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Schwerpunkt

Qualitätsdebatte nicht dem Virus opfern

Kita-Politik: Ein Beitrag zur notwendigen Debatte um bessere Arbeitsbedingungen zugunsten frühkindlicher Bildung

Christian Gloede

Kita trotz(t) Corona: „Kitas unter Pandemiebedingungen“ dominiert die aktuelle Debatte. Aber die besten Coronaregeln tragen nicht dazu bei, den Kita-Alltag im Sinne besserer Arbeitsbedingungen und damit einer besseren Qualität frühkindlicher Bildung nachhaltig zu verändern. Kita-Beschäftigte sind kampferprobt; und erfolgreich, wenn sie die Interessen anderer gleich mit vertreten: Die Impfpriorisierung erfolgte vor allem deshalb, weil Eltern – und zwar nicht nur wegen einer „Systemrelevanz“ (heute: kritische Infrastruktur) - dringlichst offene Kitas brauchten. Qualität von Kinderbetreuung, in diesem Land historisch eher eine neuzeitliche Wortschöpfung, trat in kürzester pandemischer Zeit in den Hintergrund…

Hier hätten deutlichere Worte auch der Gewerkschaften gut getan: Wer, wenn nicht sie, muss das dialektische Verhältnis zwischen guter (frühkindlicher) Bildung und Arbeitsbedingungen auf die Agenda setzen?! Die Pandemie jedoch entfaltet Brennglaswirkung: Es lodern die Flammen dort, wo sie vorher noch im Stadium der leisen Glut glommen.

Belastetes Kita-Klima

Aktuell haben wir eine Testpflicht für Kinder durchgesetzt; demnächst gilt die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ in Kitas, wo Teilhabe und Frühförderung umgesetzt wird, also für Frühförderfachkräfte, Therapeut*innen, persönliche Assistenzen [In einer Kitalandschaft wie in Bremen, die sich seit Jahrzehnten einer im Vergleich zum Rest der Republik weitgehenden Inklusion -ungeachtet ihrer unzureichenden Ausstattung- verschrieben hat, mutet es etwas widersprüchlich an, Teilhabeschaffende und Fördernde nur als „geimpft“ beschäftigen zu dürfen, während das Kita-Stammpersonal „nur“ getestet sein muss…].

Die tägliche Balance zwischen eigener Gesundheitsfürsorge, elterlichen Ansprüchen an Betreuung und der versuchten Umsetzung eines Bildungsanspruches treibt viel Kolleg*innen an den Rand der Belastung, einige darüber hinaus.

Ganz andere Balanceakte zwischen Maskenverweiger*innen und Impfpflichtbefürworter*innen, „Schwurbler*innen“ und „Sorgetragenden“ belasten in einigen Kitas das Klima unerträglich; gefälschte Impfausweise oder Atteste führten bereits zu Kündigungen oder deren Androhung. Die Angst einiger nicht geimpfter Kolleg*innen vor „selbst verschuldeter Quarantäne“ mit der Konsequenz des Lohnverlustes nimmt zu – schlägt aber zahlenmäßig in der Gesamtbetrachtung derzeit nicht wirklich zu Buche.

Dünne Personaldecke

Konfrontiert seit Monaten nur mit Erwartungen und Problemen, selten mit Lösungen: So steigt die Zahl nicht besetzter Stellen wie auch die der Krankmeldungen (mit oder an Corona). Die Personaldecke ist so dünn, dass Qualifizierungen und Fortbildungen nicht wahrgenommen werden können/dürfen. Vertretungsreserven sind quasi überall erschöpft. Zeiten für Vorbereitung oder Entwicklungsgespräche werden dem Gruppendienst „geopfert“. Frust über nicht erreichte Ansprüche macht sich zunehmend breit. Hinzu kommt in vielen Kitas eine unzureichende Netzanbindung: WhatsApp-Dialoge statt Videokonferenzen, aber auch Dienstbesprechungen über „Homeoffice“ auf privaten Geräten.

Was tun?

Wir sind am Anfang der Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst (SuE), Verhandlungstermine Februar, März und April. Aktuell geht es mal nicht um Lohnerhöhungen. Im Zentrum stehen die grundsätzliche Eingruppierung (alle sozialpädagogischen Fachkräfte zum Beispiel sollen in die S8b!) sowie endlich eine tarifliche und verbindliche Verankerung von mittelbarer Arbeitszeit. Hier fordern Fachwissenschaft wie Gewerkschaften 20–25 Prozent des Arbeitsvolumens für Vor-, Nachbereitungs- wie Kooperationszeiten. Und gern im „Homeoffice“, damit die Kolleg*innen nicht doch wieder in die Gruppen zitiert werden.

Breite Unterstützung nötig

Doch ohne die zusätzliche Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften und Stundenentlastung für Anleitung und Begleitung bleibt alles nichts. Dies ist zwingend nötig, um letztlich die überbordende Belastung der Kolleg*innen in den Kitas zu überwinden und ihre Gesundheit (und damit Arbeitskraft!) zu erhalten! [das * steht hier eher für das Prinzip Hoffnung. Der Anteil von nicht weiblichen Beschäftigten ist nach wie vor gering – wie im gesamten Bereich der sog. Care-Berufe. Insofern ist es nur folgerichtig, den 8. März als möglichen Aktionstag in diese Tarifrunde einzubeziehen und hier auch Bündnispartner*innen aus den feministischen Gruppen zu mobilisieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten]. Um diese Auseinandersetzung für eine zukunftsfähige frühkindliche Bildung und grundlegend neue, bessere Arbeitsbedingungen [in Anbetracht massenhaft fehlender Kitaplätze und des Ausbaus von Ganztagsschulen verzichte ich hier auf die eigentlich notwendige Forderung nach Reduzierung der Gruppengrößen] zu gewinnen, braucht es Unterstützer*innen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Dies wird kein Selbstlauf.
Es wird auch Arbeitskampfmaßnahmen brauchen, die von allen Beschäftigten unterstützt werden sollten, mindestens durch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft.