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„Wie geht es weiter mit der Oberschule?“

Statements und Protokolle vom Oberschultag

Kai Reimers, Fachgruppe Oberschule:

„Mit der Einführung der Oberschule und zeitgleich der Inklusion hat Bremen eine überaus ambitionierte Schulreform begonnen. Aber wieder sind es die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, denen die Lasten dieses gewaltigen Schulentwicklungsprozesses auf die ohnehin schon voll belasteten Schultern geladen werden, ohne dass die dafür notwendigen personellen und materiellen Ressourcen bereitgestellt werden; ohne dass dieser Schulentwicklungsprozess seitens der Schulbehörde koordiniert wird (jede Schule erfindet mal wieder das Rad neu!) und ohne dass dieser Prozess wissenschaftlich begleitet und evaluiert wird. Stattdessen werden Fortbildungsstellen und -angebote des LIS gestrichen und die Planungsstunden für die Oberschulentwicklung radikal auf die Hälfte zusammengekürzt. Wertschätzung der Beschäftigten vor Ort und Fürsorge des Dienstherren oder öffentlichen Arbeitgebers sehen anders aus.“

 

Karlheinz Koke, GGG:

„Dieser Oberschultag ist von größerer Bedeutung, da er auf 5 Jahre Oberschulentwicklung zurückblickt, aber auch den Blick nach vorne richtet. Die ersten 8 Oberschulschulen werden im nächsten Jahr ihre Schüler mit Abschlüssen verabschieden. Wir biegen quasi gerade in die Zielgerade ein. Ob wir dann nächstes Jahr, in der 10. Klasse. ein gutes Ergebnis erzielen können oder nur ein mittelmäßiges, hängt auch von der Kraft und dem langen Atem ab, über die wir dann noch verfügen können.
Man weiß allerdings, dass die nötige Kondition nicht nur von den Akteuren selbst abhängt, sondern auch vom Equipment, vom Trainer, von der Trainingszeit etc.. Aber wenn alles stimmt, kann man im Endspurt dennoch eine gute Zeit erreichen. Wenn man sich aber im Stich gelassen fühlt und das letzte Quäntchen Energie aus sich rauspressen muss, um halbwegs zu bestehen, dann ist das keine effektive Vorbereitung und kein gutes Coaching.“

 

Aus dem Vortrag von Barbara Riekmann:

„Zur Schulstruktur Bremens aus Hamburger Sicht:

  1. Bremen hat mit der Steuerung der Schülerströme über Zugangsberechtigungen ein zweigliedriges Schulsystem geschaffen, das den Oberschulen mit einer Schülerschaft von 70% der Gesamtheit Entwicklungspotentiale eröffnet. Diese müssen in den Schulen pädagogisch gestaltet und von der Behörde klug gesteuert werden, um die Disparitäten zwischen den Schulen und Stadtteilen möglichst zu vermindern. Die Störungen durch Rückläufer aus den Gymnasien sollten so gering wie möglich gehalten werden. Die Alleinstellungsmerkmale (Klassenfrequenzen und neunjähriger Bildungsgang) sind konstitutiv. ...
  2. Inklusion:
    Ein Grundproblem ist, dass das Konzept inklusiver Bildung in Deutschland auf ein strukturell selektives Schulwesen trifft, das exkludiert und hierfür Normierungen festgelegt hat. Beides, die Reduktion der Bemühungen auf Schule und die Normierung und Einteilung der Schüler nach Schulformen widersprechen dem Grundgedanken der Inklusion. Damit befinden sich die pädagogischen Bemühungen der Oberschulen, Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen, Stadtteilschulen usw. in einer Ambivalenz zwischen den Ansprüchen inklusiver Schule und normierter Zweigliedrigkeit. Diese Ambivalenz ist momentan nicht auflösbar. Sie darf und sollte aber unser Handeln nicht blockieren. Pädagogik hat ja auch etwas mit dem Machbaren und Möglichen zu tun und unter diesem Gesichtspunkt sehe ich auch die Themen der Arbeitsgruppen auf diesem Oberschultag.“

 

