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Gegen Rechts

Mut zum Widerspruch

Argumentationsstrategien gegen rechtes Denken

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Die im April 2019 veröffentlichte neue Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung konstatiert eine „Verfestigung und Normalisierung rechter Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft“. Insbesondere Muslim*innen, Zugewanderte und Jüd*innen sind der Studie zufolge von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffen. Wie verbreitet rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen in der Gesellschaft sind, zeigt auch die Präsenz der Alternative für Deutschland (AfD) im Bundestag (seit 2017) sowie in allen deutschen Landtagen mit zumeist zweistelligen Ergebnissen. Nicht erst die Denunziationsportale der AfD gegen Lehrkräfte zeigen Handlungsbedarf in der Auseinandersetzung mit rechten Standpunkten und Ausgrenzungsstrategien in den Schulen auf. Auch auf Aufklebern auf dem Pausenhof oder im Kontakt mit Kolleg*innen,  Schüler*innen oder Eltern können sich Lehrer*innen mit verschiedenen Facetten rechten Denkens konfrontiert sehen. Charakteristisch hierfür sind völkisch-nationalistische, rassistische, antisemitische, homo- und transfeindliche Äußerungen sowie ein reaktionäres Geschlechterverständnis.

Wie können Lehrer*innen zu einem Schulklima beitragen, in dem andere nicht diskriminiert und offen rechte Erscheinungsformen nicht geduldet werden? Hier gibt es unterschiedliche Handlungsspielräume. Neben einer entsprechenden Verankerung in der Schulordnung ist die eigene Positionierung in Gesprächen zentral. Doch wie gehe ich als Lehrer*in mit diskriminierenden und menschenverachtenden Äußerungen um? Wie verhalte ich mich im Unterricht gegenüber antisemitischen Haltungen? Wie reagiere ich, wenn im Kollegium homofeindliche Standpunkte vertreten werden? Sicher macht es einen Unterschied, ob ich Beschimpfungen auf dem Schulhof mitbekomme oder in eine Diskussion mit Kolleg*innen oder Eltern involviert bin. Entscheidend ist es unserer Meinung nach, Aussagen und Vorfälle auch im schulischen Kontext nicht zu bagatellisieren, sondern zu reagieren. Menschenverachtende Aussagen sollten nie unkommentiert bleiben, da ein Schweigen oder Abnicken als Duldung oder implizite Zustimmung gewertet werden kann. Ob ich mich hierfür auf ein Gespräch einlasse oder ob eine Grenzziehung durch eine kurze Positionierung der bessere Weg ist, gilt es, in jeder Situation neu zu entscheiden.

Die folgenden Überlegungen sind keineswegs als Patentrezepte zu verstehen, sondern als mögliche Argumentationsstrategien gegen rechte Äußerungen. Bei Parolen und Kommentaren aus dem rechten Spektrum handelt es sich zumeist um Pauschalisierungen oder eine verkürzte Wiedergabe komplexer Sachverhalte. Um dem entgegentreten zu können, ist eine Beschäftigung mit Fakten und entsprechendes Hintergrundwissen unumgänglich. Faktensammlungen und Argumentationshilfen gibt es von unterschiedlichen Institutionen wie bspw. Pro Asyl oder dem Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (siehe Linksammlung unten). Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung kann es eine weitere Gesprächsstrategie sein, sich Verbündete in der Diskussion zu suchen. Sinnvoll ist es zudem, Widersprüche aufzuzeigen und bei einer Argumentationslinie zu bleiben statt sich permanent an den Parolen des Gegenübers abzuarbeiten. Hierbei hat es sich bewährt, Aussagen zu paraphrasieren und konkret zu hinterfragen. In unserer eigenen Praxis als politische Bildnerinnen haben wir vielfach Aha-Momente von Teilnehmenden in Argumentationsworkshops erlebt, die Fragen gezielt nutzen konnten, um die Gegenseite zum Argumentieren zu zwingen. Durch beharrliches Nachfragen kann man überdies versuchen, pauschalisierende und homogenisierende Zuschreibungen wie durch das häufig gebrauchte „die“ aufzulösen. Workshops bieten einen geeigneten – wenn auch begrenzten – Rahmen, Argumente zu sammeln, sich in Diskussionen zu erproben und Erfahrungen auszutauschen.

