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„Personalräte müssen lästig sein“

Interview mit Michael Kröll, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Redakteur der Zeitschrift "Der Personalrat"

Lieber Kollege Kröll, die Arbeit verdichtet sich, neue Aufgaben kommen hinzu, an Ausstattung und Personal wird immer öfter gespart. Selbst die Arbeitsbedingungen an Schulen haben sich zuletzt verschlechtert. Was können und müssen Personalräte tun?

Personalräte müssen solche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, etwa durch die Verdichtung der Arbeit, einerseits erstmal zur Kenntnis nehmen. Anderseits sind sie gehalten zu reagieren, um mögliche Verbesserungen zu erreichen. Sie sollten beispielsweise durch Gespräche mit den betroffenen Lehrkräften in Erfahrung bringen, welche konkreten Bedingungen sich wie und warum verschlechtert haben. Gemeinsam mit den Lehrkräften sind daraus Ideen zu entwickeln, wie sich die Arbeitsbedingungen wieder verbessern lassen. Mit diesen Ideen sollten sie initiativ werden und konkrete Maßnahmen beantragen. Damit müssen sich die Verantwortlichen dann auseinandersetzen. Soweit den Lehrkräften erst noch neue Aufgaben zugewiesen werden sollen, ohne dass es Entlastungsmöglichkeiten gibt, dürften Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung vorliegen. Hier hat der Personalrat vorher mitzubestimmen.

Arbeitgeber und Dienstherren halten sich nicht immer an Gesetzte, Dienstvereinbarungen oder Absprachen. Wie geht man dagegen effektiv vor?

Wie? Öffentliche Arbeitgeber und Dienstherren halten sich nicht an Gesetze? Aber jetzt mal im Ernst: Trotz der grundgesetzlichen Bindung an Recht und Gesetz halten sie sich tatsächlich nicht immer daran. So werden beispielsweise gegenüber Personalräten deren Rechte, die durch die Personalvertretungsgesetze vorgegeben sind, missachtet. So werden beteiligungspflichtige Maßnahmen umgesetzt, ohne die entsprechenden Beteiligungsverfahren vorher durchzuführen. Das müssen Personalräte nicht hinnehmen. Sie sollten ihre Beteiligungsrechte – am besten schriftlich – einfordern, wenn nötig auch verwaltungsgerichtlich durchsetzen. Werden jedoch Rechtsvorschriften, die zugunsten der Bediensteten gelten, nicht beachtet, hat der Personalrat darauf hinzuwirken, dass diese eingehalten werden.

Personalräte stehen nicht selten von zwei Seiten unter Druck. Die Bediensteten und der Dienstherr haben oft unterschiedliche Auffassungen zur Personalratsarbeit. Ein schwieriges Feld?

Ja, so ist das. Aber auch ein spannendes Feld. Die Auffassungen zur Personalratsarbeit sind oftmals nicht nur unterschiedlich. Sie sind oft sogar gegensätzlich. Das ergibt sich aus den durchaus unterschiedlichen Interessen. Das ist übrigens der Grund, weshalb es Personalräte gibt. Diese sollen sich als Interessenvertretung gegenüber der Behörde für das Wohl der Beschäftigten engagieren. Das Personalvertretungsgesetz schränkt deren Alleinentscheidungsbefugnis ein. Sie müssen den Personalrat vorab beteiligen. Kommt es zu keinem Einvernehmen, muss gegebenenfalls die Schlichtungs- oder die Einigungsstelle entscheiden. Insoweit sind Personalräte aus Dienststellensicht lästig. Auch wenn Dienststelle und Personalrat vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen, obliegt es dem Personalrat, vornehmlich die Interessen der Bediensteten aufzugreifen.

Der Personalrat Schulen Bremen hat im Jahr 2012 den Deutschen Personalrätepreis gewonnen. Welche Initiativen haben bei der Jury gute Chancen, ausgezeichnet zu werden?

