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Zur Neustrukturierung der ErzieherInnenausbildung

Unter dem Titel „Rot-Grün schiebt bessere Ausbildung für Erzieher an“ berichtete der Weser-Kurier am 10.Dezember, dass die SPD-Abgeordnete Karin Garling eine Neustrukturierung der ErzieherInnen-Ausbildung angekündigt hat. Einige Tage vorher hatte ein Hearing stattgefunden, an dem auch Personalräte beteiligt waren. In Bremen wird seit mehreren Jahren die Diskussion um die Weiterentwicklung der ErzieherInnenausbildung geführt, eingebettet in die bundesweite Debatte um die qualifizierte Ausbildung – was gleichzeitig immer bedeutet – um die Entwicklungs- und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen. Die BLZ fragte deshalb die Leiterin der Fachschule für Sozialpädagogik im Schulzentrum Neustadt nach ihren Vorstellungen zur Neustrukturierung der Ausbildung:

Wie lassen sich die erhöhten Anforderungen an Erzieher und Erzieherinnen skizzieren?

Die Anforderungen an die ErzieherIn sind in mehrfacher Hinsicht gestiegen: Die ErzieherInnen sollen ganzheitliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle Kinder gewährleisten, dabei Kinder aus bildungsfernen Familien fördern, hier besonders Sprach- und Sozialkompetenzen entwickeln, sowie spezielle Kenntnisse der Entwicklungsphase von 0 – 3 Jahren nachweisen. Sie müssen sich auskennen in Konzepten der Sprachentwicklung unter dem besonderen Aspekt der Mehrsprachigkeit, der Bedeutung von Muttersprache und Fremdsprachenerwerb (nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund) sowie Kenntnisse in Theorie und Praxis interkultureller Pädagogik besitzen. Zu den Erwartungen an die qualifizierte ErzieherIn gehört auch, dass sie über Kompetenzen im Bereich Integrations-/ Inklusionspädagogik verfügt, dabei sowohl den Kindern mit besonderem Förderbedarf wie auch allen anderen Kindern in sozialpädagogischen Einrichtungen gerecht wird und darüber hinaus auch die Diskussion und Konzeptentwicklung ihrer Einrichtung beispielsweise zu einem Familienzentrum und deren Umsetzung aktiv befruchtet.
Da die Ausbildung zur ErzieherIn als Breitbandausbildung konzipiert ist, bedeutet dies, dass sie über entsprechende Fach- und Sozialkompetenzen in verschiedenen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern verfügt. Fundierte Kenntnisse über prekäre Lebensverhältnisse, die Bedeutung von Gewalterfahrung und Kinderarmut für kindliche Entwicklung müssen verbunden sein mit pädagogischen Kompetenzen (z.B. Wahrnehmungs- und Diagnosefähigkeiten) und einer ethischen Grundhaltung, die sachgerechtes und verantwortliches Handeln im Team erwarten lässt.

Welche Strukturen sind geeignet die hier skizzierten Anforderungen zu verwirklichen?

Ein Aspekt dieser Frage zielt auf die Überlegung, welche Zulassungsvoraussetzungen von den BewerberInnen für die Fachschule zu erbringen sind. Reicht das Bremer Sparmodell des Vorpraktikums noch aus, um angesichts der hohen Anforderungen angemessen vorzubereiten? Wir befinden uns in Bremen in der Situation, dass von Jahr zu Jahr mehr auswärtige BewerberInnen nach Bremen umsiedeln, weil sie in anderen Bundesländern nicht zugelassen werden, aber hier den Eingangsvoraussetzungen genügen. Wir befinden uns in einer Situation, in der die gestiegenen Anforderungen der Fachschule durch ein einjähriges Vorpraktikum nicht angemessen vorbereitet werden können. Deshalb begrüßen wir die vorgesehene Sozialassistentenausbildung als eine Zulassungsvoraussetzung – sicher neben anderen Ausbildungs- und schulischen Abschlüssen, die mindestens auf diesem Niveau liegen und sozialpädagogische Vorerfahrungen enthalten. Auch für AbsolventInnen der zweijährigen Fachoberschule Gesundheit und Soziales, AbiturientInnen mit zusätzlicher sozialpädagogischer Praxiserfahrung, wie z.B. im Freiwilligen Sozialen Jahr oder QuereinsteigerInnen mit abgeschlossener nichteinschlägiger Berufsausbildung und zusätzlichem sozialpädagogischen Praktikum – die auch in der derzeitigen Ausbildungsstruktur insgesamt zwischen 30 und 40 % der Auszubildenden ausmachen - muss neben den SozialassistentInnen weiterhin der Zugang zur Fachschule möglich sein.
Grundsätzlich ist es problematisch im sozialpädagogischen Bereich unterhalb der ErzieherIn auszubilden, doch wie anders soll der Qualifikationserwerb für AbsolventInnen der Mittleren Reife ermöglicht werden? Zur Zeit erfolgt der Vorlauf zur Fachschule nach der Mittleren Reife in einem einjährigen Vorpraktikum. An vier Wochentagen befinden sich die SchülerInnen in sozialpädagogischen Einrichtungen der Zielgruppe der 0 – 6 Jährigen. An einem Wochentag findet begleitender Unterricht statt. In diesem einen Jahr gelingt es nicht ausreichend , die oben skizzierten Grundlagen für die Ausbildung in der Fachschule zu legen. Zudem ist eine Vorpraktikantin ausschließlich auf die Ausbildung zur ErzieherIn orientiert. Bei aller Problematik der beruflichen Perspektive ermöglicht die Sozialassistentenausbildung einen beruflichen Abschluss im sozialen Arbeitsfeld, gewährleistet die Durchlässigkeit und ermöglicht einen Zugang zur Fachschule durch den Erwerb beruflicher Qualifikationen. Es wäre u. E. wichtig, im Rahmen der Curriculumentwicklung der SozialassistentInnen auch soziale Arbeitsfelder außerhalb der Frühpädagogik einzubeziehen, um die berufliche Perspektive der AbsolventInnen zu erweitern.
70 % der derzeitigen Ausbildung von ErzieherInnen findet bundesweit an Fachschulen statt. Die Struktur der Ausbildung muss grundsätzlich gewährleisten, dass ErzieherInnen auf hohem Niveau den Anforderungen der pädagogischen Praxis gewachsen sind. D.h. es bedarf einer theoriegeleiteten Praxis und einer praxisgeleiteten Theorie und dieses ist nur in enger Verzahnung beider Ausbildungsanteile zu gewährleisten.

