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Kernfragen der GEW Teil 6

Wir machen unsere GEW stark - Wir werden 200.000!

Organisationsentwicklung zwischen Mitgliederzahlen, Werbung und Bindung der Kolleg*innen sowie einem unbestreitbaren Generationenwechsel.

Die Kenner merken es sofort: Hier wird mit alten Zahlen gearbeitet. Dennoch zeigt der Projekttitel aus dem Jahre 1989, dass sich die GEW schon vor Jahrzehnten mit sich selber als Organisation auseinandersetzen wollte oder musste, impliziert der Titel doch, dass es an Stärke fehlt – ansonsten wäre er sinnlos. Gleichzeitig lenkt die eingebrachte Zahl die Gedanken auf die Quantitäten. Statistiken haben ihren Reiz, auch in der GEW. In dem Wissen, dass „Stärke“ auch etwas mit Arbeits- und Umgangsformen innerhalb der Gewerkschaft zu tun hat, mit strukturiertem und effektivem Handeln, Transparenz und aktiver Beteiligung vieler Kolleg*innen (vergl. Faulstich 1991), werfen wir dennoch einen kurzen Blick auf die Mitgliederentwicklung.

Die GEW in ausgewählten Zahlen

Im Vorlauf des oben erwähnten Projektes sank die Mitgliederzahl der GEW bundesweit zwischen 1981 und 1987 von 204.000 auf 188.000 Personen. Das formulierte Ziel, erneut 200.000 Mitglieder haben zu wollen, erledigte sich durch viele neue Mitglieder aus den Gewerkschaften der ehemaligen DDR zunächst quasi „von selber“. Die GEW war auf ca. 350.000 Menschen angewachsen. Was dann folgte, beschwor die Gefahr einer Erosion herauf. Waren die östlichen und die westlichen Landesverbände im Jahre 1993 in absoluten Zahlen noch nahezu gleich stark bei insgesamt 330.000 Mitgliedern, so beträgt die Mitgliederzahl im Osten heute zwischen 28 und 36% des damaligen Mitgliederbestandes. Westliche Landesverbände konsolidierten sich dagegen deutlich, so dass die GEW derzeit 280.000 Mitglieder aufweist.

Auch der Landesverband Bremen ist durch ein Wellental gegangen. Umfasste er 1981 als absolutem Höchststand 5.222 Mitglieder und war um die Jahrtausendwende auf  knapp 3.800 abgesackt, so sind wir aktuell wieder zu alter Stärke gelangt (5.213).

Der bundesgewerkschaftliche Rahmen ...

Nach der Formulierung des Selbstverständnisses, die Bildungsgewerkschaft im DGB sein zu wollen, war es schlüssig, 1999 als Ziel der Organisationsentwicklung (OE) die Etablierung der GEW  als eben diese Bildungsgewerkschaft anzustreben und „zukunftsfähige gewerkschaftliche Strukturen zu schaffen“ (GEW 2005a, S. 4). Damit wurde ein Gemeinschaftsprozess von Landesverbänden, dem Bundesvorstand, Fach- und Personengruppen sowie Beschäftigten der GEW angestoßen.

Sieht man sich die Schriftstücke aus dieser Zeit (vergl. GEW 2005b, 2009, 2013, 2014) noch einmal durch, so wird deutlich, dass es um nichts weniger als eine echte Zukunftsperspektive für die GEW ging. Die Schwerpunkte dieses Vorhabens veranschaulichten die Komplexität der Aufgabe:

Die Beschäftigten in allen Bereichen des Bildungswesens sollten gleichberechtigt vertreten, die Regionen gestärkt, ehrenamtliche Arbeit und aktive Mitgliederbeteiligung befördert und ein Identität stiftendes Leitbild geschaffen werden.

Ebenso stand der OE-Prozess nicht für sich allein. Er war eingebettet in verschiedene Konzeptüberlegungen, u.a. zur Bildungs- und Tarifpolitik bzw. zur Bildungsfinanzierung.

