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Berufsbildende Schule

Planung ohne auskömmliche Sportmöglichkeiten

Das Campus-Konzept: Eine ergänzende Stellungnahme zur BBS-Schulstandortplanung

Gerrit Lubitz | Lehrer am Schulzentrum Walle

Im Konzept der Bildungsbehörde zur BBS-Schulstandortplanung fehlt der Hinweis auf die große Bedeutung von Sport und Bewegung im Rahmen einer ganzheitlichen Bildung. Ökonomische Interessen dürfen hierbei nicht handlungsleitend für die Umsetzung moderner Berufsbildungsplanungen sein.
Zu ergänzen wäre auch der Satz „Förderung von Sport und Bewegung im Rahmen eines – modernen, an den Ergebnissen der Hirnforschung orientierten ganzheitlichen Menschenbildes"
Dazu zählen Hallenkapazitäten für eine Doppelstunde Sport pro Woche für jede Klasse, eine Hallengröße von mindestens 20 x 12 Meter exklusive Geräteraum, Sport- und Bewegungsflächen im Außenbereich, eine tatsächliche Erteilung von Sport bzw. eine Wiederaufnahme in die Stundentafel, wo dies gestrichen wurde, eine ausreichende Ausbildung von Sportlehrkräften an der Uni Bremen und eine Kooperation mit Vereinen und Verbänden sowie die Nutzung nahe gelegener Infrastrukturen.
 

Bewegungsmangel und Folgeerkrankungen
Gründe dafür sind u. a. ein größerer Bewegungsmangel und Folgeerkrankungen insbesondere der jüngeren Generation – auch bedingt durch verstärkte Nutzung digitaler Medien. Es geht damit auch ein Verlust der Arbeitskraft einher, weshalb Berufsbildung ein großes Interesse für die Sensibilisierung der Lernenden in diesem Bereich haben muss. Lernformen mit hohem Bewegungsanteil sind darüber hinaus besonders effektiv. Sport bedient verschiedene Sinnebenen und öffnet „Pädagogische Perspektiven", welche beim Sport entwickelt werden und dem weiteren Lerngeschehen dienlich sind.
Dazu zählen Gesundheit, ein Miteinander, prosoziale Verständigung, körperlicher Ausdruck, Bewegungsgestaltung, Bewegungserfahrungen erweitern, Wahrnehmungsfähigkeitsverbesserung, etwas wagen und verantworten sowie das Leisten erfahren und reflektieren.

Keine Streichung aus allen Lehrplänen
Die auskömmlichen Sportmöglichkeiten müssen sich dabei an einem in allen beruflichen Bildungsgängen erteilten Sportunterricht orientieren, so dass Sport nicht aus allen Lehrplänen gestrichen wird und damit der Bedarf an Hallen und Außenflächen nicht mehr gegeben ist. Dazu fordert das Konzept bereits eine „hohe Arbeits- und Anwesenheitsqualität (durch) Freizeit-Infrastruktur (Sporthallen, Fitnessräume)".
Aber in der Konzept-Grafik dazu gibt es keine Aussage über Größe und Form. Es ist zu prüfen, wie viele Sporthallen in den Quellschulen gegeben sind und wie das im jeweiligen Campus gleichwertig (besser gesteigert) abgebildet werden kann. Sportorte zur Freizeitgestaltung müssen zusätzlich zu regulären Kapazitäten im Rahmen des Unterrichts vorhanden sein.
Für die Neueinstellung von Funktions- und Entscheidungsträgern muss ein „selbstverständlich positives Bild von Sport und Bewegung in der Gesellschaft und eine ganzheitliche Förderung des Menschen” genauso gegeben sein, wie das Bekenntnis zur Förderung inklusiver Bemühungen und der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter. Bereits tätige Funktions- und Entscheidungsträger sind fortzubilden.

