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Traumjob Wissenschaft!?

„Haben Sie daran gedacht zu promovieren?“ - Studierende hören diese von Professor_innen gestellte Frage gerne, weil sie sich in ihren Studienleistungen gesehen und anerkannt fühlen. Viele werden direkt nach einer überzeugenden Abschlussprüfung gefragt und oft enthält diese Frage das ermutigende Angebot bei dem_der Fragesteller_in zu promovieren. Bei dieser Form der ‚Direktakquise‘ durch die Professur überschlagen sich schon mal die Glücksgefühle der Studierenden.

Wem wissenschaftliches Arbeiten liegt und wer nach einer spannenden Abschlussarbeit ein Thema oder Forschungsfragen vertiefend bearbeiten will, braucht einfach nur zu bleiben. Der Übergang vom Studium in die Promotionsphase erscheint kinderleicht. Aber Obacht. Wer vor lauter Aufregung vergisst nachdrücklich zu fragen, ob und wie die Finanzierung gesichert ist, verstrickt sich schnell in einer Loyalität der Dankbarkeit persönlich ausgewählt worden zu sein.

Strukturelle Individualisierung

In den wenigsten Fällen ist ein Promotionsangebot mit einem konkreten Stellenangebot verbunden. Weitaus häufiger wird eine Stelle in einem drittmittelfinanzierten Forschungsprojekt in Aussicht gestellt. Falls das Projekt noch in der Antragsphase ist, wird signalisiert, dass jede Hilfe willkommen ist. Dies führt fast unbemerkt zur ersten unbezahlten wissenschaftlichen Arbeit für die Professur. Die Promotionsinteressierten fühlen sich noch wie Studierende, die ihren thematischen Interessen folgen. Weil damit außerdem das Versprechen auf eine Stelle verbunden ist, sehen die Promotionsinteressierten es als ‚Investition in ihre eigene Zukunft‘ an und übersehen dabei, dass nicht entlohnte Arbeit zur Selbstverständlichkeit wird. Die Erwartung ist groß, dass auch spätere Lücken in der Finanzierung ebenso lautlos überbrückt werden.
Das passt zur der an den Hochschulen weit verbreiteten strukturellen Individualisierung der Arbeit an dem eigenen Forschungsprojekt und dessen Finanzierung. Auch wenn es mit einer Stelle als wissenschaftliche_r Mitarbeiter_in klappen sollte, das Exposé und später die Dissertation lassen sich selten in der Arbeitszeit oder in der finanzierten Gesamtlaufzeit schreiben. Dafür sind für anspruchsvolle Promotionsprojekte entweder die promotionsfernen Arbeitsanteile zu umfangreich und die Vertragslaufzeiten zu kurz oder die Betreuung zu schlecht und die Abhängigkeit zu groß, weil die Betreuung gleichzeitig der_die Chef_in ist. Manchmal kommt es dicke und alles zusammen.
Wer sich auf Stellenausschreibungen oder auf Ausschreibungen der zahlreichen Promotionsstipendien in thematisch geschlossenen Graduiertenkollegs bewirbt, wählt einen unabhängigeren Einstieg. Die Rahmenbedingungen müssen weniger individuell mit einer Professur ausgehandelt werden, weil sie mehr oder weniger Bestandteil der Ausschreibung sind. Aber auch hier ist das strukturelle Problem, dass Promotionsprojekten in Vorbereitung und Durchführung zu wenig finanzierte Zeit zur Verfügung steht, von den Promovierenden individuell zu lösen. Das Exposé soll der Bewerbung bereits beiliegen, die Stelle ist häufig eine halbe Stelle und die Vertrags- bzw. Stipendienlaufzeiten liegen unterhalb der erwartbaren Zeit für die Fertigstellung der Dissertation.