... und seine notwendige Stabilisierung

Dennoch, und das ist wenig überraschend, stand am Ende einer ersten Etappe der OE die Einschätzung, dass diese „noch nicht die gewünschten Veränderungsschübe gebracht“ (GEW 2005a, S. 12) habe. Vom Beharrungsvermögen traditionell gewachsener Strukturen war die Rede sowie dem Alltagsgeschäft, welches das so wichtige Nachdenken über die eigene Organisation immer wieder verdränge.

Unübersehbar allerdings zeichnete sich der große Generationswechsel ab mit dem befürchteten Verlust organisatorischer Stärke und ehrenamtlicher Funktionsträger*innen. Ebenso galt es, die selbst auferlegte Profilbildung innerhalb des DGB umzusetzen und die außerschulischen Organisationsbereiche tatsächlich intensiver einzubeziehen. Parallel verschlechterte sich für uns das gesellschaftliche Klima in seiner Gesamtheit. Ein neoliberales Staatsverständnis wurde in aller Härte durchgesetzt, gewerkschaftliche Rechte und soziale Standards ausgehöhlt.

Wollte sich die GEW diesen Herausforderungen mit Aussicht auf Erfolg stellen, musste sie sich tatsächlich entwickeln! Die Bundesgewerkschaftstage 2005 und 2009 beschlossen Maßnahmen zur Sicherung des Mitgliederbestandes sowie zur inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung der GEW im Umfang von jeweils 2 Millionen Euro aus dem Kampffonds und zusätzlich 0,5% des Beitragsaufkommens, letztere halb vom Bund, halb von den Landesverbänden aufzubringen.

Es wurde ernst! Mitgliederwerbung, -bindung und Generationenwechsel waren die entscheidenden Kategorien, Tarif- und Beamten-, Bildungs- und Professions- sowie Organisationspolitik die verabredeten Handlungsfelder.

Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Artikels das Voranschreiten in diesem Prozess detailreich nachzuzeichnen. Allerdings beeindrucken schon die Stringenz des Verfahrens über die Jahre, die akkurate Vorbereitung, die genauen Zeitpläne und die umfangreiche Dokumentation von (gelungenen) Beispielen. Anregungen in üppiger Vielfalt sind niedergeschrieben und auch weiterhin nutzbar. Die erfolgreiche Praxis ereignete sich mithin insbesondere in den Landesverbänden. Diese waren von Anfang an aufgefordert, gemäß ihrer konkreten Bedingungen und Ziele zu handeln. Ausdrücklich angeregt wurden kooperative Vorgehensweisen zwischen Landesverbänden bzw. diesen und dem HV.

Im Norden Nummer 1

lautete der bescheidene Titel des gemeinsamen Projektantrages der Landesverbände Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen in der zweiten Bundesphase ab 2009. Der Nachweis, dass Landesverbände erfolgreich zusammenarbeiten können, wurde überzeugend erbracht und durch den Nordverbund bei der gewerkschaftlichen Bildung bestärkt. Diese Kooperation sahen wir als wertvolles gemeinsames Anliegen und Bestandteil des Gelingens an. Sie begann bei der Ideenabstimmung hinsichtlich einer übergreifenden thematischen Klammer unter Beachtung landesspezifischer Anforderungen und endete im Erfahrungsaustausch, um zu einer aus mehreren Blickwinkeln geprüften Auswertung zu kommen.
Die fünf Schwerpunkte:

  1. von frühester Jugend“ (Studierende, Referendar*innen, junge Erzieher*innen);
  2. „ ... bis ins hohe Alter“ (Kolleg*innen mit großer politischer Erfahrung);
  3. Aktiv im Betrieb“ (Vertrauensleute und Betriebsgruppen);
  4. „ ... und in der GEW“ (Generationenwechsel bei den Funktionär*innen);
  5. - „ ... sichtbar, erreichbar und attraktiv“ (neue Medien)

zeigen die Ausrichtung unserer gemeinsamen Bemühungen, die Organisation quantitativ zu stabilisieren und gleichzeitig neue und junge Leute an die politische Arbeit heranzuführen.

