Zum Inhalt springen

Schwerpunkt

Perspektivlos und prekär

Die politisch-gesellschaftliche Erwachsenenbildung steckt in der Krise

Jessica Heibült | Referentin Arbeitnehmerkammer

Die politisch-gesellschaftliche Erwachsenenbildung in Bremen zeichnet sich durch eine Vielfalt von Institutionen, Strukturen und Adressatengruppen aus. Doch die öffentlichen Fördermittel wurden bislang kaum an die wachsenden Herausforderungen der Bildungseinrichtungen angepasst. Dadurch ist die in Jahrzehnten gewachsene Bildungslandschaft gefährdet. Die Herausforderung der kommenden Jahre liegt vor allem darin, das Angebot und die Qualität für Beschäftigte und politisch Interessierte zu erhalten.

Ohne Frage ist die politisch-gesellschaftliche Erwachsenenbildung ein integraler Bestandteil der Bremer Weiterbildungslandschaft. Sie ist ein „Angebot zur Kommunikation, zur Orientierung, zur Identitätsbildung und so zur Bewältigung von politischen Umbrüchen und den Folgen des tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandels.“ [Anm.: Vgl. Jans, Theo (1995): 20 Jahre Politische Bildung. Bremen, S. 28] Sie stärkt die politische und persönliche Urteilskraft, qualifiziert Beschäftigte u.a. für Ehrenämter und freiwilliges Engagement und sie fördert die für das Zusammenleben und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft so dringend benötigte Kreativität.[Anm.: Vgl. Kocher, Eva/Welti, Felix (2013): Wie lässt sich ein Anspruch auf Weiterbildung rechtlich gestalten? Bonn.]  An ihrer Bedeutung für die Stabilisierung unserer Demokratie und für die Stärkung unserer Zivilgesellschaft kann also kein Zweifel bestehen. Diese Erkenntnisse sind auch Grundlage des Bremer Weiterbildungsgesetzes.

Ausfallhonorare Fehlanzeige

Diese anspruchsvolle Aufgabenstellung braucht fachlich und methodisch sehr gut ausgebildetes Personal. Die Beschäftigtenstruktur in der Erwachsenenbildung ist sehr heterogen: Dozent*innen sind hauptberuflich oder nebenberuflich in der Weiterbildung tätig, sie können festangestellt oder komplett freiberuflich beschäftigt sein. Diese Strukturen sind durchaus vorteilhaft, so kommen Dozent*innen aus ganz unterschiedlichen Arbeits- und Lebensräumen und prägen dadurch ein vielfältiges Bildungsangebot. Doch gleichzeitig sind die Arbeitsbedingungen zunehmend prekär. Stand Dezember 2022 erhalten Dozent*innen im Land Bremen durchschnittlich 26 Euro pro Unterrichtsstunde [Anm.: Das Honorar pro Unterrichtsstunde variiert zwischen 23 und 28 Euro. Freiberufliche Dozent*innen zahlen davon Kranken- und Rentenversicherung, Arbeitsmittel sowie eigene Fortbildungen.]  und das nur, wenn die Veranstaltung tatsächlich stattfindet. [Anm.: Kommt eine Veranstaltung nicht zustande, wird kein Ausfallhonorar gezahlt.]  Diese Umstände bieten keine Perspektive für eine hauptberufliche Tätigkeit als Dozent*in! Für die anerkannten Weiterbildungseinrichtungen wird es immer schwerer Dozent*innen zu finden.

Falsches Signal

Vor allem für Nachwuchskräfte ist die politisch-gesellschaftliche Erwachsenenbildung im Prinzip ohne Aussicht auf Festanstellung nicht attraktiv. Hinzu kommt, dass nach der Abwicklung des Studiengangs Erwachsenenbildung an der Universität grundsätzlich kein Nachwuchs für die Weiterbildung vor Ort mehr ausgebildet wird. Dies ist auch in den Einrichtungen zu spüren. Viele Kurse, Seminare und Bildungszeiten werden von älteren Dozent*innen durchgeführt. Das ist überaus wertvoll, da die Teilnehmenden von deren Expertise und Erfahrungsschatz profitieren. Es ist gleichzeitig aber riskant, da bei ihrem Ausscheiden viele Angebote wegbrechen werden – wenn keine jüngeren Erwachsenenbildner*innen nachrücken.

Mehr Subventionen

Das Berufsbild der politischen Erwachsenenbildner*innen muss also aufgewertet werden. Die Weiterbildungseinrichtungen können ihre Honorare jedoch nicht beliebig erhöhen, wenn die Seminarangebote für die Teilnehmenden bezahlbar bleiben sollen; sie sind auf Subventionierung angewiesen. Deshalb ist es unabdingbar, dass die öffentliche Förderung der Weiterbildung insgesamt deutlich erhöht wird. Die Zuschüsse zu den Honorarkosten für die politische Bildung sollten nicht wie bislang bis zu 80 Prozent, sondern bis zu 100 Prozent der zuschussfähigen Honorarkosten abdecken.

Darüber hinaus ist es eine politische Aufgabe, die Beschäftigtenstrukturen in der Weiterbildung zu überdenken. Dozent*innen, die freiberuflich Seminare in der politischen Erwachsenenbildung anbieten können und wollen, bleiben eine wertvolle Ressource. Doch mit mehr Festanstellungen könnte ein vielfältiges Angebot langfristig aufrechterhalten und weiterentwickelt werden. Dafür brauchen die anerkannten Einrichtungen zusätzliche Mittel.

Studiengang einrichten

Nicht zuletzt muss sich die Politik dafür einsetzen, dass der Studiengang Erwachsenenbildung wieder eingeführt wird, damit der Bremer Weiterbildungslandschaft auch in Zukunft ausreichend kompetentes Weiterbildungspersonal zur Verfügung steht.

 

Wer Lust und Zeit hat, Seminare in der politischen Erwachsenenbildung anzubieten und seine Fachexpertise weiterzugeben – die folgenden Einrichtungen freuen sich auf Zuschriften und Bewerbungen:

•             Bildungsgemeinschaft Arbeit und Leben Bremerhaven e.V.

•             Bildungsgemeinschaft Arbeit und Leben (DGB/VHS) e.V. Bremen

•             Bremer Volkshochschule

•             Evangelisches Bildungswerk Bremen

•             Wirtschafts- und Sozialakademie Bremen

•             Volkshochschule Bremerhaven