Schwerpunkt
Positionieren im Kampf gegen Rechts
Die Angst vor autoritären Akteuren steigt
Die Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen im Osten und das Scheitern der selbsternannten Fortschrittskoalition haben im Herbst eine erschreckende Stimmung erzeugt. Dazu die globalen Wahlerfolge rechter Akteure. Dieser richtungweisende Herbst macht Angst vor einem harten und weiter eskalierenden politischen Winter. Das demokratische System, das auf Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung sowie den universalen Menschenrechten basiert, scheint in Gefahr zu geraten und eine auf Fakten und Menschenwürde basierende Politik immer unmöglicher. Autoritäre, rechtsextreme Akteure gewinnen wieder Wahlen und stehen nun kurz davor, auch politisch Macht zu erlangen. Wie konnte es dazu kommen?
Massenproteste als Strohfeuer
Zu Beginn des Jahres gingen noch deutschlandweit Zehntausende gegen die AfD und für eine Brandmauer nach rechts auf die Straße. Die Recherche zum Potsdamer Geheimtreffen, bei dem unter dem Schlagwort Remigration der Plan einer massenhaften Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund vorgestellt wurde, löste Massenproteste gegen die extreme Rechte aus. Martin Sellner, Reiseaktivist der Rechtsextremen Szene und Redner in Potsdam, räumte ein, dass die Proteste ein Erfolg „linker Mobilisierung“ seien, blieb aber sonst unbeeindruckt und verwies auf die hohe Zustimmung innerhalb der Bevölkerung für mehr Abschiebungen. Tatsächlich sollte er Recht behalten, die Proteste wirken im Rückblick eher wie ein Strohfeuer ohne langfristige Effekte auf die Wahlen. Im Gegenteil, bereits im Sommer verabschiedete die Ampel-Regierung die härteste Asylrechtsverschärfung seit Jahren und startete wieder Abschiebungen nach Afghanistan. Statt Remigration war der Slogan Abschiebeoffensive. Im Gegensatz zu den rechten Remigrationsplänen lösten diese Entscheidungen keine Massenproteste aus.
Der Druck auf den vorpolitischen Raum
Die offensive, gelassene Reaktion der extremen Rechten auf die Brandmauerproteste ist ein Teil ihrer strategischen Herangehensweise, die als „metapolitische Strategie“ bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um eine Strategie, die nicht auf kurzfristige Wahlerfolge oder Mobilisierungen abzielt, sondern die auf Jahrzehnte ausgelegt ist und den sogenannten vorpolitischen Raum beeinflussen und besetzen möchte. Dieser Raum liegt jenseits der klassischen politischen Institutionen wie Parteien oder Parlamente und umfasst die Zivilgesellschaft, Medien, Schule sowie private Gespräche in Familien oder Arbeitsalltag. Es ist dieser Raum, in dem Begriffe diskutiert und Meinungen sowie politische Einstellungen gebildet werden.
Provokationen und das Ende der Konsensform
Bereits 2006 legte Götz Kubicek, einer der Vordenker der Neuen Rechten, in einem Artikel dar, wie dieser Raum durch gezielte Provokationen besetzt werden soll. Ziel ist es, menschenverachtende Positionen zu normalisieren und gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Wenn diese Positionen von einem bestimmten Teil der Bevölkerung akzeptiert oder geteilt werden, schlägt sich dies langfristig in der Umsetzung von Politik wieder. Kubicek beschrieb das Ziel als „nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.„“
Soziale Themen besetzen
Was heißt dies für eine emanzipatorische und antifaschistische Politik? Es heißt, dass der Kampf gegen Rechts nicht erst bei der AfD beginnt, sondern dass es in allen Bereichen – im vorpolitischen Raum – darum geht, Position zu beziehen, für Menschenrechte, den Rechtsstaat und eine offene und vielfältige Gesellschaft. Es bedeutet, Rechten und autoritären Antworten keinen Raum zu geben, sondern den Raum zu öffnen für soziale Themen.