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Tagtäglich: Schule ist mehr als Unterricht

Eine nicht ganz fiktive Schulwoche aus Sicht einer Pädagogischen Mitarbeiterin

Montagmorgen, 7.45Uhr: die Schule erwacht so langsam aus ihrem Wochenendschlaf, beständig spült der „Schulexpress“ kleine Gruppen von GrundschülerInnen in die Gebäude; Lehrkräfte eilen mit Kopien und anderen Unterrichtsmaterialien durch die Gänge; Frederico aus der 2a weiß mal wieder nicht, wo seine Klasse steckt und die erste Tränen kullern über das Gesicht des Siebenjährigen, wie gut, dass die Betreuungskraft den Stundenplan der Klasse im Kopf hat und ihn in den Musikraum schicken kann. Jetzt aber noch schnell ins LehrerInnenzimmer, die schwere Tasche mit den Klassenlisten und Projektentwürfen abgestellt, einen Kaffee im Stehen und dabei einen Blick auf den Vertretungsplan: Glück gehabt, keine Kollegin aus der Betreuung und keine Lehrkraft krank, also geht es wirklich mit der 2b los, so wie gedacht. Nur einmal die Treppe hinauf und nicht quer über den immer noch eisbedeckten Schulhof zu den Unterrichtscontainern in denen im Moment wegen der Raumnot zwei Klassen untergebracht sind.
8 Uhr, Beginn der bezahlten Arbeitszeit: Im Klassenraum das übliche Gewusel vor Schulbeginn, Montagmorgens besonders intensiv, wenigstens bei den Kindern, die schon halbwegs ausgeschlafen haben. Erst einmal im Stuhlkreis vom Wochenende berichten lassen, damit Ruhe einkehrt und alle 27 SchülerInnen auf dem letzten Stand sind, wer hat Geburtstag gehabt und wie hat Werder gespielt. Dann kann so langsam gemeinsam überlegt werden, was in den noch nicht verplanten Zeiten der Betreuung in der nächsten Woche geschehen soll. Eigentlich sollte jetzt ja noch …, aber schon klingelt es und weiter geht es in die 1a. Nun doch der Weg über den Schulhof, einmal frische Luft und Bremer Nieselregen. Unterrichtsbegleitung Sachkunde Lebensraum der Stabsheuschrecke. Als die Lehrerin die mitgebrachten, lebenden Exponate den SchülerInnen vorsichtig auf die Hand setzt, kämpft Carl mit seiner eher unterdurchschnittlichen Feinmotorik, aber sowohl Kind als auch Heuschrecke überleben ihre erste Begegnung. Leider können Carl und ein paar andere dann nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, eine Heuschrecke auf der Haut zu spüren, gemeinsam wird nach den richtigen Worten gesucht und alle Tiere kommen wieder ins Terrarium.

