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Aufrüstung und Militarismus

Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg

oder Wir.Dienen.Deutschland. Das ist hier die Frage. (ungekürzter Artikel)

Volles Rohr! Rüstungsausgaben steigen weiter.

„Deutschland hat der NATO erneut Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe gemeldet. 53,03 Milliarden Euro für das laufende Jahr. Das sind 3,2 % mehr im Vergleich zum Vorjahr. (W.K. 8.2.2021, S.5); Das ist ein Skandal!!! [Anm.: Soeben vermeldet der W.-K. vom 16.2.2021: NATO-Generalsekretär Stoltenberg fordert noch mehr Geld für Verteidigung.]

Es geht hier ja nicht um Verteidigung und schon gar nicht um Sicherheit, sondern schlicht und ergreifend um in der Geschichte der BRD noch nie dagewesene militärische Aufrüstung.

 

„Wer seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“(George Santayana)

Als ehemaliger Geschichts-u. Politiklehrer hole ich ein bisschen aus.

Meine Generation (geb. 1945) hat die furchtbaren Auswirkungen des Krieges noch mit eigenen Augen gesehen und wurde von diesem Eindruck geprägt.

Deshalb haben wir die Nachkriegslosung „Nie wieder Faschismus- nie wieder Krieg“ begrüßt, leider haben wir dann vergeblich gegen die Remilitarisierung gekämpft, aber doch mit Erfolg gegen eine deutsche Atombewaffnung.  In diesen Auseinandersetzungen mussten wir erkennen, dass sich die zentralen Machtverhältnisse in Wirtschaft und Staat nach 1945 nicht verändert hatten. Deshalb stellte sich bei vielen auch eine kapitalismuskritische Einstellung ein. Uns war der wesentliche Grund für Kriege klar geworden, nämlich ökonomische und handelspolitische Interessen, kurz: Rohstoffe, Märkte und billige Arbeitskräfte. Deshalb versuchten wir endlich eine kritische Aufarbeitung des Faschismus in den Universitäten und Schulen durchzusetzen, oft kritischer als es der Staat erlaubte (siehe Berufsverbote). Wir wussten, „daß [sic] der Schoß noch fruchtbar war, aus dem Faschismus und Krieg gekrochen waren.“(B.Brecht).

Deshalb gab es Demonstrationen u.a. gegen den Vietnam-Krieg und Proteste gegen den Putsch in Chile. [Anm.: Chile war das erste Land, das der neuen Austeritätspolitik anheimfiel, dann kam ganz Mittel-u.Süd-Amerika, außer Kuba, dann Afrika, seit einigen Jahren Europa, insbes. Griechenland, Irland, Spanien, Italien, aber auch Deutschland. Im Kontext des hochtechnologischen Exportmodells der BRD mit Niedriglöhnen und prekärer Arbeit zeigen klassengesellschaftliche Verhältnisse in einem ganz traditionellen Sinne wieder ihr hässliches Gesicht. Fast 20% der Bevölkerung leben in Armutsverhältnissen, 30% sind mit permanenten Abstiegsgefahren konfrontiert und tendieren latent nach rechts. Existentielle Angst spielt den Neofaschisten in die Hände. Dagegen kommt Bildung alleine und bei dauernder Unterfinanzierung auch nicht an.] Deshalb gab es auch in den 80ger Jahren riesige Demonstrationen (300.000 in Bonn mit internationaler Besetzung u.a. H. Bellafonte) gegen die neuen US-Erstschlagwaffen und für eine Welt ohne Atomwaffen in Ost und West (Krefelder Appell  mit etwa 5 Mio. Unterschriften), Diskussionen über Rüstungskonversion, besonders wichtig in Bremen mit seiner umfangreichen Militärproduktion (Airbus, Atlas Elektronik, Lürssen u.a.).

Noch 1995 hatte der GRÜNEN-Parteitag den Austritt aus der NATO gefordert.

Und heute?

 

Neue Militärstrategie

Der Warschauer Pakt ist aufgelöst, die Sowjetarmee aus Ostdeutschland abgezogen.

Aber die nach dem 2+4-Vertrag  [Anm.: von DDR, BRD +  SU, USA,GB,Frankreich ausgehandelter Vertrag zur Vereinigung von BRD u.DDR]  von 1990 erhoffte „Friedensdividende“ wurde verspielt.

