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Personalrat Schulen

Wenn das Zahnfleisch immer weiter zurückgeht

Meine Ziele als neuer Vorsitzender des Personalrats Schulen Bremen

Ich trete meine Aufgabe als Vorsitzender des Personalrats Schulen in Bremen in einer Zeit an, in der sich die Schulen in einem Ausnahmezustand befinden. Vieles Bewährte wurde durch die Pandemie über den Haufen geworfen. Die Schule hat ihre Verlässlichkeit verloren hat, sowohl für Beschäftigte als auch für Lernende. Aber galt das nicht für meine letzten Vorgänger:innen im Amt irgendwie genauso? Als die Pandemie kam, waren die Arbeitsbedingungen im Bildungssystem schon seit vielen Jahren extrem schwierig, die Beschäftigten bis über die Belastungsgrenze in einem ständigen Notfallmodus unterwegs, was sich an der hohen Zahl von Beschäftigten in Teilzeit ablesen ließ und lässt. Corona hat all dem noch etliche weitere Belastungen hinzugefügt – als wenn die Kolleg:innen nicht schon vorher auf dem Zahnfleisch gegangen wären. Um im Bild zu bleiben: Das Zahnfleisch ist mittlerweile bei vielen auch weg.

Nicht gesetzeskonform

Längst ist der Notstand bei den Schüler:innen angekommen, denn das, was nötig wäre, um sie in Coronazeiten aufzufangen, können die Pädagog:innen vielfach gar nicht leisten. Trotzdem wird weiter so getan, als ob das normale Lernpensum mit ein bisschen mehr Einsatz („Schippe drauf“) und ein bisschen Digitalisierung aufrechterhalten werden könnte.

Das letzte Jahr hat auch für den Personalrat ganz neue Herausforderungen mit sich gebracht. Ständig mussten wir uns mit neuen Ideen zu Hygieneregeln, Arbeitsmethoden, Dienstpflichten etc. befassen, wobei die gesetzlich vorgeschriebene frühzeitige Beteiligung mit umfassender Information lange Zeit gar nicht erfolgte – im Gegenteil: aus der Corona-Lagebesprechung wurden wir ausgeschlossen (inzwischen dürfen wir wieder dabei sein), Informationen zu geplanten Regelungen bekamen wir meistens erst in dem Moment, wo sie bereits an die Schulen kommuniziert wurden, oder gar aus der Presse. Selbst da, wo wir Probleme vorhersahen und frühzeitig auf eine Regelung (und Beteiligung daran!) drängten, wurden wir nicht gesetzeskonform beteiligt, z. B. bei Vorgaben zum Distanzunterricht oder der Organisation des Abiturs.

Auch neue Senatorin in der Pflicht

So waren wir lange Zeit gezwungen, auf Handlungen der Behörde kurzfristig zu reagieren, um Schaden zu begrenzen und die Beschäftigtenrechte zu wahren, ein gefühltes ständiges Hinterherhecheln. Nun könnte man denken, mehr sei in einer Pandemie eben nicht möglich, langfristige Vorhaben müssen warten. Wer aber ständig im Krisen-Arbeitsmodus operiert, bekommt bald die Rechnung serviert, denn wie gesagt: die Probleme waren bereits vor Corona da und sie sind nicht geringer geworden. Umso wichtiger, auch die zukünftige Senator:in nicht aus der Pflicht zu lassen, dass perspektivisch gedacht und mit Weitblick gehandelt werden muss. Wer immer wieder betont, wie wichtig der Schulbetrieb ist, darf dann bei der Finanzierung nicht einknicken, Pandemie hin oder her!

Was muss in den nächsten Jahren angepackt werden? Ich nenne einmal drei Aspekte:

Multiprofessionelle Teams - ja bitte

Die Idee, in Teams aus verschiedenen Fachkräften am Bildungserfolg der Schüler:innen zu arbeiten, ist ja grundrichtig. Aber sie nur zu postulieren, ohne die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sie auch mit Leben gefüllt werden können, reicht nicht. Wie wenig systemisch in der Behörde dabei gedacht wurde, zeigt sich z. B. an den iPads: hier wurden die pädagogischen Fachkräfte einfach vergessen. Warum? Sie seien „nur für Unterricht“ gedacht. Dass gerade in einer Pandemie ständig Besprechungen per Videokonferenz, dass gemeinsame Arbeitsbereiche auf itslearning angelegt, dass Absprachen per E-Mail getroffen werden, wurde nicht bedacht. Wir brauchen eine echte Priorisierung des Teamgedankens, der die Bedürfnisse der Schüler:innen in den Vordergrund rückt, und das benötigt vor allem Zeit für Absprachen, gemeinsame Vor- und Nachbereitung, Gespräche etc. Wer sehen möchte, wie Teams effektiv am Woche für Woche am Bildungserfolg ihrer Schützlinge arbeiten, muss nur in die nördlichen Nachbarländer schauen. Das wäre auch der Schlüssel, um aus der Inklusion endlich eine Erfolgsstory zu machen.

Digitalisierung, aber richtig!

Bremen feiert sich als Digitalisierungsmeister, und nicht zu Unrecht, denn mit der einheitlichen Lernplattform und den Tablets für Beschäftigte und Schüler:innen wurde ein Riesenschritt getan. Allerdings darf man hier nicht stehen bleiben! Welche Kompetenzen zu erlangen sind, wird in der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ beschrieben – eine Umsetzung in einen Bremer Bildungsplan Digitalisierung ist überfällig und darf nicht auch noch den Lehrkräften aufgebürdet werden! A propos Bürde: Die Versprechungen der Digitalisierung – Entlastung und effizientes Arbeiten – haben sich zumindest bislang nicht erfüllen können. Im Gegenteil: Wir alle mussten, getrieben von der Pandemie, innerhalb kürzester Zeit einen ganzen Werkzeugkasten von neuen Methoden erlernen. Was wir brauchen, sind aber echte digitale Unterstützungen z. B. in Form von Unterrichtsmaterialien, die einfach in itslearning einzubinden sind, ohne dass man stundenlang die vorhandenen Angebote auf ausreichende Eignung für den Unterricht prüfen muss (Stichwort sofatutor).

Zeit für die vielen Aufgaben

Bremen hat mittlerweile ein Abo auf den letzten Platz in der Pisa-Tabelle. Dabei liegt es mit Sicherheit nicht am mangelnden Engagement oder Können der Pädagog:innen. Es fehlt uns einfach an der nötigen Zeit, um uns um unser Kerngeschäft zu kümmern: Bildung zu vermitteln. Denn Bildung kann nicht in Form einer Massenproduktion organisiert werden, in der Ausschussware einfach aussortiert wird. Unsere Schüler:innen sind Individuen, die ein Recht auf angemessene Beschulung und Erziehung haben. Und wir, die Bildungsexpert:innen haben ein Recht darauf, unseren Beruf so ausüben zu können, wie wir es gelernt haben, als eine erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit, in der die Beziehung zu unseren Schüler:innen im Mittelpunkt steht und die uns nicht täglich mit dem Gefühl zurücklässt, nicht genug erreicht zu haben. Mehr Zeit heißt aber: weniger Unterrichtsverpflichtung, und das geht nicht ohne mehr Personal. Deswegen ist die systematische Verringerung des Fachkräftemangels das zentrale Thema, um fast alle genannten Probleme zu lösen. Hier gilt es, langfristige Weichenstellungen vorzunehmen, auch und gerade in Zeiten knapper Kassen! Daran möchte ich gerne mitarbeiten.