AG „Diskussion der Thesen des Hauptvortrages“

Bezugnehmend auf den Hauptvortrag von Barbara Riekmann wurde zunächst die Zweigliedrigkeit des Bremer Schulsystems besprochen. Die Oberschulen sind hier die benachteiligte Säule: Dieses äußert sich zunächst darin, dass in den meisten Oberschulen nach dem Anwahlverfahren nur wenige leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler vorhanden sind. Dadurch ist es schwieriger und teilweise unmöglich, die angestrebten Lernziele in der gesamten Breite zu erreichen und das gesamte Leistungsspektrum abzudecken.
In der Konkurrenzsituation zu den Gymnasien haben die Oberschulen dadurch objektiv eine schlechtere Ausgangsposition. Hinzu kommen die weit verbreiteten positiveren Einstellungen vieler Eltern gegenüber dem Gymnasium.
Insofern äußerten viele Teilnehmer der AG 1, dass in die Steuerung der Schülerströme eingegriffen werden sollte, damit keine abgehängten „Oberschulen 2. Klasse“ entstehen.
Für die TeilnehmerInnen der AG war offensichtlich, dass die Oberschule eine inhomogene Schulart ist. Es gibt inhaltlich, bei der Schülerzusammensetzung, beim Anwahlverhalten („Gewinner- und Verlierer-Oberschulen“) und der Struktur (- mit und ohne Oberstufe -) große Unterschiede zwischen den verschiedenen Oberschulen.
Verschiedene Differenzierungsmodelle und Profilkonzeptionen:
Ein Austausch in der AG ergab, dass es keine Einheitlichkeit bei den Differenzierungsmodellen der Oberschulen gibt. Äußere und Binnendifferenzierung werden an den Oberschulen sehr unterschiedlich praktiziert. Auch innerhalb der einzelnen Schulen bestehen oft keine gleichartigen Verfahren in den verschiedenen Jahrgängen. Einzelne Klassen praktizieren gelegentlich eine eigene Variante aufgrund von Entscheidungen der Klassenleitungen.
Viele Teilnehmer wünschten sich, dass hier strukturell eine größere Einheitlichkeit angestrebt werden sollte. Die Konzeption und Durchführung vieler verschiedener Modelle sorgt nicht für klare Orientierungen bei Kolleginnen und Kollegen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern. Außerdem wurde im Workshop hinterfragt, ob die für die verschiedene Konzeptentwicklungen eingebrachte Arbeitsbelastung sinnvoll sei.
Die äußere Differenzierung mit Schulprofilen erfolgt an den verschiedenen Schulen strukturell andersartig: Es gibt Schulen, die schon vor ihrer Oberschulzeit vorwiegend im Gymnasium Profilklassen und oft dafür auch feste außerschulische Partner hatten. Dabei differiert das Modell der Profilklassen beim Einstiegsjahrgang (Kl. 5, 7, 8, 9), bei der Frage „Wahl durch Eltern bzw. Schüler oder der Setzung des Profils durch die Schule“ sowie der Möglichkeit von verschiedenen Profilbedingungen in den Parallelklassen und Jahrgängen. Auch die Profilgestaltungen ohne Profilklassen und mit begleitenden Kursen werden bezüglich Einstiegsjahrgang, Struktur und Stundenzahl sehr unterschiedlich gehandhabt.
Bei der Frage des Umgangs mit Profilen wurde die Schaffung von mehr Klarheit gefordert. Dafür müsste die Kooperation zwischen den Schulen verbessert werden.

 

AG „Leistungsbewertung im binnendifferenzierten Unterricht“

Die AG Leistungsbewertung im binnendifferenzierten Unterricht ist zuerst der Frage nachgegangen, was heißt Leistungsbewertung eigentlich für jeden einzelnen Teilnehmer und was bedeutet dies für den alltäglichen Umgang damit in Schule. Danach fand ein offener Austausch über die Erwartungen an die Arbeitsgruppe statt und es bildeten sich Kleingruppen. Die einen tauschten sich über ihre Erfahrungen von Bewertung mit Noten im binnendifferenzierten Unterricht aus, die anderen sprachen über Bewertung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und eine Gruppe über grundlegendes zu Lernentwicklungsbericht. Hier wurden das Konzept der Lernentwicklungsberichten der Oberschule am Leibnizplatz, bestehend aus Eingangsbrief und Fachlernentwicklungsberichten, vorgestellt. Anhand dieses Beispiels konnte ein konkretes Vorgehen bei der Erstellung erklärt werden. Hier wurde das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch einer individualisierten, wertschätzenden und ausführlichen Rückmeldung / Bewertung an den Schüler geben zu wollen und der Ressource Zeit deutlich.

