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Sechs Jahre Oberschule

Schulentwicklung fortsetzen und finanziell absichern!

Am 6. Bremer Oberschultag von GEW und GGG am 23. Juni 2015 diskutierten über 110 Pädagog*innen und Eltern über die bisherige Entwicklung der Oberschule und ihre weitere Perspektive. In diesem Sommer gibt es die ersten Abschlusszeugnisse für Oberschüler*innen an den 7 Starterschulen. Die Schulentwicklung ist dort aber keineswegs abgeschlossen. Die meisten Oberschulen in Bremen und Bremerhaven befinden sich weiter im Aufbau. An allen Oberschulen werden bisherige Konzepte ausgewertet und überarbeitet.

Der Bremer Schulkonsens endet in dieser Legislaturperiode der Bürgerschaft. Das bisherige 2-gliedrige Schulsystem mit Oberschule und Gymnasium muss analysiert werden. Zukunftsentscheidungen sind politisch zu treffen.

GEW-Landesvorstandsmitglied Kai Reimers erklärte auf dem Oberschultag, dass  Schüler*innen nach der Grundschule je nach Schulleistungen und Bildungschancen real auf 4 Schularten sortiert werden: die einfache Oberschule ohne angeschlossene Oberstufe, die Oberschule mit angeschlossener Oberstufe, das Gymnasium oder die Privatschule. Als Ziel der weiteren Schulentwicklung formulierte er: „Die einzige Perspektive eines Schulsystems, die einer demokratischen Gesellschaft würdig ist und die allen Schülern zumindest vergleichbare Bildungschancen und soziale Teilhabe gewährt, ist die der einen Schule für alle. Die Oberschule ist und bleibt nur eine Etappenlösung.“

Zu Beginn des Oberschultages fand eine Podiumsdiskussion unter dem Titel 6 Jahre Oberschule: Haben sich die Erwartungen erfüllt?“ statt, an der Lehrer*innen, Schulleiter,  Andrea Spude vom Zentralelternbeirat und Lars Nelson von der Senatorin für Bildung und Wissenschaft teilnahmen. Es wurde festgestellt, dass die Kolleg*innen eine enorme Entwicklungsarbeit geleistet haben, für die sie anfangs in geringem Umfang Entlastungsstunden bekamen. Diese Entlastungen sind nach 6 Jahren Oberschule gestrichen worden, obwohl die hohe Arbeitsbelastung die Gesundheit vieler Lehrkräfte beeinträchtige.  Die Arbeit zur Konzeptentwicklung und -überarbeitung müsse aber fortgesetzt werden.

Außerdem ist die Oberschule eine Teamschule mit Kooperationen zwischen allen beteiligten Lehrkräften, Sozialpädagog*innen, pädagogischen Mitarbeiter*innen, Eltern und außerschulischen Ansprechpartnern.

Einhellig wurde festgestellt, dass die Beteiligten dafür zu wenig oder keine Zeit neben ihrer Haupttätigkeit haben.

Für die weitere Schulentwicklung und Kooperationszeit fordern GEW und GGG deshalb die politisch Verantwortlichen auf, zusätzliche Finanzmittel für ausreichende Entlastungen zur Verfügung zu stellen.

Als zweiten wichtigen Kritikpunkt an der bisherigen Schulentwicklung bemängelten die Beteiligten die schlechte Ausstattung bei der Inklusion, die zeitgleich und ohne Vorbereitung mit Oberschulreform eingeführt wurde. Hier ist zusätzliches Personal dringend erforderlich. Die bei der Inklusion tätigen Pädagogen fühlen sich von denen, die die Inklusion politisch beschlossen haben, im Stich gelassen.

Aus der Vergangenheit lernen: Die größten Fehler vermeiden

Die größten Irrtümer enthielt das Schulstandortkonzept von 1984. Das Bremer Schulgesetz von 1975 hatte ein integriertes Stufenschulsystem vorgesehen. Nachdem die bundesweite Entwicklung gegenläufig war, verkündete Senator Horst-Werner Franke eine „Phase der Konsolidierung“: Die Sek-I-Zentren sollten nicht bis zur 10. Klasse integriert werden, sondern ab Klasse 7 drei je zweizügige Abteilungen (H, R und Gy) vorhalten. Das beinhaltete relativ große Schulen mit hohem Raumbedarf an hierfür geeigneten Standorten. Außerdem war die Zahl der SchülerInnen erheblich zurückgegangen. Ergebnis war eine lange Liste von Schulen, die geschlossen werden sollten. Darunter waren u.a. Schmidtstraße, Pulverberg, Kattenturm, BBZ, Vorkampsweg, Vegesacker Straße, Schönebeck, Hemelinger Straße, Parsevalstraße, Uphuser Straße, Leibnizplatz und Barkhof. Alle diese Gebäude werden heute noch schulisch genutzt.