Zunächst gilt mal der olympische Gedanke: Dabei sein ist alles. Bei der Auswahl der Nominierten und der Preisträger orientiert sich die Jury des Deutschen Personalrätepreises insbesondere daran, welchen Erfolg das Projekt hatte und inwieweit es auf andere Personalräte übertragbar ist. Spannend sind dabei Projekte, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, beispielsweise wie sich die ständige Erreichbarkeit von Bediensteten eindämmen lässt. Die Bewerbungsfrist für den diesjährigen Personalrätepreis läuft übrigens noch bis zum 31.5.2016. Weitere Infos gibt es unter www.dprp.de

Personalräte können durch den Abschluss von Dienstvereinbarungen Recht setzen. Wie sieht eine gute Dienstvereinbarung aus?

Eine gute Dienstvereinbarung aus Sicht der Bediensteten stärkt inhaltlich deren Rechte und Positionen. Allerdings enthalten Dienstvereinbarungen regelmäßig Kompromisse aus den Positionen der Dienststelle und des Personalrats. Dienstvereinbarungen sollten auf alle Fälle rechtswirksam abgeschlossen werden. So sind insbesondere die Formalien, wie etwa Beschluss des Personalrats und die Schriftform, zu beachten. Merkmal einer guten Dienstvereinbarung ist für mich auch die Verständlichkeit der jeweiligen Regelungen. Ich empfehle, Dienstvereinbarungsentwürfe von Bediensteten lesen zu lassen, um festzustellen, ob das Geschriebene verständlich ist. 

Wie lassen sich Motivation und Engagement der Personalratsmitglieder auf ein hohes Niveau bringen und dort halten?

Personalratsarbeit macht immer dann Spaß, wenn damit Erfolge verknüpft sind. Solche Erfolge sind eine gute Motivation für alle Personalratsmitglieder. Nach meinen Erfahrungen sind Personalratsmitglieder per se engagiert - mal mehr, mal weniger. Der Personalrat kann seine zu erledigenden Aufgaben beispielsweise auf die einzelnen Mitglieder verteilen. So haben alle Personalratsmitglieder „ihren Zuständigkeitsbereich“, für den sie verantwortlich sind.

Personalräte bilden sich ihre Meinung durch Beschlüsse. Wie gelingt es dabei, unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen in gemeinsame Beschlüsse zu transformieren?

Richtig. Personalräte müssen Beschlüsse fassen, und zwar in Sitzungen. Vorher haben sie die anstehenden Themen zu beraten und zu diskutieren. Hier haben alle Personalratsmitglieder das Recht, mitzuberaten und mitabzustimmen. Wenn es nun unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen gibt, weitet das die Sicht auf einzelne Themen. Hier gilt dann, gerade bei unterschiedlichen Meinungen, die Mehrheit durch Argumente zu überzeugen. Für Personalratsbeschlüsse ist bereits die Stimmenmehrheit ausreichend. Es müssen also nicht immer alle Personalratsmitglieder geschlossen dafür oder dagegen sein. Das spiegelt den demokratischen Wettstreit wieder. Dabei sollten sich alle Personalräte mit ihren Kompetenzen und Erfahrungen dabei vorbehalt- und angstlos einbringen können.

Wie gelingt eine gute und kontinuierliche Kommunikation mit den Bediensteten?

Personalräte müssen mit den Bediensteten kommunizieren. Das ist sehr wichtig. Nur so erfährt der Personalrat, wo der Schuh drückt. Eine gute und vor allem kontinuierliche Kommunikation muss regelmäßig stattfinden. Neben den Personalversammlungen oder Sprechstunden können dies etwa regelmäßig erscheinende Mitteilungen des Personalrats sein. Diese kann herkömmlich in gedruckter Form den Beschäftigten ausgehändigt oder am Schwarzen Brett ausgehängt werden. Oder über die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation wie E-Mail, Twitter und Co. Neugewählte Personalräte sollten sich bei den Bediensteten vorstellen. Dabei sind die Erreichbarkeiten der einzelnen Personalratsmitglieder, etwa Telefonnummer und/oder E-Mailadresse bekanntzugeben.