 

 

Durch die neue Militärstrategie, niedergelegt in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992, wurde die vom Grundgesetz geforderte Beschränkung des Bundeswehreinsatzes auf Verteidigung

des eigenen Territoriums höchstrichterlich aufgeweicht, was fragwürdigen Auslandseinsätzen deutscher Soldaten Tür und Tor öffnete. Konsequenterweise ließ der damalige „Verteidigungs“-minister Struck (SPD) beim Afghanistaneinsatz (2002) verlauten, dass „unsere  

Freiheit auch am Hindukusch verteidigt würde.“ Wessen Freiheit und wessen Interessen mussten sich doch zumindest diejenigen fragen, die die Geschichte Deutschlands bis dato kritisch verfolgt hatten.

Leider hatten sich die GRÜNEN auf ihrem Parteitag in Bielefeld (13.5.1999) dazu entschlossen, ihre kritische Distanz zur deutschen Militärpolitik aufzugeben und aus ihrer Friedenspartei eine Kriegspartei zu machen. Wir mussten erleben, dass mit verwegenen Lügen der 1. deutsche Kriegs-

einsatz nach 1945 besonders durch den GRÜNEN-Außenminister J. Fischer legitimiert wurde [Anm.: „Es begann mit einer Lüge“  J. Angerer/Mathias Werth, 8.2.2001 WDR Monitor (ähnlich der Raketenlüge vor dem Angriff auf den Irak)].

In wohlfeilen Dosen, die wenig öffentlichen Protest hervorriefen, ist es den deutschen Regierungen gelungen, militärische Grenzen zu verschieben. Auf der Münchener „Sicherheits“-konferenz (Anfang 2014) plädierten der damalige Außenminister Steinmeyer, Bundespräsident Gauck und die Kriegsministerin von der Leyen- gemäß dem Konzept zur Neuausrichtung der Bundeswehr- für eine Ausrichtung der Bundeswehr auf die Rolle einer globalen Interventionsarmee („schnelle Eingreiftruppe“), ideologisch unterfüttert mit Sprüchen wie die Deutschen müssten mehr „Verantwortung übernehmen“(Gauck), „ihren instinktiven Pazifismus hinterfragen“ (J.Fischer, Tagesspiegel online 1.5.2020) und endlich „politische Reife“[Anm.: „Ist politisch erst erwachsen, wer Truppen ins Ausland schickt?“ fragt Charlotte Wiedemann und fügt hinzu, dass es sich hierbei um ein törichtes Narrativ handle, von GRÜNEN erfunden, das nun auch die LINKE bedränge. Das Zauberwort hieße: Regierungsfähigkeit. (https:/taz.de/Archiv-Suche, Schlagloch).] zeigen. Der bei der Wiedereinführung des Wehrdienstes verwendete Ausdruck „Drückeberger“ für Kriegsdienstverweigerer wurde in diesem Zusammenhang wieder bemüht.

Kernbehauptung dieses „Münchener Konsenses“ ist, die Welt rufe nach mehr deutscher Verantwortung in der Weltpolitik und das müsse die Bevölkerung in Deutschland verstehen und akzeptieren- ungeachtet der Kosten oder etwaiger pazifistischer Ansprüche der Bevölkerung. Dergestalt wurde der Anspruch an die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik formuliert. Alle im Bundestag vertretenen Parteien außer der LINKEN übernehmen und praktizieren diesen Anspruch im tagespolitischen Geschäft wie auch in ihren strategischen Konzeptionen und Programmen. Um ein Missverständnis zu vermeiden: Ich wende mich nicht gegen mehr Verantwortungsübernahme. Im Gegenteil. Mit Ärzten und technischem Personal bei der Bekämpfung der Pandemie (statt mit Soldaten!!), bei Natur- und Hungerkatastrophen und Flüchtlingsströmen könnte Deutschland durchaus mehr zivile/humanitäre Hilfe leisten. Aber genau das ist mit dem Begriff Verantwortungsübernahme nicht gemeint. Gemeint ist vielmehr militärische Machtprojektion bis in den indo-pazifischen Raum für das vermeintlich „Gute“- also für deutsche und westliche Interessen. [Anm.: So ähnlich wurde 1897 vom damaligen Staatssekretär des Auswertigen Amtes von Bülow der Anspruch des Deutschen Reiches auf Kolonien formuliert: Deutschland gebühre ein „Platz an der Sonne“. Gemeint war der Versuch der Neuaufteilung der Welt (1.Versuch: 1.Weltkrieg).]