Campus Nord und Ost ohne Sport?
In den Ausführungen zum Campus West und Süd wird Sport erwähnt, nicht jedoch für Nord und Ost, obwohl dort die Bereiche Gesundheit, Pflege und Soziales diesen Anteil unbedingt herausfordern. Das wäre nachzubessern und es müsste sichergestellt werden, dass im Planungsprozess Mitarbeiter*innen mit entsprechender Expertise beteiligt sind, da dieser bereits seit mehr als zwei Jahren läuft. 

Planung mit wenig Partizipation
Neue Standorte für Berufsbildende Schulen: Auszüge aus der DGB-Stellungnahme zu den Überlegungen der Bildungsbehörde

Die Transformation der Arbeitswelt stellt auch die Ausbildung vor neue Herausforderungen: KI, Digitalisierung, aber auch die Veränderung von Berufsbildern. In dem Abschlussbericht der Klimaenquete ist mehrfach genannt, dass Berufsschulen besser technisch ausgestattet werden müssen und mehr Investition in Lehrkräfte getätigt werden müssen. Diese Bedarfe sind bei Neubau und Umbauten mit zu denken. Berufsschulen werden gebraucht, um Fachkräfte von morgen für die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft auszubilden und müssen dazu befähigt werden. Dies ist in der Detailplanung mit zu berücksichtigen.

Und die Lernschwächeren?

Das Campus-Konzept geht von einem Schüler:innentypus aus - der viel stärker als es bisher der Fall war - die Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess übernimmt. Eine intrinsische Motivation und die Fähigkeit selbstorganisierten Lernens werden vorausgesetzt. Dieser Blick stimmt nur für einen Teil der Schüler:innen. Ein differenziertes Lernangebot und eine individuelle Förderung von – vor allem lernschwachen – Schüler:innen und Azubis benötigt andere Voraussetzungen an eine Lernumgebung. Dies gilt vor allem in Werkstufen, in einjährigen berufsvorbereitenden Bildungsgängen und in Praktikumsklassen. Die sehr heterogenen Bedürfnisse der Schüler:innen in den verschiedenen Bildungsgängen werden nicht benannt, müssen aber in der Detailplanung vorkommen. Längere Wege beispielsweise sind nicht inklusionsfreundlich, wobei in der Planung betont wird, dass die Anforderungen einer umfassenden Inklusion bei der Standortplanung eine zentrale Rolle spielen. Aus dem oben ausgeführten Gedanken folgt, dass die neuen Standorte so barrierefrei und auch kleinräumig gestaltet sind, dass sich auch unsichere Schüler:innen wohl fühlen.

Mensen sind unverzichtbar

Bei den Synergien wird von gemeinsamer Angebots-, Versorgungs- und Unterstützungsinfrastruktur geschrieben. Die meisten Leistungen einer Schule skalieren allerdings mit der Schüler:innenzahl, d.h. es entsteht dabei kein Einsparpotential beim Zusammenlegen von Schulen. Mündlich wurde versichert, dass es nicht um eine Verringerung der Schulzahlen geht, sondern lediglich um eine Nachbarschaft. Der Synergie-Effekt muss also auf anderer Ebene liegen. Synergien sehen wir bei teuren technischen Anschaffungen. Wir regen an, Mensen als elementarer Bestandteil von jedem Campus mitzudenken, die Formulierung „könnte“ ist an der Stelle zu schwach. Weiterhin ist die Campus-Lösung attraktiv für Betriebskitas. Kita und Hortlösungen können auch helfen, als (Allein-)Erziehende Person eine Ausbildung abzuschließen. Feste Implementierung von Beratungs- und Unterstützungsstellen, (ReBuZ, Ausbildungsbeiräte, Sozialpädagog:innen, Antidiskriminierungsstelle, Gewerkschaften) und die Schaffung geeigneter Räume kann ebenfalls zu den Synergieeffekten großer Standorte zählen. Wir sind irritiert davon, dass es Bibliothek, Teeküche, Zeitschriftenjournal lediglich im Lern-Cluster für die Heilerziehungspflege und sozialpädagogische Bildungsgänge geben soll. Haben die anderen Bildungsgänge dafür keinen Bedarf?