 

AG „Schulabschlüsse in der Oberschule“

Die über 30 Bremer Oberschulen führen auf verschiedene Lernniveaus zu allen Bildungsabschlüssen - GYO / MSA / EBBR. Im Sommer 2015 werden die ersten inklusiv beschulten Jahrgänge die Sekundarstufe 1 abschließen. Bisher konnten die auslaufenden Förderzentren ein „Abschlusszeugnis des Förderzentrums“ vergeben und bei einem Notendurchschnitt ab 2,4 auch die „Einfache Berufsbildungsreife“ zuerkennen. Die bisherige Regelung nach § 11 der Zeugnisverordnung an der Oberschule würde demnach die Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf systematisch benachteiligen und ihren individuellen Bemühungen nicht gerecht werden. Nun werden die Prüfungsverordnungen für die Oberschulen (und rein theoretisch auch für die Gymnasien) so weiterentwickelt, dass sich drei weitere Bildungsverläufe (BV1, BV2 und BV3) bzw. Abschlussoptionen ergeben.Das setzt eine gute Beratung der Kinder und ihren Eltern durch die Teams voraus – fördern, fordern und strategisch richtiges Umstufen innerhalb der Lernniveaus (E und G-Kurse) bieten dann verschiedene Möglichkeiten einen guten Schulabschluss an der Oberschule zu erwerben.Nach dem Auftaktvortrag von Herrn Nelson, Abt. Bildung der SfBW zu den neuen Bildungsverläufen haben die Teilnehmer anhand von Fallbeispielen, die Peter Lüttmann (Geamtschule Bremen-Ost) einbrachte, die möglichen Schulabschlüsse (Prognosen) besprochen, diskutiert und im Detail auch variiert.

 

 

AG „Kooperation von SchulsozialpädagogInnen, SchulsozialarbeiterInnen und Lehrkräften“

Bis auf drei Lehrkräfte nahmen ausschließlich SchulsozialarbeiterInnen bzw. SchulsozialpädagogInnen an der AG teil. Am Vormittag stellte Heike Niemeyer (Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit Dortmund) die Situation in Dortmund als best-practice-Beispiel dar. Jens Singer (Gesamtschule Bremen-Ost) ergänzte die aktuelle Situation in Bremen und wies auf die Bereiche hin, bei denen Bremen von Dortmund noch lernen könne.
Nachmittags wurden gemeinsam Voraussetzungen erarbeitet, die für eine gelingende Kooperation von einem multiprofessionellen Team wichtig bzw. wünschenswert sind. Sie wurden in die folgenden Bereiche gegliedert:

  • Haltung
  • Alltagsvoraussetzungen
  • Leitungsvoraussetzungen
  • Aus- und Fortbildung
  • strukturelle Rahmenbedingungen
  • Arbeitsverträge


AG „Gesamtschule Nettetal – Anregungen zu einem Schulkonzept Inklusion“

Zunächst reflektierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Status quo der Inklusion an ihren jeweiligen Schule. Deutlich wurde einmal mehr, wie gravierend die Unterschiede in den einzelnen Schulen sind, angefangen bei der räumlichen Situation über die Personalausstattung, die Klassengrößen oder unterrichtliche Fragen bis hin zum Verständnis, was Inklusion in Bremer Oberschulen eigentlich bedeutet und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Vielfach wurde das große Bedürfnis der Anwesenden nach fachlichem und pädagogischem Austausch deutlich. Hierzu wurde auf das Fortbildungsangebot des LIS, vor allem aber auf eine Mitarbeit in den Fachgruppen der GEW (v.a. auf die Fachgruppe „Sonderpädagogik & Inklusive Schule“ sowie die Fachgruppe Oberschulen) hingewiesen.

 

