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„Religion ist Privatsache“

In Deutschland gibt es nach geltendem Verfassungsrecht keine Staatskirche. Der Staat ist zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1965 klargestellt, dass das Grundgesetz dem Staat als Heimstatt aller Bürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität auferlegt und die Privilegierung bestimmter Konfessionen untersagt. Und Artikel 59 der Bremischen Landesverfassung sagt klipp und klar: „ Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt“. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Das derzeitige System der staatlichen Kirchenförderung widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der staatlichen Neutralität. Die finanzielle Privilegierung sowie die Bevorzugung in anderen gesellschaftlichen Bereichen (u.a. Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft, Einzug der Kirchensteuer durch den Staat, Subsidiaritätsprinzip zugunsten der Kirchen im sozialen Bereich, staatliche Finanzierung der Religionsunterrichts und der Militärseelsorge) sind überholt und gehören auf den Prüfstand.
Zu hinterfragen sind auch der Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes sowie religiöse Eidesformeln vor Gericht und in Parlamenten (auch wenn sie freiwillig sind). Ebenso wenig gehören Gebete in Rathäuser oder Parlamente; Kruzifixe haben in Gerichtssälen oder öffentlichen Schulen nichts zu suchen. Straftatbestände wie die „Gotteslästerung“ (§ 166 Strafgesetzbuch) gehören abgeschafft.

Schon gar nicht brauchen wir kirchenstaatsähnliche Einrichtungen wie einen Kirchensenator in Bremen, ein in Deutschland einmaliges Konstrukt. Und war es nötig, dass das Haushaltsnotlageland Bremen den 32. Evangelischen Kirchentag 2009 mit 7, 5 Millionen Euro Steuergeldern sponserte (55% der Gesamtkosten), während das große NRW es beim Kirchentag in Köln zwei Jahre zuvor bei 4, 7 Millionen Euro (33%) beließ? Für den Rechnungshof sicherlich ein interessanter Vorgang.
Einen besonderen Skandal stellt das kirchliche Arbeitsrecht („Dritter Weg“) dar. Die Verweigerung von Tarifverträgen und des Streikrechts, das Verbot der Gründung von Betriebsräten sowie Sonderrechte im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu Lasten der c.a. 1, 2 Millionen Beschäftigten bei Diakonie und Caritas laufen auf einen Kirchenstaat im säkularen Verfassungsstaat hinaus. Unser Grundgesetz kennt jedoch keine grundrechtsfreien Zonen!
Mit Sorge registrieren wir eine zunehmende Verquickung von Politik und Religion. Nicht nur Unionspolitiker werden nicht müde zu behaupten, Deutschland habe eine christliche Leitkultur und fuße auf einer „christlich-jüdischen“ Werteordnung, und die beiden großen Kirchen hätten das Wertemonopol in Staat und Gesellschaft. Bundeskanzlerin Merkel verstieg sich sogar zu der Äußerung, „wer das christliche Menschenbild nicht akzeptiert, ist bei uns fehl am Platze“.

Solche Äußerungen spalten die Gesellschaft und grenzen weite Teile der Bevölkerung wie Konfessionsfreie, Atheisten, Humanisten oder Andersgläubige aus. Über 30 Millionen Menschen in Deutschland gehören keiner der beiden großen Kirchen an – mit steigender Tendenz. In Bremen waren 1970 noch über 90% der Bevölkerung Mitglied der evangelischen bzw. katholischen Kirche; inzwischen sind es noch gerade mal 50%. Ich finde, wir sind zuallererst Bürgerinnen und Bürger (Citoyens) dieses Landes. Ob einer Christ, Jude, Muslim, Atheist oder sonst Konfessionsfreier ist, darf in einer Demokratie keine Rolle spielen.

Die ständige Berufung auf eine christliche Leitkultur oder ein christliches Wertemonopol verkennt auch, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat vor allem auf antike Quellen zurückgehen. Altkanzler Helmut Schmidt: „ Die Bibel kennt weder Menschenrechte noch Demokratie. Der Rechtsstaat ist kein Kind der Religion“. Im Gegenteil: die Demokratie musste gegen den erbitterten Widerstand beider christlichen Kirchen hart erkämpft werden. Noch heute weigert sich der Vatikan –neben Weißrußland – die Europäische Menschenrechtskonvention zu unterzeichnen.

Wir treten für eine klare Trennung von Staat und Kirche sowie Politik und Religion ein. Die Trennung dieser Bereiche zusammen mit der Religionsfreiheit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für einen modernen, liberalen Verfassungsstaat. Religion ist Privatsache; sie sollte sich auf den nichtstaatlichen Bereich beschränken.

Abschließend noch ein Appell an die GEW: in Bremen steht eine Neuregelung des Biblischen Geschichtsunterrichts an. Setzen Sie sich bitte für eine bekenntnisfreie Religions- und Weltanschauungskunde ein, die das Ziel hat, allen Schülerinnen und Schülern Grundsätze der Ethik und Philosophie zu vermitteln – Leitbild sollten die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat sein. Religiöse Präferenzen haben in öffentlichen Schulen nichts zu suchen.

  • Der Autor

Horst Isola
Mitglied im Bundessprecherkreis der SPD-Laizisten
Ex-Landesvorsitzender der Bremer SPD
Kontaktadressen: horst.isola [at] t-online.de und www.laizisten-bremen.de