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Schwerpunkt

Pausenlose Pädagogik

Ein ganz normaler Arbeitstag an einer Ganztagsschule

Niklas Schönberg | Foto: GEW Bremen

Ein ganzer Tag in einer Grundschule. Es ist Dienstagmorgen, 7:30 Uhr. Ich schließe mein Fahrrad ab und gehe nach oben in meinen Klassenraum. Heute steht wieder ein voller Tag bis mindestens 15 Uhr in Präsenz in der Schule an. Von 8 Uhr bis 8:15 Uhr liegt meine erste offizielle Präsenzzeit zur Vorbereitung in der Schule, eine so genannte V-Zeit. Meistens bespreche ich mich in dieser Zeit mit Kolleg*innen, führe Elterngespräche und versuche, den Schultag mit all seinen Besonderheiten zu organisieren. Zeit zur Vorbereitung von Materialien für den Unterricht in den ersten beiden Stunden bleibt kaum. Der Unterricht beginnt um 8:15 Uhr. Es klingelt, und die Kinder stürmen in die Klasse. Nach dem Morgenkreis stehen Wochenplanarbeit und Mathematik auf dem Stundenplan. Dann klingelt es zur Pause und meine zweite V-Zeit des Tages beginnt. Hier bespreche ich mit meiner Kollegin, die wie ich Sonderpädagogin ist, gemeinsam mit unseren Klassenassistent*innen die Aufteilung der Assistenzsituationen für die Kinder unserer Klasse, die einen Förderbedarf im Bereich Wahrnehmung und Entwicklung haben. Dies ist für die Kinder sehr wichtig und nimmt viel Zeit in Anspruch. Dies müssen wir jeden Tag neu besprechen, je nachdem, was die Arbeit mit den einzelnen Kindern erfordert. Zeit für die Vorbereitung der Materialien für die nächste Stunde bleibt wieder kaum.

Krisen, Kollegin, Konferenz

Anschließend haben wir eine Doppelstunde Deutsch. Während dieser Stunde bringe ich Kindern bei, was ein Nomen ist. Gleichzeitig berate ich eine unserer Assistentinnen dabei, wie sie bestmöglich mit einer Krisensituation eines Schülers aus dem Autismus-Spektrum umgehen kann. Zusätzlich kommt noch eine Kollegin kurz in den Unterricht und möchte mit mir über eine Materialbestellung für die Schule sprechen. Dann klingelt es zur zweiten Pause. Auch in dieser Pause, die ebenfalls als V-Zeit gedacht ist, habe ich kaum Zeit für die Vorbereitung des nachfolgenden Unterrichts. Ich bespreche gemeinsam mit einer Sozialassistentin ihren Ausbildungsplan und gebe ihr Tipps im Umgang mit einem Schüler. Danach steht die Fachkonferenz in Deutsch auf dem Plan. Solche Fachkonferenzen finden nicht jede Woche statt, aber doch zwei Mal im Quartal. Eigentlich sollte in den Konferenzen gemeinsam Unterricht geplant werden.

Absprachen statt V-Zeit

In den Wochen, in denen keine Konferenz ansteht, findet dann V-Zeit statt, die erneut die verpflichtende Anwesenheit in der Schule regelt. In diesen V-Zeiten sollte eigentlich Zeit für die Erstellung der Materialien der gemeinsam geplanten Einheiten sein. Ihr ahnt es jedoch sicherlich schon – auch diese V-Zeiten muss ich zumeist dafür nutzen, um mich mit Kolleg*innen abzusprechen. Unterricht planen oder Material dafür erstellen, schaffe ich kaum. Meinen Kolleg*innen geht es ähnlich. Nach dieser V-Zeit ist dann meine erste richtige Pause des Tages, in der ich ebenfalls von einem Kollegen angesprochen werde, da er nach Rat bezüglich des Umgangs mit einem Schüler fragt. Anschließend steht Schachunterricht auf dem Stundenplan. Um 14:15 Uhr ist der Unterricht dann offiziell vorbei. Anschließend habe ich laut Plan bis 15 Uhr meine letzte V-Zeit des Tages. Am Ende eines langen Schultages habe ich dann ein wenig Zeit, Unterricht zu planen und Material zu erstellen. Um 16 Uhr schließe ich mein Fahrrad wieder auf und fahre nach Hause. 

Unmut und Überarbeitung

Die Ganztagsschule ist vermutlich eine gute Idee, und vermutlich ist sie sogar notwendig in unserer heutigen Gesellschaft, um es allen Menschen mit Kindern zu ermöglichen, möglichst Vollzeit zu arbeiten. Dabei sollten jedoch zwei Dinge nicht aus dem Blick geraten: Erstens brauchen wir genügend Personal an den Schulen. Zweitens kann die Ganztagsschule nur mit Konzepten funktionieren, die Kindern, Jugendlichen und auch dem Personal an den Schulen gerecht werden. Der Status quo der Umsetzung führt aktuell eher dazu, dass viel Unmut gegenüber dem Konzept entsteht und die Überarbeitung des an Schule tätigen Personals stetig ansteigt, was natürlich Auswirkungen auf den Schulalltag nicht zuletzt der Kinder hat. Die Kinder sowie ihre bestmöglichen Bildungschancen sollten an erster Stelle stehen.