Ohne Mitbestimmung geht es nicht

Wir fragen uns, wieso Schulleitungen und Beschäftigte erst aus der Presse erfahren, was mit ihrer Schule passieren soll. Damit solch großen Projekte gelingen können, braucht es eine Transparenz des Verfahrens für eine breite Zustimmung und damit Mitarbeit. Die Mitbestimmungsgremien sind zu beteiligen. Das Vorgehen der Behörde ist wenig partizipativ. Eine Diskussion innerhalb des Kollegiums wird durch kurze Fristsetzungen, unklare Zeitpläne und fehlende oder gar falsche Kommunikation über die Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmer:innen verhindert. Die direktive Kommunikation der Schulaufsicht gegenüber Ihren Beschäftigten im Vorfeld kritisieren wir scharf.

Und die Beschäftigten?

Der DGB begrüßt, dass die Bildungsbehörde die berufsbildenden Schulen den verändernden Gegebenheiten anpassen möchte. Ein grundlegender pädagogischer Paradigmenwechsel fordert aber individuelle Förderung, eine Rhythmisierung des Unterrichts. Teamarbeit und Räume. Allerdings wird auf eine moderne Pädagogik gesetzt, bei dem von „Umkehr der Verantwortung“ die Rede ist. Lehrkräfte werden zu Lernmoderatoren oder Lernbegleitern. Diese „Vision 2035“ wurde nicht mit den Kollegien abgestimmt. Wir kritisieren hier die mangelnde Teilhabe der Beschäftigten am Prozess. Die Verantwortung für die Sozialform und die Gestaltung des Unterrichts darf der Lehrkraft nicht aus der Hand genommen werden. Räume müssen verschiedenen Lernsettings gerecht werden. Moderne Schule muss beides können.

ÖPNV-Taktung verbessern

Eine Konzentration von mehreren Tausend Lernenden auf einem Campus bringt erheblichen Verkehr mit sich. Es ist zu konkretisieren, wie daraus erwachsende Probleme, insbesondere in Blumenthal, vermieden werden. Ein 30-Minuten-Takt der Nordwestbahn reicht da bei weitem nicht aus. Auch die weiteren Standorte benötigen eine gute Anbindung an den ÖPNV und eine gute Taktung, da die Verkehrsströme sich hier konzentrieren werden. Wir regen Gespräche mit der BSAG, dem VBN und der Nordwestbahn an, um die Anbindung an den ÖPNV zu stärken. Gleichzeitig ist es notwendig, ausreichend Parkräume für Schüler*innen, Azubis und Beschäftigte mit zu planen, um die umliegenden Straßen nicht zu belasten.

Eine Schulverlegung kann mit erheblich verlängerten Arbeitswegen verbunden sein. Versetzungswünsche und Härtefälle müssen mit den Mitbestimmungsgremien abgestimmt werden.

Ausfinanzierung sicherstellen

Dass konkrete Umsetzungszeiträume genannt sind, bewerten wir äußerst positiv, wenngleich sie ambitioniert erscheinen. Mit Blick auf die sich entwickelnden Preise fürs Bauen ist seitens des Haushaltsgebers sicherzustellen, dass die Planungen bis zur schlüsselfertigen Übergabe ausfinanziert sind und seitens der Projektplanung im Zeitplan umgesetzt wird. Etwaige entstehende Mehrkosten dürfen nicht zu Lasten der Personalkosten und des Personals gehen. Viele Berufsbildende Schulen brauchen dringend den Neubau, um den veränderten Bedingungen Schritt zu halten und eine attraktive Lern- und Arbeitsumgebung zu gehen. Die Berufsschule muss als starker Partner der dualen Ausbildung wahr- und ernstgenommen werden.È