Ziel dieser neuen militärischen Ausrichtung  ist es, neben der Stärkung der NATO, eine „EU-Armee“ aufzubauen, die eine global-operierende Fähigkeit entfalten kann, um den Kapital- und Machtinteressen im Großmächtewettbewerb auch militärischen Nachdruck verleihen zu können. Nichts anderes steckt hinter der Aussage wie, die EU sei ein „wirtschaftlicher Riese, ein politischer Zwerg und ein militärischer Wurm.“ [Anm.: „Wo bleibt die europäische Armee?“ in VOX EUROP  20.12.2013]

 

Es ist den deutschen Regierungen gelungen, dass die einzelnen Militäreinsätze, die dieser neuen Militärstrategie folgen, kaum mehr nach ihren Mandaten (UNO, NATO, EU) unterschieden werden.

Dadurch tritt auch die Frage in den Hintergrund, ob diese Interventionen völkerrechtskonform sind. Die NATO und die EU legitimieren sich in zunehmenden Maße selbst (Irak, Mali).

Deutschland hat neben Japan die größte Anzahl an US-Militärstützpunkten- mehr als 50: z.B. die US-Kriegskommando-Zentralen EUCOM und AFRICOM, US-Atomwaffenlager, die US-Kriegsdrehscheibe Ramstein, NATO-Hauptquartiere in Ulm und Kalkar, dazu kommt die irrsinnige Erhöhung des deutschen Militärhaushalts für die NATO von jährlich 2%.

 

Denn nicht Russland ist an die NATO herangerückt, sondern die NATO an Russland

(Wolfgang Kubicki (FDP) in einem Interview mit der AFP )

 

Um ein derartiges Programm (wie z.B. auch das Manöver US-Defender 2020 oder die Anschaffung von Drohnen) zu legitimieren, müssen Rechtfertigungideologien her, alte [Anm.: Plakat mit Sowjetsoldaten vor dem Kölner Dom;  „Wir wollen ja nicht weniger als einen Regimewandel in Russland“ (G.Felbermayr, Präsident  des Kieler Instituts für Weltwirtschaft; 11.2.21 im Deutschlandfunk).] Feindbilder aus der Mottenkiste geholt und neue kreiert werden. Dazu gehören der „Global War on Terror“,  Regime-Change-Interventionen und die sog „Schutzverantwortung“ („Responsibility to Protect“), durch die angeblich Menschenrechte geschützt werden sollen. Die Verhältnisse in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Mali, Somalia, Jemen zeigen das genaue Gegenteil. Menschenrechte? Die doppelte Moral und Scheinheiligkeit der westlichen Regierungen und Medien zeigt sich deutlich bei der unterschiedlichen Behandlung der Fälle Nawalny auf der einen und Assange/Snowdon auf der anderen Seite.

Russland und China werden als Feinde dämonisiert, weil sie die Führungsrolle der USA in Frage stellen und sich für eine multilaterale Welt mit Verhandlungsbereitschaft auf Augenhöhe einsetzen. [Anm.: im W.-K. (12.1.2021) schreibt Birgit Svensson (S.2) vom „Untergang der westlichen Weltordnung“ und vom „vergeblichen Versuch der Einführung der Demokratie als Heilsbringer“; auch Antje Vollmer (die GRÜNEN) spricht in diesem Zusammenhang von der „Hybris des Westens“ (Berliner Zeitung 30.1.2021)]

Das amerikanische Sendungsbewusstsein, getragen von einem christlichen Fundamentalismus, wirtschaftlichem Dollar-Imperialismus und militärischer Stärke ist gefährlich. Die US-Regierungen kämpfen für den Erhalt ihrer Führungsrolle („America First“). Trump war nur einer der extremsten Vertreter dieses Sendungsbewusstseins, Biden muss erst noch beweisen, ob die USA willig sind,

einen friedlichen Weg einzuschlagen.

Diesen friedlichen Weg sollten wir in Deutschland unbeirrt verfolgen und dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO eine Absage erteilen, auf bewaffnete Interventionen verzichten und  dem UNO-Atomwaffenverbotsvertrag (bisher haben 50 Länder unterschrieben) beitreten.

 

MERKE: Rüstungskosten töten schon jetzt— denn sie fehlen bei der ökologischen Umgestaltung, bei der Gesundheit, beim Wohnen und bei der Bildung!! [Anm.: in derselben Ausgabe des W.-K. vom 8.2.2021, in der von den Rekordrüstungsausgaben die Rede ist (S.5), steht auf S.9, dass der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno), in großem Umfang Personal und Betten abbauen will. Wenn das kein Skandal ist.]