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Schulkonzepte und Schulbauten

Eine kurze Geschichte der Bremer Schulgebäude Der staatliche Schulbau hat in Bremen seit 1860 ganz unterschiedliche Gebäude hervorgebracht, die aus heutiger Sicht als mehr oder weniger zweckmäßig, als düster oder freundlich erscheinen...

Außerdem sind sie in einem sehr unterschiedlichen Erhaltungszustand. Die meisten sind in drei Phasen entstanden: Vor 1914 in einer Zeit rasanter Industrialisierung und schnellen Bevölkerungswachstums; nach 1945 als Ersatz für die Kriegszerstörungen; und in den 60er und 70er Jahren als Reaktion auf wiederum massiv steigende SchülerInnenzahlen und auf erhöhte Ansprüche an Differenzierungs- und Fachraumbedarf. Zu ihrer Zeit haben alle diese Gebäude als zweckmäßig und schön gegolten. Ihre Anlage war pädagogisch begründet und gleichzeitig ein Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse.

Freischulen, Geldschulen und ein Gymnasium | Staatlicher Schulbau vor 1914

Als 1844 in Bremen die Schulpflicht eingeführt wurde, waren die meisten Schulen kirchlich und kosteten Schulgeld. Außerdem waren sie zu klein. Es mussten staatliche "Freischulen" gebaut werden, um die Kinder der  Armen unterzubringen. Das älteste erhaltene Gebäude dieser Art ist die Schule an der Schmidtstraße. Ein Grundmuster ist noch klar zu erkennen: Zwei Eingänge wegen der Geschlechtertrennung (der Schulhof war oft durch eine Mauer geteilt); lange Flure, an denen die Klassenräume unter Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung angeordnet waren; in diesen Räumen saßen in engen Reihen ca. 50 Kinder in einem absolut lehrerzentrierten Unterricht. Das methodische non plus ultra war der "Anschauungsunterricht" (ein Vorläufer des Sachunterrichts). Hierfür wurden Kabinette mit Anschauungsobjekten eingerichtet.

Nach 1871 begann die Industrialisierung Bremens, das zuvor Freihandelszone gewesen war. Die Bevölkerung wuchs ständig und es wurde bald jedes Jahr eine neue Schule gebaut, insbesondere in den Arbeitervororten. Ein erhaltenes Beispiel ist die Schule an der Fischerhuder/Ritterhuder Straße mit 32 Klassenräumen. Das Bauprinzip blieb das gleiche. Da die Arbeiterklasse oft in einem schlechten hygienischen und gesundheitlichen Zustand war, wurde viel Wert auf Duschen und Turnhallen gelegt. Nicht alle Eltern - insbesondere aus der unteren Mittelschicht - wollten ihre Kinder in die staatlichen Freischulen schicken. Für sie wurde die "entgeltliche Volksschule" eingerichtet - mit dem selben Lehrplan und den selben Bauprinzipien wie die Freischulen (ein Beispiel ist die Schule an der Lessingstraße).

Ein ganz anderer Bautyp entstand nach 1871 an der Dechanatstraße: das Alte Gymnasium (heute Musikhochschule). Es war die Schule der gebildeten Oberschicht, die vorher im Katharinenkloster untergebracht war. Hörsäle, eine Aula und eine Sternwarte gehörten zu dem schlossähnlichen Bau. Mädchen waren in dieser Lehranstalt nicht vorgesehen. Die höheren Töchter gingen in die Privatschule von A. Kippenberg am Wall oder in andere private Institute. Erst 1916 wurden mit der Kleinen Helle und 1928 mit der Langen Reihe staatliche höhere Schulen für Mädchen eingerichtet. Dies war Bestandteil eines Ausbaus der "höheren Bildung", der schon um 1900 eingesetzt hatte. Es gab zunehmenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften im technischen und kaufmännischen Bereich sowie in der Verwaltung. Es wurden "Realschulen" und "Oberrealschulen" eingerichtet. Der Waller Ring, die Hermann-Böse-Straße, der Barkhof und der Leibnizplatz sind Exemplare dieses Bautyps.

Bremen konnte sich all diese Bauserien leisten, weil es eine prosperierende Handels- und Industriestadt war. Auch die Lehrerausbildung wurde ausgeweitet, wovon heute noch das 1897 gebaute Lehrerseminar an der Hamburger Straße (heute Gymnasium) zeugt. Das 1912 eingerichtete Lehrerinnenseminar an der Karlstraße musste in den 80er Jahren dem Parkhaus am Hillmannplatz weichen.

Neue, individualisierende pädagogische Ansätze wurden im Volksschulbereich von einer Gruppe junger Absolventen des Lehrerseminars (u.a. von Fritz Gansberg) entwickelt. Diese hatten aber erst nach 1918 eine Chance auf Realisierung. Die erste "Versuchsschule" als reformpädagogische Angebotsschule entstand an der Schleswiger Straße, zwei weitere wurden in Gebäuden der späten Kaiserzeit untergebracht, die während des ersten Weltkriegs "auf Halde" lagen: an der Helgolander und der Stader Straße. Die in diesen neuen Schulen praktizierte Unterrichtsgestaltung stieß sich oft hart mit den vorgefundenen räumlichen Bedingungen. Neubauten gab es in der Weimarer Republik nur als Ausnahmen, wie die Schaumburger und die Delmestraße. Sie entfernten sich äußerlich deutlich vom kaiserzeitlichen Modell, ohne dass ein neues Schulkonzept dahinter stand. 

