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TiSA - Freihandel mit Dienstleistungen | Bildung ist keine Ware!

Das diskreteste Projekt der Freihandelsdiplomatie ist das "Trade in Services Agreement" (TiSA). Die Verhandlungspartner sind "Die wirklich guten Freunde von Dienstleistungen". Angestrebt wird ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 50 Staaten einschließlich USA und Europäischer Union.

Sie exportieren weltweit zwei Drittel aller Dienstleistungen zu denen Branchen wie Verkehr, Finanzen, Gesundheit und Bildung zählen. Großen Unternehmen werden dabei einklagbare Rechte eingeräumt, die Bevölkerung wird mit den üblichen haltlosen Versprechungen hingehalten.

Bildung wird "liberalisiert". Schulen werden dann vielleicht nach dem Galeria-Konzept betrieben: eine größere Zahl von Firmen arbeitet unter einem Dach. Bertelsmann, Coca-Cola und McDonald rücken in die Schulen als Ausbildungsträger vor und wer mehr als eine Basis-Bildung oder Ausbildung sucht, muss für sein evtl. kreditfinanziertes Humankapital ordentlich etwas drauflegen.

Gesetze stören - sie sind Handelshemmnisse

Freihandel bedeutet Öffnung der Märkte auch für öffentlich angebotene  Dienstleistungen. Freihandel verschärft den Standortwettbewerb und bedeutet damit Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Auch die öffentliche Hand muss ihre Ausgaben stärker auf den Wettbewerb ausrichten. So sollen die "Handelshemmnisse" abgeräumt werden, die sich aus Gesetzen, Verordnungen, Urteilen usw. ("Regulationen") ergeben. Geschäft und Kapitalverkehr sollen nicht durch Grenzen oder nationale Besonderheiten, wie Vorsorge- und Subsidiarprinzip, Arbeitsmarktregeln, sozialen Existenzsicherung, Entwicklungsbedürfnisse oder globale Anforderungen (Klima, Artenvielfalt ...) behindert werden. Parlamentarische Gesetzgebung, die diese TiSA-Freiräume einschränken will, darf das nur, wenn "notwendig" und es "keine einfacheren Möglichkeiten" gibt, um dasselbe Ziel zu erreichen – vage Begriffe, ein wirksamer Hebel für Investitionsklagen.

Ordnungspolitische Beschränkungen auf den Finanzmärkten sollen verhindert werden. Passend zu den Klimaverhandlungen wurde die "Technologieneutralität" bekannt, d.h. die Rechte von Investoren über die Art der genutzten Energiequellen (Kohle, Öl, Gas, Wind, Sonne) selber zu entscheiden, im Zweifel mit Hilfe von Schieds- oder Handelsgerichten. Zu freiem Wettbewerb gehört auch freier Datenfluss. Daten von Kommunikationsanbietern, digitalem Handel und Transport sollen ungehindert zwischen Ländern ausgetauscht werden, Informationen und auch persönliche Daten können übertragen werden; Zugriff, Verarbeitung und Speicherung inbegriffen. Bei Gesundheitsdiensten sind regulatorische und strukturelle Zugangsbarrieren von Staat oder Wohlfahrtsorganisationen abzubauen. Das englische öffentliche Gesundheitswesen ist dann Vergangenheit. Von Deregulierungen ausgenommen sind nach WTO öffentliche Dienste. Darunter zählen aber nur unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse erbrachte Dienstleistungen, „ die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht" werden. Wettbewerber gibt es fast immer, wie private Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse. Vereinbarte Ausnahmen sind jedoch nur vorläufig, nach dem Abkommen ist vor dem nächsten Abkommen. 

Abbau von Standards im TiSA

Der gewinngesteuerte Markt kann bezahlbare und universell verfügbare Dienste nach Bedarf nicht liefern, sie werden deshalb als öffentliche Dienste eingerichtet. Nach Privatisierungen, auch gescheiterten, kann nicht wieder rekommunalisiert werden - in Bremen z.B. die Müllabfuhr (Ratched-Klausel). Innerstaatliche Vorschriften zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz haben keinen Bestand und Regulierungsmöglichkeiten des Staates, wie z.B. Lizenzierungen von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgung sowie die Akkreditierung von Schulen und Universitäten, werden eingeschränkt. Neue Dienste der Daseinsvorsorge dürfen nur noch privat organisiert werden (Negativliste). Soziale, gesundheitliche oder ökologische Standards und Vorschriften würden „eingefroren“: sie dürften nach Abschluss von TiSA nicht mehr verschärft werden (Stillstandsklausel).

Höhere arbeitsrechtliche Standards sind nicht mehr zu halten, wenn mit der Öffnung des Arbeitsmarktes  ausländische Dienstleister Leiharbeiter für beliebige temporäre Einsätze entsenden. Die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation sind in solchen Abkommen nur Deklaration, es gibt in TiSA (und CETA) keine Bestimmungen zur ihrer Durchsetzung.

Die Verhandlungen sind noch 5 Jahre nach Vertragsratifizierung oder Abbruch der Verhandlungen geheim. Das vereinfacht auch die parlamentarische Behandlung der Abkommen, weil viele der Interessen und strategischen Entscheidungen im fertigen Vertragstext erst auffallen, wenn es zu spät ist. Parlamente werden durch völkerrechtliche Verträge eingeschränkt, sie verlieren an Bedeutung. Macht nichts, sagen elitäre liberale Kreise, freie Wahlen gibt es in jedem Kaufhaus. Attac und viele zivilgesellschaftliche Organisationen beharren darauf: Die Welt ist keine Ware!