Ursachen für die Fehlplanung gab es mehrere: Zunächst wurde angenommen, dass der Rückgang der SchülerInnenzahl sich unvermindert fortsetzen werde. Iin Wirklichkeit hatten wir in den 90er Jahren einen Anstieg. Zweitens wurden neue Bedarfe nicht einkalkuliert. So gab es in der östlichen Vorstadt und der Neustadt Bürgerinitiativen für neue Gesamtschulen. Leibnizplatz und Hemelinger Straße waren schon ausgeräumt, als sie von bzw. mit neuen Gesamtschulen besetzt wurden. Das BBZ ist dringend benötigter Schulraum, insbesondere seitdem das Schulzentrum am Holter Feld verkauft und abgerissen wurde.

An diesem Beispiel wird auch die Kurzfristigkeit mancher Planungen deutlich: Das BBZ war zur Schließung vorgesehen, obwohl man wusste, dass wenige Jahre später Daimler-Benz das Recht haben würde, das Grundstück des Holter Feldes zu beanspruchen.

Ein ähnliches jüngeres Beispiel ist die Neustadt: Unter Bildungssenator Willi Lemke wurde die Sanierung von Schulen zum Teil dadurch finanziert, dass man andere Schulgebäude zur Privatisierung freigab. So wurden die Schulzentren an der Kornstr. und an der Gottfried-Menken-Str. aufgegeben (letzteres wurde abgerissen). Gleichzeitig begann in der Neustadt eine Phase des Wohnungsbaus, der logischerweise zu Bevölkerungswachstum führte, und heute wird Schulraum dringend gesucht.

Zum Glück wurden nicht alle zur Schließung vorgesehenen Gebäude verkauft. Positives Gegenbeispiel ist der Barkhof. Er wurde über 20 Jahre lang von der Universität genutzt und ist jetzt wieder Schule.

Konsequenzen und Forderungen für die Zukunft

Ein sinnvoller Schulentwicklungsplan kann nur entstehen, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen geklärt sind. Das erfordert:

Klarheit und Transparenz der Ziele

Die Oberstufenpolitik der Senatorin Jürgens-Pieper hat zu erheblichen Ungleichgewichten im Bremer Schulsystem geführt. Nach Auffassung der GEW besteht der Ausweg in einer Wiederzulassung der Oberstufenzentren im Schulgesetz. Bis dahin sollen Oberstufen-Verbünde im Stadtteil dafür sorgen, dass alle Oberschulen einen guten Anschluss an die Sekundarstufe II haben. Zweitens soll - unbeschadet des Elternwahlrechts - bei der Aufnahme in die Oberschule der Wohnort die oberste Priorität haben.

Ohne eindeutige politische Festlegungen in diesen Fragen ist Schulstandortplanung ein kostenintensives Abenteuer mit ungewissem Ausgang.

Die baulichen Konsequenzen von schulpolitischen Entscheidungen offenlegen und frühzeitig planen

Aktuell geht es hierbei besonders um den Ausbau der Ganztagsschule.Neben den obligatorischen Mensen sind ausreichende Freizeitbereiche einzuplanen. "Aufbewahrung im Klassenraum" ist eine Zumutung für die Kinder und das pädagogische Personal.

Die Bedürfnisse durch Mitwirkung ermitteln und Baustellen-Chaos vermeiden

Beispiele zeigen: Wo die SchülerInnen, Lehrkräfte und Pädagogischen MitarbeiterInnen einbezogen waren, konnten bei Ausbauten und Sanierungen befriedigende und ansprechende Lösungen gefunden werden.

Ein großes Ärgernis, das alle Beteiligten immer wieder über die Belastungsgrenze treibt, ist ein verspäteter Baubeginn während des Schulbetriebes. Daher muss die finanzielle Absicherung frühzeitig erfolgen, damit nicht mit der Verschiebung von Maßnahmen jongliert wird.

Stadtteile mit hoher Armutsquote bevorzugt versorgen

Gerade in diesen Stadtteilen kann die Ganztagsschule produktive Wirkungen haben, wenn sie gut ausgestattet ist.

Keine Privatisierungen

Da die Bevölkerungsentwicklung in den verschiedenen Stadtteilen mittelfristig immer wieder Überraschungen bereithält und aus pädagogischen Entscheidungen zusätzliche Raumbedarfe entstehen, ist für aktuell nicht benötigte Schulgebäude eine anderweitige öffentliche Nutzung meist die beste Lösung.

Zum Schluss: Es geht um einen immensen Vermögenswert

Die Bremer Schulgebäude sind in über 150jähriger Bautätigkeit entstanden. Nach heutigen Preisen müsste mehr als ein ganzer Landeshaushalt (4,5 Mrd. €) verwendet werden, um sie auch nur notdürftig zu ersetzen. Die Schulstandortplanung hat sorgsam mit diesem Vermögenswert umzugehen.