Schulen bilden einen wichtigen Teil der staatlichen Infrastruktur. Die Zuständigkeit für die Schulgebäude liegt in Deutschland in den Flächenländern auf der kommunalen Gebietskörperschaftsebene – das heißt bei Landkreisen und kreisfreien Städten, in Stadtstaaten wie Bremen bei diesen Städten.
Aufgrund der generell schwachen öffentlichen Investitionstätigkeit, die in den vergangenen Jahren bei allen staatlichen Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) auszumachen ist, besteht im Bereich der staatlichen Infrastruktur ein erheblicher Investitionsstau. Nach dem aktuellen Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Bereich Schule (inklusive Erwachsenenbildung) bei fast 33 Milliarden Euro.
Die „Investitionsoffensive“ des Bundes
Am 1. Juni 2017 sind im Bundestag bekanntlich die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und die Schaffung einer Bundesautobahngesellschaft beschlossen worden. Eine weitere, in diesem Kontext erfolgte und weniger beachtete Grundgesetzänderung betrifft den Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur. Dem Bund wird durch die Einführung des neuen Art. 104c Grundgesetz die Möglichkeit eingeräumt, finanzschwachen Städten und Landkreisen direkt Mittel zur Sanierung der Bildungsinfrastruktur zukommen zu lassen. Die Bundesregierung stellt auf dieser Grundlage 3,5 Milliarden Euro an Zuweisungen für die Kommunen bereit, wobei dieses Geld – so steht es in der vorgesehenen Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes – explizit auch zur Finanzierung von Projekten in Öffentlich-Privater Partnerschaft genutzt werden kann. Im Rahmen ihrer Sondierungsgespräche haben Union und SPD beschlossen, an diese Maßnahme anzuknüpfen: Der Begriff „finanzschwach“ soll gestrichen werden, „um eine Investitionsoffensive für Schulen in Deutschland auf den Weg zu bringen“. Mit welchem Finanzvolumen diese „Investitionsoffensive“ unterlegt werden soll, bleibt allerdings offen.
Teuer und intransparent
Traditionell erfolgt eine staatliche Investition, indem die öffentliche Hand den eigenen Investitionsbedarf feststellt, dann entsprechende Planungen vornimmt und Aufträge vergibt. Die Finanzierung einer solchen Investition, zum Beispiel die Renovierung einer Schule oder der Bau einer Kindertagesstätte, erfolgt aus Eigenmitteln durch die Aufnahme eines Kredits seitens der Kommune. Die Bauleistung erbringt in der Regel ein privates Unternehmen. Als Kreditnehmer genießt der Staat als sicherer Schuldner besonders günstige Zinskonditionen.
Im Falle einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft – kurz ÖPP – sind im Gegensatz zu einer traditionellen öffentlichen Investition die privatwirtschaftliche Akteure nicht erst nach Erteilung des Bauauftrags, sondern schon im Rahmen der Aufgabendefinition involviert. Die Privaten übernehmen Planung, Ausführung und Betrieb des entsprechenden Vorhabens. Auch die Finanzierung der Infrastruktur wird oft vom privaten ÖPP-Partner übernommen, ist aber keine Voraussetzung für ÖPP. Das Bundesfinanzministerium charakterisiert ÖPP wie folgt: „Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) sind langfristige, aber zeitlich befristete Vertragsbeziehungen zwischen einer staatlichen Instanz und einem privaten Unternehmen oder einem Konsortium privater Unternehmen, in denen der private Partner Errichtung, Betrieb und gegebenenfalls Finanzierung einer Infrastruktur übernimmt und dafür vom öffentlichen Partner Entgelte erhält und/oder das Recht, Entgelte von den Nutzern der Infrastruktur zu erheben.“ (Bundesministerium für Finanzen)
Geworben für ÖPP-Projekte wird in der Regel mit einer höheren Effizienz und Effektivität von Privatunternehmen, was diese letztlich billiger mache als eine konventionelle Investition. Nachvollziehbar sind solche Argumente nicht, denn schließlich zielt jede unternehmerische Tätigkeit darauf ab, einen Gewinn zu erwirtschaften. Allein schon deshalb ist es mehr als zweifelhaft, dass ÖPP wirtschaftlicher und kostengünstiger ausfallen kann als die Finanzierung, Sanierung und Bewirtschaftung der öffentlichen Infrastruktur in staatlicher Eigenregie. Hinzu kommt, dass die Aufnahme von Fremdkapital für die öffentliche Hand deutlich günstiger ist als für Privatunternehmen. Unnötige Kosten verursacht zudem die Einschaltung von zahlreichen Beteiligten wie Steuerberater, Anlagevermittler, Projektentwickler usw. Zudem kommt es oft zu teuren und langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Ein weiteres gewichtiges Argument gegen ÖPP sind die häufig intransparenten Entscheidungsprozesse in den Parlamenten. Dies liegt unter anderem daran, dass die Vertragswerke hochkomplex und enorm umfangreich sind. Außerdem unterliegen sie – wie bei allen privatrechtlichen Vertragswerken – einer hohen Geheimhaltung. Infolge dessen und aufgrund von Datenschutzbestimmungen wird das Parlament unzureichend informiert. Insofern sind eine demokratische Kontrolle und eine transparente öffentliche Diskussion über das für und wider von ÖPP-Projekten nicht möglich. Und nicht zuletzt führt die lange Vertragslaufzeit von bis zu 30 Jahren dazu, dass die Verträge nicht alle im Laufe der Zeit möglicherweise auftretenden Eventualitäten im Vorhinein regeln können. Damit aber sind oft Nachverhandlungen erforderlich, die teuer sein können und unter Umständen mit Vereinbarungen verbunden sind, die für die öffentliche Hand nicht besonders günstig ausfallen.