AG „Erfahrungen und Probleme beim Aufbau der Oberstufen“

Vertreten waren KollegInnen von (seit 2009) neu aufgebauten Oberstufen, von ehemaligen Sek.-II-Zentren, die jetzt ebenfalls Oberschul-Oberstufe sind, sowie Eltern vom ZEB. Nach einer Vorstellungsrunde wurden zunächst per Kartenabfrage positive Ressourcen, „Baustellen“/Nachteile und Ideen/Visionen gesammelt. In der anschließenden Diskussion über die Konsequenzen wurden folgende Anliegen und Forderungen erarbeitet:
Position zu der überregional laufenden Diskussion über die Wiedereinführung von Gy 9: Im Bremer Schulgesetz ist die besondere Schulart des Gymnasiums mit der Konzentration von leistungsstarken SchülerInnen („über Regelstandard“) zwecks Verkürzung der Schulzeit auf Gy 8 begründet. Insofern widerspricht die Wiedereinführung von Gy 9 dem Schulgesetz. Sollte durch politische Initiativen nach dem Ende des „Bremer Schulfriedens“ eine Revision erfolgen, so wären an die Gymnasien dieselben Forderungen zu stellen wie an die Oberschulen: Sie müssen inklusive Schulen werden (einschließlich LSV) und alle Abschlüsse vergeben.
Position zur Einführungsphase: Die E-Phase der GyO war ein Ergebnis der Zweigleisigkeit des Zugangs von Gy-SchülerInnen aus dem 9. und Gesamt- bzw. RealschülerInnen aus dem 10. Jahrgang, damals zu einem Zeitpunkt, als ein Großteil der Zugänge aus den Gy-Klassen der Schulzentren kam. Mit dem neuen Schulgesetz ist die Begründung für diese Konstruktion zum Teil hinfällig. Ihre Nachteile sind erheblich. Für viele SchülerInnen bedeuten sie einen Lerngruppenwechsel nach einem Jahr. Die Lehrpläne sind so konstruiert, dass die methodischen Grundlegungen für den wissenschaftspropädeutischen Unterricht in der Qualifikationsphase oft erst im 12. Jahrgang vorgesehen sind. Hier ist eine Revision angesagt, die einen durchgängigen dreijährigen Bildungsgang schafft.
Ressourcen und Standorte: Durch den Doppeljahrgang waren die Oberstufen 2009-2012 extrem belastet. Die neuen Oberstufen erhielten keine Anschubfinanzierung. 2012 wurden die Personalkapazitäten gekürzt. Der jetzt durchlaufende „Null-Jahrgang“ muss als Chance genutzt werden, durch Frequenzsenkung diese Kürzungen auszugleichen. Frequenzsenkungen sind auch notwendig, damit kein Standort Profile verliert oder ganz geschlossen werden muss. Ohnehin können die kleinen neuen Oberstufen nur wenige Profile anbieten. Ein vielfältiges Fächerangebot ist nur durch Kooperation in regionalen Verbünden abzusichern. Die Benachteiligung der Oberschulen ohne Oberstufe kann nicht durch die Gründung neuer kleiner Oberstufen beseitigt werden. Die stadtweiten Jahrgangsbreiten der GyO lassen dies nicht zu. Die Alternative sind Verbünde mit der Zuordnung mehrerer Oberschulen zu den Oberstufen in der Region. Hierzu bedarf es einer Initiative der Bildungsbehörde, evtl. auch einer Novellierung des Schulgesetzes.

 

AG „Schulraumgestaltung für neue Schulkonzepte“

Neues Lernen braucht neue Räume. Diese inzwischen nicht mehr ganz neue These bestätigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ihrer Erfahrung ausdrücklich.
Die Realität in den Schulen entspricht dieser Erkenntnis jedoch in vielen Fällen nicht, wie eine spontane Darstellung von Stärken und Schwächen der Schulräume ergab. Räume, die neue Lernkonzepte unterstützen, werden vermisst. Nur selten sind Differenzierungs- und Werkstatträume vorhanden. Dem Paradigmenwechsel in der Pädagogik muss also ein Umdenken in der Raumentwicklung folgen.
Dass es nicht nur in skandinavischen Ländern gelingt, Schulbauten zu gestalten, die pädagogische Anforderungen und Architektur zu einer Einheit werden lassen, zeigte die Schulraumberaterin Anne Havliza anschließend an historischen und zeitgenössischen Architekturbeispielen auf. Wie Räume, die das individuelle Lernen, die Teamarbeit unterstützen und Aufenthaltsqualität für Schülerinnen und Schüler und für das pädagogische Personal bieten, aussehen, ist bekannt und können als Anregung genutzt werden. Die erforderlichen Um- bzw. Neubauten erfordern von Anfang an eine Orientierung auf die Interessen und Bedürfnisse der Nutzer, folgerte der Schulraumberater Frank Behrens. Dabei ist wichtig, das pädagogische Programm der jeweiligen Schule zum Ausgangspunkt für Planung und Baumaßnahmen zu machen. Dies setzt einen intensiven Dialog zwischen den Beteiligten voraus, der in einer „Phase Null“, den üblichen Leistungsphasen bei Baumaßnahmen vorgeschaltet wird. Die Schulbauberater empfahlen, dass Vertreter der Schule, der senatorischen Behörde und von Immobilien Bremen in einem vorgeschalteten gemeinsamen Entwicklungsprozess das Raumprogramm der Schule definieren.