Unabhängig von der situationsbedingten und individuellen Wahl der Strategien, möchten wir abschließend noch einmal betonen, dass es wichtig ist, eine konsequente Haltung gegen rechte Standpunkte zu beziehen. Um Lehrer*innen darin zu unterstützen, appellieren wir für eine klare Positionierung der Schulleitungen gegen Ungleichwertigkeitsdenken und Ausgrenzung, die nicht zuletzt im Selbstverständnis der Schule schriftlich dokumentiert sein sollte.

 

Zum Weiterlesen:

Material: Links gegen rechts

Aktion Courage e. V.: Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage: https://www.schule-ohne-rassismus.org/startseite/

Amadeu Antonio Stiftung: Rechtsextremismus & Rechtspopulismus: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rechtsextremismus-rechtspopulismus/

Belltower: Was können wir als Lehrer und Schüler gegen Neonazis an der Schule unternehmen?: https://www.belltower.news/was-koennen-wir-als-lehrer-und-schueler-gegen-neonazis-an-der-schule-unternehmen-29042/

Decker, Oliver/ Brähler, Elmar: Flucht ins Autoritäre. Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft, Gießen 2018.

Fakten gegen rechts: https://fakten-gegen-rechts.de/

GEW: Fragen und Antworten zu den Meldeportalen der AfD: https://www.gew.de/schule/fragen-und-antworten-zu-den-denunziationsplattformen-der-afd/

GEW: „Erlebniswelt Rechtsextremismus“: Hintergründe und Methoden zur Prävention: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/erlebniswelt-rechtsextremismus-hintergruende-und-methoden-zur-praevention/

Gloël, Rolf/ Gützlaff, Kathrin/Weber, Jack: Gegen Rechts argumentieren lernen, Hamburg 2017.

Hammerbacher, Michael: Intervention und Prävention gegen Rechtsextremismus an Schulen: http://demokratieundvielfalt.de/wp-content/uploads/2016/09/Dossier-Rechtsextremismuspraevention-an-Schulen.pdf

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.: Fakten und Argumentationshilfen um Vorurteilen gegen Geflüchtete zu begegnen: https://www.idaev.de/themen/flucht-asyl/ehrenamtliche/argumentationshilfen/

Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung: Konterbunt-App incl. Online-Version: https://konterbunt.de/

Pro Asyl (Hg.): Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile, 2017: https://www.proasyl.de/material/pro-menschenrechte-contra-vorurteile/

Rosa Luxemburg Stiftung: Haltung zeigen! Gesprächsstrategien gegen Rechts, 2017, https://www.rosalux.de/publikation/id/37599/haltung-zeigen/

ver.di Jugend: Das Portal gegen Diskriminierung:
https://www.aktiv-gegen-diskriminierung.info/

Zick, Andreas/Küpper, Beate/Berghan, Wilhelm: Verlorene Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19, Berlin 2019.

Autorinnen:

  • Claudia Czycholl ist Referentin an der Kooperationsstelle für Hochschule – Gewerkschaften an der Universität Oldenburg. Sie hat ihre Dissertation zu Fremd- und Selbstbildern von Migrant*innen in der BRD verfasst.
  •  Henriette Ullmann ist Stipendiatin im Kolleg Gender Studies an der Universität Vechta. Sie promoviert zu Chancengerechtigkeit und Diversität an Hochschulen.

Beide sind Kulturwissenschaftlerinnen und freiberufliche Trainerinnen mit den Schwerpunkten Antidiskriminierung, Diversität und Gender sowie Mitgründerinnen des Vereins Werkstatt Antidiskriminierung e.V., dem sie aktuell vorstehen.