Erste große Pause, noch schnell mit der Lehrkraft der 3a absprechen, welche Kinder in die neue Projektgruppe der Werk-AG mit den Bewohnern aus dem Seniorenheim kommen werden. Die drei jung geblieben Herren von 77,86 und 87 warten schon vor dem Werkraum. Sie sind genauso freudig aufgeregt wie die sechs neuen Kinder der AG. Die sechs SchülerInnen, die heute das letzte Mal dabei sind um ihre letzten Arbeiten fertig stellen, sind hingegen richtig traurig ihre „Werkopas“ erst einmal nicht mehr zu sehen, aber Begeisterung steckt an und die 90 Minuten sind viel zu schnell vorbei. Der Bus zum Hallenbad wartet für niemand, also hurtig alle zum Schultor.
Eigentlich wäre jetzt Feierabend, aber die „Werkopas“ lieben den Klönschnack und der Werkraum muss auch noch ausgefegt und aufgeräumt werden. Außerdem steht in eineinhalb Stunden sowieso noch eine Dienstbesprechung der Pädagogischen MitarbeiterInnen mit der Schulleitung an, also ist jetzt vielleicht die Chance mal in Ruhe ein Brot zu essen. Im LehrerInnenzimmer liegen auf dem Platz aber plötzlich 18 Pappen und ein Zettel mit dem Hilferuf einer Lehrkraft: Kannst Du vielleicht mal Leporellos daraus schneiden, ich schaff es zeitlich nicht? Das Brot muss also warten. Um 13 Uhr dann die Besprechung mit der Rektorin, die Kommunikation zwischen unterrichtenden und nicht unterrichtenden MitarbeiterInnen ist immer noch nicht perfekt und soll weiterhin verbessert werden, ob Wochenpläne der geleisteten Arbeit, die die PM zu Dokumentationszwecken jetzt erstellen sollen da wirklich helfen?
Auf jeden Fall geht es jetzt erst einmal zum nächsten Job, denn von 15 Stunden Betreuung kann niemand leben.
Dienstag, erste Stunde 4a: Burgenprojekt. Max findet mal wieder alles völlig daneben. Florian kommt wie so häufig 10 Minuten zu spät, beim Bäcker hat es so lange gedauert, aber er hatte eben noch nicht gefrühstückt. Burgenbau ist nichts für Mädchen, die wohnen schließlich in einem Schloss. Aber nach dem Burgenspiel sind alle doch wieder begeistert, schließlich haben sie sich das Thema auch selbst ausgesucht. In kleinen Gruppen werden die ersten Vorarbeiten für den Burgenbau aus Pappe in Angriff genommen. Alles geht gut, bis sich Chantal in den Finger schneidet, wie gut dass im 1.Hilfe Kasten noch genug Pflaster ist. Und spätestens wenn die Klasse schon mal begeistert arbeitet, ist die Stunde zu Ende. Jetzt darf aber kein Papierschnipsel mehr herumliegen, denn die nächste Lehrerin in der Klasse fühlt sich davon so gestört, dass sie in einem solchen Raum keinen Unterricht erteilen kann.
Es bleibt bei den Papierarbeiten, ab zum Kopierer, es müssen noch Lesehefte für die 1a erstellt werden, theoretisch. Erst einmal gilt es den Papierstau im Gerät zu beseitigen, den ein/e Kolleg/e/in vorher wohl „übersehen“ hat. Mit schmutzigen Händen dann erst einmal zum Waschbecken, immerhin gibt es ja noch ein letztes Papierhandtuch. Der Hausmeister freut sich über den Tipp. Gerade noch rechtzeitig fertig geworden, bevor es in der Unterrichtsbegleitung wieder um die Heuschrecken geht. Die Kinder sollen den Lebensraum malen, das ist schwer, wenn die Stifte fehlen oder nicht angespitzt sind. Aber als Pädagogische Mitarbeiterin hat frau ja immer eine Notfallkiste dabei und die Abfallprodukte des Stiftanspitzens im Berufsleben einer Betreuungskraft füllen zusammengenommen sicher einen 1 Kubikmeter Abfallcontainer.