Bremischer Vorlauf

Schon vor dem Beschluss des Bundesgewerkschaftstages 2005 zur Initiierung bundesweiter Mitgliederprojekte hatte die bremische GEW über zwei Jahre in einer regelmäßig arbeitenden Gruppe grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich der Mitgliedschaft unseres Landesverbandes angestellt. Ein dort diskutiertes Szenario entwarf einen Zustand der GEW Bremen „in zehn Jahren“ – falls sich nichts änderte. Danach würde die GEW dann eine gute gewerkschaftliche Senior*innenarbeit leisten, aber weder Kenntnisse über die Interessenlagen jüngerer Kolleg*innen haben noch über kompetenten politischen Nachwuchs verfügen (vergl. GEW Bremen 2006). Diese auf Veränderung angelegte Initiative nannte sich sinnvollerweise „Wir gestalten den Übergang“, wurde maßgeblich durch den damaligen Landesgeschäftsführer Michael Mork angestoßen und ermöglichte einen durchdachten Start in das Bundesprojekt.

Zunächst gewannen wir im „Projekt Übergang“ einige Klarheit über unseren eigenen Landesverband: Mitglieder- und Materialanalysen, die Bestimmung wichtiger Aktionsfelder und die Festlegung eines ersten Zieles, nämlich dauerhaft mehr als 4.000 Mitglieder vertreten zu wollen, waren wichtige Ergebnisse.

Die erste Bundesprojektphase bis 2009 zeigte dann die Notwendigkeit vertiefender Analyse, personeller externer Unterstützung und der Aktualisierung des Materials. In deren Bewertung überwogen die positiven Schlussfolgerungen deutlich: Neben dem Wissen über uns selber und der Durchführung zielgruppenspezifischer Aktivitäten wurde vor allem die gesteigerte Bewusstheit zu Fragen der Mitgliedschaft in der GEW Bremen hervorgehoben. Kritisches bleib nicht verborgen wie die Nichterfassung außerschulischer Tätigkeitsfelder oder die fehlende Verbindlichkeit bei mancher Verabredung von Schlussfolgerungen aus Datenmaterial und Analysen (vergl. GEW Bremen 2009).

Mehr als fünf Jahre später, nach der zweiten Bundesprojektphase, arbeiteten wir markante Auswirkungen unseres Mitgliederprojektes heraus, beispielsweise die Satzungsänderung zu den überarbeiteten Gremienstrukturen, gezielte Schulungen von Mitgliedern und Funktionsträger*innen, aktualisierte Informationsschriften und weitere spezifischere Untersuchungen zu Mitgliederstruktur und –entwicklung.

Fortgang ohne Bundesmittel

Nach zweimaliger Nutzung erheblicher Mittel aus dem Kampffonds blieben auf Bundesebene stabile Strukturen zur Sicherung von Informationsaustausch und gegenseitiger Beratung. Im Norden wirkte die Regionalliga weiter, allerdings mit modifizierten Themen und wechselndem Erfolg.

Entscheidungen zu den Gegenständen unserer neuen Projekte konnten wir auf der Grundlage unserer Daten allerdings relativ genau treffen und wussten die Bedingungen einzuschätzen. Drei Beispiele:

  • Mit dem telefonischen Rückholverfahren „Bleib´ dabei“, das wir aus Nordrhein-Westfalen übernahmen, sollte der steigenden Zahl von Austritten begegnet werden. Nach einigen Durchgängen mit den geschulten ehrenamtlichen Mitgliedern sind wir zu gemischten Verfahren (Brief, Ansprache, Telefonat) zurückgekehrt, u.a. erwies sich der vorgelegte Leitfaden als kompliziert.
  • Für den (Wieder-) Aufbau und die Stabilisierung der Betriebsgruppenarbeit sind in der Stadt Bremen zwei Kollegen mit geringfügiger Freistellung unterwegs und vollziehen direkte Basisarbeit („GEW vor Ort: Pausenfrühstück“). Vom Erstkontakt junger Kolleg*innen mit der GEW bis hin zur Freilegung ehemals vorhandener (betriebsinterner) Strukturen ist alles dabei.
  • Ebenfalls durch geringfügige Freistellungen widmete sich ein Kollege zeitlich begrenzt der „Pflege“ neuer Mitglieder aus dem SuE-Bereich. Mittlerweile arbeitet diese Fachgruppe in Bremerhaven selbständig und ist insbesondere in Tarifauseinandersetzungen präsent und kampfbereit.

Jahre später ...

