Zum Inhalt springen

„Ziel ist die Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung“

Arbeitszeitanalyse in Niedersachsen: Ist der Weg auf andere Länder übertragbar?

Im Dezember 2016 setzte die Niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) eine externe Expertenkommission zur Arbeitszeitanalyse von Lehrkräften und Schulleitungen ein. Die GEW Niedersachsen beschloss dazu Forderungen. Schließlich geht es darum, ob der niedersächsische Weg Bedeutung für andere Bundesländer, zum Beispiel für Bremen haben kann.

Die Expertenkommission und ihr Auftrag

Das Expertengremium hat den Auftrag, die arbeitszeitrelevanten Tätigkeiten von Lehrkräften und Schulleitungen zu ermitteln und nach objektiven Kriterien zu bewerten. Ziel ist es, darauf aufbauend ein transparentes Standardverfahren zu entwickeln, mit dem in regelmäßigen Abständen die arbeitszeitlichen Regelungen für Lehrkräfte und ihre Wirkungen überprüft werden können. Hierzu soll das Gremium Empfehlungen erarbeiten. Die Experten werten vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien zur Arbeitszeit von Lehrkräften und Schulleitungen aus, so lautet der offizielle Auftrag der Kultusministerin.

Sie verwies auf die erkenntnisreiche empirische Erfassung der Tätigkeiten von Lehrkräften in der Arbeitszeitstudie sowie der Arbeitsbelastungsstudie der Universität Göttingen. So werde dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (OVG) vom 9. Juni 2015 Rechnung getragen. Die Kommission soll ihre Empfehlungen im ersten Halbjahr 2018 vorlegen. 

Einstimmiger Beschluss des GEW-Landesvorstands

Die GEW Niedersachsen erwartet, dass die Arbeitszeitkommission die Stellschrauben der Arbeitszeitverordnungen so festlegt,

  • dass die 40-Stundenwoche auch für Lehrkräfte und Schulleiterinnen und Schulleiter als Obergrenze wirksam wird
  • dass es Anrechnungsstunden für besondere unterrichtliche Belastungen und deutliche Erhöhung der Anrechnungsstunden für besondere Belastungen gibt
  • dass es Ermäßigungsstunden für Teilzeit-Lehrkräfte zum Ausgleich der vollen Wahrnehmung der nichtteilbaren Aufgaben gibt
  • dass es eine schnelle Wiedereinführung der Altersermäßigung gibt
  • dass die Regelstundenzahl in allen Schulformen abgesenkt wird.

Der Landesvorstand lehnt die Einführung einer Fächerfaktorisierung und Zurechnungszeiten für Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts ab. Die GEW wird zur Durchsetzung ihrer Forderungen in den Kollegien mobilisieren, um in der Auseinandersetzung um die Arbeitszeit der Lehrkräfte und Schulleiter/innen handlungsfähig zu bleiben. Um alle Mittel auszuschöpfen, prüft die GEW zudem Klagen gegen die derzeitige Arbeitszeitverordnung.

Ist der niedersächsische Weg übertragbar?
Das OVG beschreitet einen grundsätzlich neuen Weg in der juristischen Behandlung der Arbeitszeit von Lehrkräften. Die Regierung darf die Unterrichtsverpflichtung nicht willkürlich festlegen, sondern muss die Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts auf empirischer Basis objektiv bewerten. Weil dieses Vorgehen nicht beachtet wurde, entschied das OVG, dass die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Gymnasiallehrkräfte rechtswidrig ist. Zugleich forderte das OVG, dass die Regierung auch bestehende Arbeitszeitverordnungen regelmäßig überprüfen muss.

Das OVG verweist ausdrücklich auf die Pilotstudie zur Arbeitszeit der Göttinger Wissenschaftler. Wenn der Umfang und die Struktur der außerunterrichtlichen Tätigkeiten von einer repräsentativen Gruppe von Lehrkräften über ein ganzes Schuljahr erfasst würde, könnte eine verwertbare Grundlage für die Festsetzung einer neuen Arbeitszeitverordnung vorliegen, auf die sich die Regierung stützen könne. Die 2016 vorgelegten Studien sind für drei Schulformen repräsentativ und belegen, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte über den rechtlichen Anforderungen liegt (alle Informationen zu den Studien auf der Homepage der GEW Niedersachsen).

Das OVG bezieht sich in seinem Urteil auf neuere an der europäischen Rechtsprechung orientierte Urteils des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Es gibt keinen Automatismus, aber an diesem Urteil werden andere Verwaltungsgerichte nicht vorbeikommen.

Die Göttinger Arbeitszeit- und Belastungsstudie sind für Niedersachsen repräsentativ. Ob sie auf Bremen übertragbar sind? Die Prüfung dieser Frage, kann die GEW Bremen bei den Göttinger Wissenschaftler um Dr. Frank Mußmann in Auftrag geben.