur zurückgreifen, mit der man weiter sinnvoll arbeiten kann. Bevor man jedoch die digitalen Angebote weiter ausbaut, sollte man lieber einen Bewegungsparcours errichten und die Sportanlagen ausbauen.

Der Stadtverbandsvorstandssprecher rückte zudem die Berufsschulen in den Fokus. Die Anwahlzahlen für die Vollzeitbildungsgänge in den Berufsschulen sind extrem hoch. Weil es während der Pandemie keine Praktika gab, haben die Schüler:innen keine Betriebe kennengelernt. Die Folge ist: Sie bewerben sich derzeit nicht für eine duale Ausbildung, sondern entscheiden sich für einen Vollzeitbildungsgang an den Berufsschulen. Die Berufschulen müssen sich im Sommer auf Schüler*innen einstellen, die in den vergangenen Jahren kaum eine Berufsorientierung gehabt hatten. Lehrkräfte seien hier besonders gefragt, die Jugendlichen während des Vollzeitbildungsgangs dabei zu unterstützen, eine Ausbildung zu finden. Die GEW fordert daher einen flexibleren Start in das Ausbildungsjahr.

Besonders herausgehoben hat Peer Jaschinski, dass in Bremerhaven das Thema Lerndefizite seit Jahren ein zentrales Problem sei, da das Personal in den Schulen fehlt.

„Wir gehen deswegen ja nicht ohne Grund seit 2013 für mehr Lehrer:innen auf die Straße.“

Peer Jaschinski ist sich sicher, dass die großen Lernrückstände aufgrund des Lehrkräftemangels bislang niemanden interessiert hätten. Beispielsweise hatte eine Klasse monatelang wegen des Lehrerkräftemangels keinen Matheunterricht bekommen. Wegen Corona aber sollen die Lerndefizite jetzt mit aller Kraft innerhalb kürzester Zeit aufgeholt werden. Das wird nicht funktionieren.

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