Die Kraft einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit wird in vielen Personalräten unterschätzt. Warum ist sie so wichtig?

Mit einer tollen Öffentlichkeitsarbeit gelingt es dem Personalrat, sich und seine Arbeit den Bediensteten näher zu bringen. Nicht nur kurz vor anstehenden Personalratswahlen sollte der Personalrat „sichtbar“ sein. Auch während der laufenden Amtszeit hat der Personalrat über seine Arbeit zu informieren. Dadurch wird er präsent und seine Arbeit transparent.

Mit Personalversammlungen lassen sich gleichzeitig viele Bedienstete erreichen. Wie gelingt das am besten?

Personalräte müssen mindestens einmal im Halbjahr eine Personalversammlung abhalten und dort über ihre Tätigkeiten berichten. Das wird von Personalräten oftmals als Last empfunden. Dabei haben sie hier die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit zu präsentieren. Und sie erhalten sofort ein Feedback. Der Tätigkeitsbericht sollte nicht von der oder dem Vorsitzenden „heruntergeleiert“ werden. Das motiviert wenig und hält möglicherweise den einen oder die andere vom Besuch der nächsten Personalversammlung ab. Besser ist es den Bericht mit den vielen neuen Möglichkeiten zu präsentieren und dabei jedem Personalratsmitglied einen Teil des Berichtes zu überlassen. Nicht nur Erfolge, sondern auch Misserfolge sind anzusprechen. Gerade bei Misserfolgen kann mit den Bediensteten diskutiert werden, wie und was künftig besser laufen kann. Die Personalversammlungen sollten nicht wie ein schlechter Unterricht ablaufen, in dem eine oder einer spricht und die anderen bloß zuhören. Die Beschäftigten sind vielmehr zu motivieren, sich einzubringen und mitzureden. Der Personalrat kann beispielsweise ein aktuelles, die Lehrkräfte interessierendes Thema, etwa Arbeitsverdichtung, aufrufen, um gemeinsam Lösungen zu finden. 

Bei einigen Lehrkräften macht sich Resignation und Burnout breit. Wie kann der Personalrat helfen?

Resignation der Lehrkräfte hinsichtlich der Personalratsarbeit kann der Personalrat einfach vermeiden, indem er eine engagierte und transparente Arbeit in deren Sinne macht. Resignation und Burnout der Beschäftigten im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit zu vermeiden, ist hingegen schwieriger. In Gesprächen mit den Betroffenen sind zunächst die betrieblichen Ursachen festzustellen. Anschließend sind mögliche Maßnahmen zu entwickeln, wie der Resignation und dem Burnout aus Sicht des Personalrats entgegengewirkt werden kann. Empfehlenswert sind entsprechende Initiativanträge des Personalrats. Wichtig erscheint mir, die Themen nicht totzuschweigen, sondern aktiv anzugehen. Es geht schließlich um die Gesundheit.

Personalratsmitglieder sollen sich fortbilden. Worauf ist zu achten?

Fortbildungen für Personalratsmitglieder sind wichtig. Das sieht auch der Gesetzgeber so. Hat er doch für Personalratsmitglieder einen Anspruch auf entsprechende Fortbildungen normiert. Dienstbefreiung ist zu gewähren und die Kosten sind regelmäßig von der Dienststelle zu tragen. Personalräte müssen Kenntnisse haben. Nur so können sie ihre Aufgaben sachgerecht wahrnehmen. Wer im Personalvertretungsrecht noch nicht grundgeschult ist, sollte sich zeitnah fortbilden.

Michael Kröll ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und verantwortlicher Redakteur der Fachzeitschrift Der Personalrat . Er plädiert für einen "sichtbaren" Personalrat und moderne Kommunikationsformen.