Wie soll das Theorie – Praxis – Verhältnis gestaltet werden?

In den beiden ersten Ausbildungsjahren halten wir ein jeweils 8wöchiges Praktikum für unverzichtbar, um entsprechend den Anforderungen der Breitbandausbildung Prxiserfahrungen in verschiedenen Altersgruppen und sozialpädagogischen Bereichen zu sichern. Die angehende ErzieherIn benötigt eben nicht nur theoretisches Wissen über kindliche Entwicklung, Bildungsförderung und Spracherwerb, sondern benötigt ebenso die Erfahrungen einer angeleiteten Praxis, um diese überhaupt reflektiert anwendbar zu machen. Diese Praktika sind Ausbildungspraktika mit gezielter Aufgabenstellung aus Fachschule und Praxis für das sozialpädagogische Arbeitsfeld. Die Praktika sind die Schnittstellen der Kooperation, in denen AnleiterInnen aus dem sozialpädagogischen Arbeitsfeld und BetreuerInnen aus der Fachschule gemeinsam den Lernprozess der Auszubildenden begleiten und unterstützen.
Die beiden ersten Jahre der Ausbildung bilden die Grundlage für die Entscheidung über den sozialpädagogischen Schwerpunkt im Anerkennungsjahr. In diesem Berufspraktikum entwickelt die angehende ErzieherIn einen vertieften persönlichen Schwerpunkt und befindet sich in der Ausbildungsphase der Professionalisierung. Die persönliche und fachwissenschaftliche Begleitung heißt hier:
Am sozialpädagogischen Arbeitsfeld orientierter begleitender Unterricht in entsprechenden Schwerpunktgruppen, Auseinandersetzung mit übergreifenden fachwissenschaftlichen Inhalten, Aneignung von Kenntnissen über Träger und Institutionen sowie die Entwicklung einer professionellen Haltung in der eigenverantwortlichen Steuerung pädagogischer Prozesse.
Eine Trennung der 3jährigen Ausbildung in 2 Jahre Zuständigkeit der Fachschule und anschließendes losgelöstes Berufspraktikum in anderer Zuständigkeit – wie sie zur Zeit noch in Bremen besteht - widerspricht den hier dargelegten Prinzipien von Kontinuität und Entwicklung in der Ausbildung.
Wir begrüßen daher die Vorlage eines 3jährigen Ausbildungskonzeptes an der Fachschule, halten dabei die Einbeziehung der Praxiseinrichtungen und Träger für unabdingbar. Die bereits jetzt bestehenden Kooperationsstrukturen – wie sie der Runde Tisch Praxis und die AnleiterInnentreffen darstellen – sind zu vertiefen und weiterzuentwickeln.
Die Absicherung des Praktikantenstatus mit Bezahlung nach Praktikantentarif sollte durch die neue Struktur der Ausbildung gewährleistet sein, um der sozialen Situation der Auszubildenden und der Bedeutung der Tätigkeit gerecht zu werden.
Die Verknüpfung der beruflichen Qualifikation mit dem Erwerb der Fachhochschulreife ist konsequent und erschließt der ausgebildeten ErzieherIn weitere Möglichkeiten beruflicher und allgemeiner Bildung. Das Prinzip der Durchlässigkeit ist damit von der Mittleren Reife über die Sozialassistenz, ErzieherInnenausbildung, Zugang zur Fachhochschule bis zur Universität gewährleistet.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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