Auch an konkreten Beispielen lässt sich zeigen, dass Investitionen auf Basis von ÖPP teurer ausfallen als konventionell durchgeführte öffentliche Investitionen, und dass erstere zudem oft auch erhebliche Qualitätsmängel aufweisen – eine große Zahl solcher Fälle wird in dem Standardwerk von Werner Rügemer zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften (Titel: „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum) und in dem jüngst erschienen Buch von Tim Engarnter (Staat im Ausverkauf) geschildert. Das deutschlandweit größte ÖPP Projekt im Schulbereich scheitert gerade in Hessen im Landkreis Offenbach: Nach einer Prüfung des Hessischen Rechnungshofs aus dem Jahr 2015 ist mit einer Kostensteigerung in Höhe von 367 Millionen Euro (47 Prozent) bis zum Jahr 2019 zu rechnen(vgl. Der Präsident des Hessischen Rechnungshofs 2015).
Die geplante „Öffnung des Marktes“
Die schwache öffentliche Investitionstätigkeit war auch eines der zentralen Themen der vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Gabriel 2014 einberufenen Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, die nach ihrem Vorsitzenden Marcel Fratzscher auch oft kurz als Fratzscher-Kommission bezeichnet wird. Schon im Vorwort des Kommissionsberichts aus dem Jahr 2015 heißt es mit Blick auf die zu geringen staatlichen Investitionen: „Lösungen müssten daher über die bloße Reorganisation staatlichen Handelns hinausgehen. Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) könnten einen wesentlichen Beitrag zur Schließung der Investitionslücke leisten.“ Unter anderem wird die Schaffung einer öffentlichen Infrastrukturgesellschaft für Kommunen ins Spiel gebracht, die Gemeinden, kreisfreie Städte und Landkreise beraten soll. Außerdem seien neue Wege zur Mobilisierung von zusätzlicher privater Infrastrukturfinanzierung zu nutzen.
Das Bundesfinanzministerium hat den Vorschlägen unter Rückgriff auf die ÖPP Deutschland AG auch schon Taten folgen lassen. Diese Gesellschaft wurde 2008 auf Initiative der Finanzindustrie gegründet – 57 Prozent der Gesellschaft waren in Besitz des Staates, 43 Prozent im Besitz von rund 70 Firmen, darunter Unternehmen wie Bilfinger Berger und Hochtief Concessions AG. Laut Selbstdarstellung bestand der Geschäftszweck in der Öffnung des deutschen Marktes für ÖPP durch Beratung von öffentlichen Auftraggebern. Das Startkapital kam von der Bundesregierung, was einen Journalisten zu der Schlussfolgerung kommen ließ, damit finanziere die öffentliche Hand zum ersten Mal die Lobbyarbeit der Industrie selbst. Zum 1. Januar dieses Jahres wurde die ÖPP Deutschland AG umbenannt in PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, wobei letztere jetzt in den alleinigen Besitz der öffentlichen Hand übergegangen ist und die Arbeit der vorgeschlagenen Infrastrukturgesellschaft für Kommunen übernimmt.
Die neoliberale Ausdünnung staatlicher Kompetenz
Ein weiterer Grund, warum in Zukunft vermutlich ganz im Sinne der Fratzscher-Kommission – und im Sinne der alten sowie der neuen Bundesregierung – verstärkt auf ÖPP im Schulbereich zurückgegriffen werden wird, dürften Engpässe im personellen Bereich sein: So ist seit Anfang der 1990er Jahr die Zahl der mit Baufragen befassten Personen im Öffentlichen Dienst der Kommunen beträchtlich gesunken. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (2016) in einem gemeinsamen Gutachten mit diesem Sachverhalt für ÖPP werben. Denn es ist mehr als entlarvend, dass ausgerechnet eine neoliberal ausgerichtete Forschungseinrichtung wie das IW mit einem solchen Argument ÖPP propagiert: Das IW ist eine jener Institutionen, die sich in den vergangenen Dekaden besonders vehement für eine ausgabenseitige Konsolidierung des Staates und eine Steuerpolitik, die auf eine Schonung von reichen Haushalten und dem Unternehmenssektor abzielt, eingesetzt haben. Diese Strategie war offensichtlich so erfolgreich, dass auf ihrer Basis nun eine weitere Bereicherung des Unternehmenssektors zu Lasten der Allgemeinheit propagiert werden kann.