Freiwilligendienst
„Schluss mit den ständigen Kürzungsdebatten!“
Wie ein attraktiverer Freiwilligendienst in Zukunft aussehen kann
Der Freiwilligendienst in der GEW Bremen hat inzwischen schon eine über ein Jahrzehnt andauernde Tradition. Deutlich älter sind die Diskussionen darüber, wie der Freiwilligendienst generell gestaltet werden soll. Von der Finanzierung bis hin zu der Frage, ob Freiwilligendienst oder „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“, ist vieles dabei, aber selten wird darüber gesprochen, wie ein attraktiver Freiwilligendienst sich verändern könnte oder auch müsste, damit er für möglichst viele junge Menschen attraktiv ist. Doch genau darüber habe ich mir gemeinsam mit anderen Freiwilligen als Sprecher in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligendienste (LAG) Gedanken gemacht. Nach einer kurzen Erklärung zum Sprecher*innen-Gremium der LAG und zum Freiwilligendienst generell stelle ich euch heute unsere Gedanken und Forderungen vor, wie man den Freiwilligendienst in Zukunft stärken und attraktiver machen kann.
Das Sprecher*innen-Gremium der LAG besteht aus verschiedenen Freiwilligen, die von den Trägern ihres Freiwilligendienstes in das Gremium entsendet werden, um sich dort über aktuelle Themen rund um den Freiwilligendienst auszutauschen. Die Träger fungieren als pädagogische Begleitung während des Freiwilligendienstes und haben gewählte Sprecher*innen, von denen Einzelne zur Landesarbeitsgemeinschaft entsandt werden. Durch die Wahl sind die Sprecher*innen die offizielle Vertretung der fast 900 Freiwilligen im Land Bremen. Das FPJ in der GEW wird durch den Sozialen Friedendienst begleitet, andere Träger sind beispielsweise der Verbund Bremer Kindergruppen, das Deutsche Rote Kreuz, der ASB oder der Internationale Bund. Doch soweit erst mal zur Struktur und Organisation von Freiwilligendiensten, kommen wir nun zu unseren Forderungen, wie man den Freiwilligendienst nachhaltig attraktiver machen könnte.
Fördern statt kürzen
Unsere Freiwilligendienste sind nicht nur ein wichtiges Lern- und Orientierungsjahr, sondern sie stärken auch die Zivilgesellschaft und nehmen damit eine Rolle in der Demokratieförderung ein. Wir leben in einer Zeit, in der rechte, demokratiefeindliche Positionen zunehmend mehr Zuspruch finden. In unserem Freiwilligendienst werden uns hingegen u.a. durch die Seminare demokratische Werte vermittelt. Ich hatte zum Beispiel im Rahmen meiner Seminare während des Freiwilligendienstes einen Workshop zur Geschichte von queerem Leben in Deutschland und zum Umgang mit rechtsextremen Gesprächsstrategien. Im Mai fahre ich mit meiner Seminargruppe nach Oświęcim und besuche das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
Der Freiwilligendienst ist also sowohl gesellschaftlich als auch für die Freiwilligen enorm wichtig. Doch die ständigen Kürzungsdebatten, die im kapitalistischen Wirtschaftssystem zum Alltag gehören, machten häufig auch vor den Freiwilligendiensten keinen Halt. Angebote wie eine Gedenkstättenfahrt nach Polen sind jetzt schon schwer umzusetzen und wären bei Kürzungen undenkbar. Darum fordern wir: Schluss damit! Die Bundesregierung muss sich dem Ziel verpflichten, den Freiwilligendienst zu stärken und zu erhalten.
Deutschlandticket finanzieren
Während Freiwilligen häufig nur sehr geringe finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, müssen sie die tägliche Fahrt zur Einsatzstelle selbst von ihrem geringen Taschengeld finanzieren. Die Preiserhöhung des Deutschlandtickets zum Jahreswechsel hat das nicht erleichtert. Nur wenige Freiwillige sind in der Lage, sich eine eigene Wohnung zu finanzieren, wenn überhaupt geht das nur durch die finanzielle Unterstützung der Eltern. Dadurch wird Mobilität zur essenziellen Voraussetzung für den Freiwilligendienst. Durch die Abdeckung der Mobilitätskosten könnte der Freiwilligendienst breitere Teile der Gesellschaft ansprechen.
Seit 2024 haben Einsatzstellen die Möglichkeit, Mobilitätszuschläge oder Sachleistungen auszuzahlen. Das ist zwar eine positive Entwicklung, aber nicht ausreichend, denn es braucht Regelungen, die über diese Option hinausgehen. Wir sehen den Bund in der Pflicht, entsprechende Fördermittel zur Verfügung zu stellen, damit allen Freiwilligen ein angemessener Mobilitätszuschlag ausgezahlt wird. Die Höhe der Fördermittel soll so festgesetzt werden, dass der Preis des Deutschlandtickets damit abgedeckt wäre.
Flexible Arbeitsmodelle ermöglichen
Das Freiwilligen-Teilzeitgesetz gibt Freiwilligen seit letztem Jahr die Möglichkeit, den Freiwilligendienst auch in Teilzeit zu absolvieren, doch dieser ist für viele Freiwillige aufgrund von zu hohen finanziellen Einbußen nicht attraktiv. Ich kenne niemanden, der den Freiwilligendienst in Teilzeit absolviert. In Debatten um das geringe Taschengeld im Freiwilligendienst wird regelmäßig hervorgehoben, dass es sich nicht um eine vollwertige Beschäftigung handelt, sondern um freiwilliges Engagement. Es handelt sich um eine Aufwandsentschädigung, die nicht ausreichend ist, um das tägliche Leben damit zu finanzieren. Dabei orientiert sich die Aufwandsentschädigung nicht daran, welchen Beruf der Freiwillige ausübt, also auch nicht daran, wie viel Aufwand der Freiwillige erbringt. Beim Freiwilligendienst in Teilzeit geht es plötzlich dann doch darum, wie viel Aufwand erbracht wird, obwohl dieser nicht unbedingt immer in Zeitstunden zu messen ist. Dort wird plötzlich auf die Arbeitsstunden geschaut und entsprechend gekürzt, obwohl an anderer Stelle stets betont wird, dass es sich gar nicht um einen Stundenlohn handelt.
Aus diesem Grund fordern wir, dass das Taschengeld (so die offizielle Bezeichnung für das Gehalt im Freiwilligendienst) nicht gekürzt wird, wenn Freiwillige sich in Absprache mit ihrer Einsatzstelle entscheiden, ihren Dienst in Teilzeit auszuüben.
Des Weiteren fordern wir die Möglichkeit, den Freiwilligendienst in einer Vier-Tage-Woche mit geringerer Wochenarbeitszeit zu absolvieren. Anders als bei Teilzeit soll das freiwillige Jahr dann auch weiterhin für die Fachhochschulreife anerkannt werden, denn bei einer Vier-Tage-Woche handelt es sich eben nicht um Teilzeit.
Ich bin grundsätzlich überzeugt von der Vier-Tage-Woche und denke, dass das Ganze auch eine Art Vorreiterrolle einnehmen könnte, wenn Freiwillige in der Praxis die Studien bestätigen, dass in einer Vier-Tage-Woche effizienter gearbeitet wird.
Das war’s soweit von meiner Seite mit einer kurzen Zusammenfassung unserer Forderungen. Ich bedanke mich fürs Lesen und freue mich über Anregungen!