Es war eine vermutlich überlebensnotwendige Idee, dass sich die GEW mit ihrer eigenen Organisation befasste. Wenngleich schon 2007 der damalige Bundesvorsitzende Ulrich Thöne die Sensibilisierung für dieses Thema bei den Funktionär*innen und die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Landesverbänden als einen großen Gewinn ansah, so bleibt sein Hinweis ebenso richtig, dass eine Verstetigung der Maßnahmen und die Entwicklung einer längerfristigen Perspektive wichtige Voraussetzungen für die Stabilität einer kompakten Bildungsgewerkschaft darstellen (vergl. GEW 2007).

Die GEW hat dabei auf Qualität gesetzt, nicht einfach „Organizing“- Kampagnen aufgelegt. So gilt es, den Fortschritt anhand der Kategorien Mitgliederwerbung, -bindung und Generationenwechsel immer wieder zu überprüfen. Im Landesverband Bremen

  • gelang nicht nur eine äußerst positive Mitgliederentwicklung (+ 37% seit dem Jahre 2000), sondern auch eine ausgeglichenere Altersverteilung zwischen Jung und Alt bei weiterer Dominanz des schulischen Bereichs; Veranstaltungen wie „Dschungel Referendariat“ oder Neueinsteiger*innenseminare entfalten Wirkung wie auch Besuche in Referendarsseminaren;
  • nehmen wir eine deutliche Fluktuation in der Mitgliedschaft wahr (Verweildauer in der GEW, Wechsel des Arbeitsplatzes und damit des Landesverbandes, Anstieg des Anteils der Ruheständler*innen). Initiativen wie Betriebsgruppenbesuche oder Stützung neuer Fachgruppen (SuE-Bereich), Strukturen wie Mitglieder- und Betriebsgruppensprecher*innenversammlungen oder Urwahlen für Delegierte und ökonomische Erfolge binden die Menschen an uns;
  • müssen wir den Generationenwechsel weiterhin als Auftrag sehen:  Das Konstrukt der „Jungen GEW“ greift zu kurz. Wenn junge Leute Zeit für Politik aufbringen, dann wollen sie (wie die alten) direkt Einfluss nehmen können. Unsere Gremien und Arbeitsweisen stehen vor erneuter Überprüfung. Ebenso hat die GEW auch einen internen gewerkschaftspolitischen Bildungsauftrag (siehe Folge 5 dieser Serie).

Unser OE-Prozess kann nicht abgeschlossen sein. Seit der ersten Initiative des „Projekts Übergang“ bewahrheitet sich allerdings, dass es eine Gruppe geben muss, die diesen Prozess zusammenhält, eine kontinuierliche Diskussion, eine verbindliche Umsetzung und eine Operationalisierung der Pläne sowie deren Überprüfung gewährleistet. Die Entscheidung liegt selbstverständlich beim Gewerkschaftstag, die Vorarbeit allerdings muss andernorts geschehen. Eine Einbindung in die Gesamtorganisation („Bildung. Weiter denken!“) wird dabei stützend wirken.

Quellen:

Faulstich (1991): Die GEW – eine Spitze ohne Eisberg, in: Zech (Hrsg.): Kultureller Wandel, verändertes Mitgliederverhalten, gewerkschaftliche Perspektiven, Hannover
GEW (2005a): Endbericht der Steuerungsgruppe zur Begleitung der Organisationsentwicklung 1999 – 2005, Frankfurt
GEW (2005b, 2009, 2013, 2014): Beschluss 5.9 des Bundesgewerkschaftstages in Erfurt; Beschlüsse 5.2 und 5.3 des Bundesgewerkschaftstages in Nürnberg; Beschluss 5.4 des Bundesgewerkschaftstages in Düsseldorf; Drucksache HV-011/14 des Hauptvorstandes der GEW, Frankfurt
GEW (2007): Projekt Mitgliederwerbung und –bindung, Empfehlungen für die Fortführung und Erfolgsbewertung der ersten Projektphase, Frankfurt
GEW Bremen (2006): HV-Antrag zur Mitgliedergewinnung und –bindung in der GEW, Bremen
GEW Bremen (2009): PÜ – Ein Projekt mit Zukunft, Ergebnispapier für die Projektgruppe „Wir gestalten den Übergang“, Bremen