Zwei Schulstunden später dann 2. große Pause, Pausenaufsicht, zwar ist der Schulhof noch vereist, aber die Kinder wollen natürlich raus, es gibt wieder mehr Beulen als Kühlpacks, aber die kalte Luft macht ja auch irgendwie wieder wach.
Nach der Pause Betreuung von zwei Klassen, eine Kollegin ist krank geworden, alle Pläne über den Haufen geworfen, also freies Spiel, Bauen und Malen in der Klasse, natürlich sind viel zu wenig Stühle da, Platz ist schon bei einer Gruppe Mangelware, aber irgendwie muss es halt gehen und in der sechsten Stunde ist ja auch nur die 1a zu betreuen. Damit der Lautstärkepegel nicht all zu sehr sinkt, gibt es Bewegungsspiele nach Musik. Die Kinder lieben es, die Eltern zu Hause wahrscheinlich nicht, dafür ist dann eben die Schule da. Zuhause angekommen sind dann noch die Belohnungen für erfolgreiche Arbeit am Lesetrainer fertig zu stellen, positive Unterstützung ist beim Lernen ja so wichtig.
Mittwoch, 1a Osterwerkstatt. Wie jedes Jahr sollen wieder Osterhasen die Schule verschönern und als Geschenke für die Eltern hergestellt werden. Mit dem Altpapier von Zuhause – die BLZ ist natürlich vorher aussortiert und archiviert – wird Pappmaschee produziert, Matschepampe ist für die Feinmotorik immer gut, auch wenn sich einige Kinder erst überwinden müssen. Nach zwei Stunden sehen allerdings alle (und ihre Schutzkittel) so aus, als hätte es ihnen viel Spaß gemacht. In der dritten Stunde wird es dann wieder ernst, Unterrichtsbegleitung Deutsch in der 3a, viel vom Stundenverlauf kann gar nicht wahrgenommen werden, denn ein Schüler braucht intensive Einzelbetreuung, Deutsch ist harte Arbeit für ihn und Deutsch mit ihm ist harte Arbeit für die Pädagogische Mitarbeiterin, Geduld, Fantasie und Beharrlichkeit werden auf eine starke Probe gestellt. Die Unterrichtsbegleitung in der Schreibwerkstatt 1. Klasse eine Stunde später ist da deutlich spielerischer angelegt, dennoch kommen auch hier schon SchülerInnen an ihre Grenzen. In der zweiten Pause schon mal ein paar Absprachen für Übermorgen, denn der Donnerstag gehört ganz dem Zweitjob und wer weiß, ob heute Abend Zeit zum telefonieren ist. Danach textiles Gestalten mit der 3a, Sticken haben sich die meisten ausgesucht, damit die anderen auch noch zu ihrem Recht kommen gibt es zum Abschluss noch ein Quiz für alle. Dann sind wieder die Hasen aus der 1a an der Reihe, da das Pappmaschee noch nicht trocken ist, wird erst einmal an der grünen Wiese gearbeitet. Da muss auch nicht soviel aufgeräumt werden und das ist wichtig, denn es bleiben nur 60 Minuten um zum anderen Job zu kommen. Zwischendurch kann ja noch telefonisch eine Holzspende für die Werk-AG eingeworben werden, abholen kann sie ja der Partner, der kann schließlich auch was für die Schule tun.

Donnerstag, Leben in einer anderen Welt, der Zweitjob. Im Hinterkopf aber immer die Frage, habe ich nicht was vergessen für morgen? Ein Glück, dass am Abend noch eine Lehrkraft anruft, um kurz über eine neue Projektidee für die Schule zu informieren, kaum zwei (Freizeit?-) Stunden später ist das Gespräch auch schon beendet, der Rest der Familie ist mittlerweile eingeschlafen.
Freitag, hurra, erst zur fünften Stunde da sein, theoretisch. Der beliebte Wochenplan muss noch ausgefüllt, das Holz für die Werk-AG in den Werkraum geschafft werden, die Schulleitung erinnert an die Fortbildung am Montag und der Wochenplan ändert sich wegen besonderer Schulveranstaltungen, erst mal schauen, ob jetzt noch alles so passt, wie es geplant war, wie gut, dass frau doch schon - unbezahlt (!) - um 10 Uhr da war. Dann geht es wieder zu den Osterhasen, die können heute braun angemalt werden, dass hat aber zur Folge, dass die Aufräumstunde zum Wochenende diesmal sehr intensiv genutzt werden muss. So ist zum Schluss nicht ausreichend Zeit da, die Schulwoche mit den Kindern in Ruhe im Klassenraum Revue passieren zu lassen. Die letzten 10 Minuten geht es dann besser raus auf den Schulhof. Natürlich geht auch das mal wieder nicht ohne Blessuren ab, Kim fällt hin und holt sich eine blutende Platzwunde. Das Kind wird versorgt, die Blutung gestillt. Gemeinsam wartet man auf die Mutter, die ihr Kind leider erst um 13.30 Uhr - eine halbe Stunde nach Arbeitsschluss - abholt. Aber dann ist Wochenende, wäre da nicht das Freizeitvergnügen, die Vorbereitung auf die Fortbildung Montag, aber so ein Wochenende ist ja lang, mindestens bis Sonntag 20.15 Uhr, Tatortzeit. Der Vater von Vivien ruft an, seine Tochter hat eine schlimme Magen- und Darmgrippe und wird morgen wahrscheinlich nicht zum Unterricht der 1a kommen, dass wollte frau als Pädagogische Mitarbeiterin doch wahrscheinlich unbedingt noch am Sonntagabend wissen, denn Schule ist ja mehr als Unterricht.