Nicht immer drin was draufsteht

Selten passen Promovierende ihre Forschungsprojekte den gegebenen Bedingungen an und werden bescheidener in Umfang und Tiefe. Wer ernsthaft eine akademische Laufbahn erwägt und sich bereits beim Übergang vom Bachelor zum Master durchsetzen musste, ahnt zumindest die harte Konkurrenz im weiteren Wettbewerb und beim nächsten Übergang. Außerhalb des Berufsfeldes Wissenschaft mag es kurios erscheinen, wenn Promotionsinteressierte die erstbeste Möglichkeit zur Promotion ergreifen, kaum Vergleiche anstellen und sich wenig Gedanken über ihren zukünftigen Arbeitgeber machen. Vielleicht fühlen sich Promotionsinteressierte ‚berufen‘ oder vertrauen blind ihrem ‚guten Gefühl‘ gegenüber der Institution Hochschule und dem hohen Status des Berufsfelds Wissenschaft. Schlechtenfalls sind sie nach zwei Studienabschlüssen daran gewöhnt, keine Fragen zu stellen. Wahrscheinlich sind sie vor allem ungeübt darin, ihre Interessen gegenüber einem Arbeitgeber zu vertreten.
Zudem ist es zuweilen unvorstellbar, dass ein Arbeitgeber eklatant schlechte Rahmen- und Arbeitsbedingungen bietet und gleichzeitig Höchstleistung verlangt. Sehr gut ist nicht mehr gut genug, seitdem die Hochschulen um befristet ausgeschriebene Fördergelder der milliardenschweren Exzellenzinitiative konkurrieren. Zunehmend wird in Stellenausschreibungen von drittmittelorientierten Instituten und Lehrstühlen auch von Promotionsinteressierten Erfahrungen in Wissenschaftsmanagement und in der Drittmittelakquise erwartet. Hauptaufgaben sind eindeutig die Mitwirkung an Projektbeantragungen, Einwerben von Drittmitteln, Projektpublikationen, Organisation von Konferenzen, Administration, Evaluierung und Qualitätssicherung. Der in diesen Ausschreibungen gerne verwendete Satz „Gelegenheit zur eigenständigen Forschung ist gegeben“ verschleiert, dass Dauerstellen in der Wissenschaft mit befristet- und teilzeitbeschäftigten jungen Wissenschaftler_innen besetzt werden, die mitnichten dazu kommen ihr eigenes Qualifikationsprojekt umzusetzen. Auch Frauenförderung und Diversity werden zu Projekten erklärt und mit befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen besetzt. An der Uni Bremen führte dies Anfang des Jahres aufgrund der Nichtverlängerbarkeit von Verträgen zu Protesten.
Hoch motivierte Promovierende ‚brennen‘ für die Wissenschaft und arbeiten schon deshalb entgrenzt, um den an sie gestellten hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Sie schauen nicht auf die Uhr - auch nicht am Wochenende oder im Urlaub. Überstunden sind in umfangreicher Anzahl, jedoch nicht in der Bezahlung einkalkuliert. Es ist paradox: Doktorand_innen sind sehr gut ausgebildete schlecht bezahlte Wissensarbeiter_innen. Aufgrund der chronischen Unterfinanzierung in der Grundversorgung fressen die Hochschulen ihre Kinder, um im Bild des wissenschaftlichen Nachwuchs zu bleiben.
Die Universität Bremen hat bereits einiges zur Verlässlichkeit der Finanzierung von Promotionsprojekten sowie Programme zur Personalentwicklung für wissenschaftlichen Mitarbeiter_Innen und Junge Promovierende umgesetzt. So werden einige Studierende mit dem Brückenstipendium zur Promotion darin unterstützt, für ihr Promotionsprojekt eine externe Finanzierung zum Beispiel bei einem Begabtenförderwerke oder über die Mitarbeit an einem Drittmittelantrag der_des zukünftigen Betreuer_in einzuwerben.

Abstand zu promotionsfernen Tätigkeiten

Einen größeren Abstand zu promotionsfernen Anforderungen, die Stellen an Lehrstühlen, in Projekten , aber auch Stipendien in Graduiertenkollegs ab und an mit sich bringen, versprechen Stipendien der Begabtenförderwerke. Doktorand_innen verfügen mittels dieser von Hochschulen und Professuren unabhängigen Form der Finanzierung selber über ihre Arbeitszeit. Auf die größere Entfernung zur Institution Hochschule und dem Zugang zur Scientific Community reagieren die Begabtenförderwerke mit zum Teil umfangreichen Begleitprogrammen. Die Stipendien laufen zwei bis drei Jahre, für Eltern bis zu vier Jahre. Wer sich jedoch einen beruflichen Verbleib in der Hochschule wünscht, ist auf in der Regel schlecht bezahlte und mit hohem zeitlichem Aufwand verbundene Lehraufträge angewiesen. Insbesondere Fächer mit schlechter Ausstattung, wie es vor allem in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften vorkommt, sind auf Stipendiat_innen angewiesen. Wahrscheinlich könnten diese Fächer ihren Bedarf an Lehre und internationaler Forschung ohne diese Promovierenden gar nicht abdecken.

Wege zum Traumjob Wissenschaft

Die GEW fordert mit dem Templiner Manifests (http://www.templiner-manifest.de) bundesweit u.a. eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen, dauerhafte berufliche Perspektiven unterhalb der Professur und die verbindliche Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente des WissZeitVG. Mittlerweile sind nicht nur tausende Wissenschaftler_innen durch die GEW-Kampagne sensibilisiert, sondern einige Vorschläge aus der Kampagne haben auch den Weg in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition gefunden, in dem eine Novellierung des WissZeitVG angekündigt ist. Das GEW-Aktionsprogramm zur Umsetzung des Templiner Manifests („Wege zum Traumjob Wissenschaft“) zeigt auf den unterschiedlichen wissenschaftspolitischen Ebenen auf, was im Einzelnen zu tun ist. In Bremen steht eine Novellierung des BremHG an. Auch wenn sich nach wie vor alle Kräfte zur Abwehr der angekündigten Kürzungen der Grundfinanzierung an den bremischen Hochschulen bündeln, arbeitet eine AG der GEW Bremen gerade an Kriterien zur Etablierung neuer Hochschulprofessionen.

Empfehlenswerte Literatur:

  • Bloch, Roland/Würmann, Carsten (2014): Königswege, Sackgassen, Überholspuren. Übergänge in der Wissenschaft. In: Banscherus, U./Bülow-Schramm, M./Himpele, K./Staack, S./Winter, S.: Übergänge im Spannungsfeld von Expansion und Exklusion. Eine Analyse der Schnittstellen im deutschen Hochschulsystem. Bielefeld, 137-154
  • Günauer, Franziska/Krüger, Anne K./Moes, Johannes/Steidten, Torsten/Koepernik, Claudia (Hg.) (2012): GEW-Handbuch Promovieren mit Perspektive. Bielefeld, 2. überarbeitete Auflage

Die Autorin

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Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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