Schulbau nach 1945 unter dem Einfluss der Reformpädagogik

Von den 150 Schulgebäuden, die Bremen 1939 hatte, waren nach dem Kriege 48 völlig zerstört und 72 mehr oder weniger schwer beschädigt. Nur 30 blieben verschont, überwiegend in den Randgebieten. Der Schulbau musste unter schwierigen Bedingungen neu beginnen. Schulpolitisches und pädagogisches Leitbild waren in der neuen Bildungsbehörde die "Einheitsschule" und die "Erziehung zur Demokratie". Unter Leitung des ehemaligen Versuchsschullehrers Wilhelm Berger wurde hier in den folgenden 20 Jahren ein Schulbaukonzept von überregionaler Bedeutung entwickelt und realisiert. Es wurde durch Reisen nach Skandinavien und in die USA und mit einer Ausstellung im Rathaus vorbereitet.

Statt der alten "Schulkasernen" waren aufgelockerte Bauten vorgesehen. Die quadratischen Klassenräume waren zweiseitig belichtet und belüftbar und hatten Nebenräume. Statt Geschossbauten gab es Flachbauten. Im Zentrum stand der "Marktplatz", ein Ort der Begegnung, der als Eingangs- und Pausenhalle diente und für Versammlungen und Veranstaltungen genutzt werden konnte. Statt der Schulbänke gab es bewegliches Mobiliar. Aus den Klassen war ein leichter Zugang zu den begrünten Außenflächen möglich. Es waren Werk- und Musikräume, Bibliotheken und Turnhallen eingeplant. Die Schule war mit "Kunst am Bau" gestaltet und sollte Mittelpunkt des Quartiers sein.

Bis Mitte der sechziger Jahre wurden nach diesen Grundgedanken über 60 neue Schulen gebaut. Frühe Beispiele sind die Schulen Borchshöhe, Habenhausen, Rablinghausen und Auf den Heuen. Später wurde das Schulgebäude in Pavillons aufgelöst, wie In der Vahr, am Halmerweg und an der Philipp-Reis-Straße. Beim Bau des ersten neuen Gymnasiums an der Parsevalstraße wurde das Konzept um eine Turm mit Fachräumen erweitert (siehe auch am Weidedamm und an der Kurt-Schumacher-Allee).

Ein Unikat stellt das Berufsbildungszentrum dar. Es wurde von den USA finanziert und 1954 nach den Plänen einer Architektengruppe fertig gestellt. In seiner Dimension ist es stark vom Gedanken der Zentralisierung geprägt.

Die Millionenjahrgänge und die Bildungskatastrophe

Die Geburtsjahrgänge 1961 bis 1969 waren mit über einer Mio. die stärksten in der Geschichte der Bundesrepublik. 1964 wurde der "Bildungsnotstand" ausgerufen. Schulen wurden jetzt in schneller Folge industriell gefertigt. Die Bau-Prinzipien der Berger-Ära traten in den Hintergrund. Da gleichzeitig ab 1975 die Stufenschule eingeführt wurde, blieben die Grundschulen häufig in den alten Volksschulen zurück, während die Sek-I-Zentren in die neuen, technisch ausgestatteten Gebäude zogen. Die Schulgebäude wurden immer größer und kompakter. Die beiden neuen Gesamtschulen, GSO und GSW, waren um 1970 die auffälligsten Bauten. Neue Elemente, die insbesondere in der GSW zum Tragen kamen, waren Neonbeleuchtung und Klimaanlage, Teppichboden und Sichtbeton. Diese Schulen waren achtzügige Massenschulen, deren bauliche Nachteile im Laufe der Zeit immer deutlicher hervortraten. Wegen gesundheitlicher Belastungen musste die GSW schließlich abgerissen und neu errichtet werden. Das damals größte Schulzentrum der Sekundarstufe II stand am Holter Feld. Es musste wegen eines Vertrages mit Daimler-Benz in den 90er Jahren ebenfalls abgerissen werden.

Das jüngste damals gebaute Sek.-II-Zentrum am Rübekamp war der erste Versuch, vom Modell der industriell gefertigten Massenschule abzurücken und Elemente aus der Berger-Ära wieder aufzunehmen.

 Die Gegenwart: Sanierung und Ausbau

Von 1980 bis 1990 sank die Zahl der SchülerInnen von über 100000 auf ca. 70000, um bis heute etwa auf diesem Stand zu bleiben. Neue Schulen wurden nur noch in Ausnahmefällen gebaut (Pfälzer Weg, Borgfeld West). Im Mittelpunkt standen die Sanierung der riesigen Baumasse, die Ausstattung der alten Gebäude mit neuer Technik,  Energieeinsparung, Umgestaltung der Schulhöfe und der Ausbau zu Ganztagsschulen. Hier sind bei der Umgestaltung der Altbauten viel Phantasie und ausreichende Mittel gefragt. Darin wird auch in den kommenden Jahren der Schwerpunkt liegen.