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Kürzen und Befristen

Seit Mai letzten Jahres herrscht Unruhe an den Hochschulen in Bremen. Mit der Vorlage zum »Wissenschaftsplans 2020« machte die Senatorin für Bildung und Wissenschaft den Aufschlag zur Diskussion um die nächste Sparrunde. Über 90 Stellen sollen bis zum Jahr 2020 an den Bremer Hochschulen abgebaut, die Zahlen der Studierenden aber konstant auf hohem Niveau gehalten werden. Inzwischen hat sich die Debatte von der Landesebene an Uni und Hochschulen verlagert. Bis jetzt ohne Ergebnis, da sich insbesondere die Studierenden massiv gegen das Spardiktat von oben wehren. Die aktuellen Auseinandersetzungen können dabei nicht ohne die Ab- und Umbau-Prozesse an den Hochschulen im letzten Jahrzehnt betrachtet werden.

Hochschulgesamtplan V

Der aktuelle »Wissenschaftsplan 2020« ist bereits der sechste Hochschulgesamtplan des Landes Bremen. Mit diesen Plänen gibt das Land finanzielle Rahmenbedingungen vor und trifft mit den Hochschulen Vereinbarungen über die Schwerpunkte in Forschung und Lehre. Der Charakter der Vorgaben hat sich dabei seit dem Jahr 2000 radikal geändert. Ursprünglich wurden die Hochschulen anhand dieser Pläne ausgebaut, im neuen Jahrhundert fanden jedoch nur noch heftige Einschnitte in der Wissenschaftslandschaft statt. So wurde z.B. die Anzahl der Planstellen für Professuren an der Uni seit dem Jahr 2003 von 350 auf 235 im Jahr 2013 reduziert.

Bereits der Hochschulgesamtplan V war heftig umkämpft. Vor allem 2007 wurde die Auseinandersetzung massiv an der Uni geführt, damals hatten die Studierenden regelmäßig die Sitzungen des Akademischen Senats (AS) »gesprengt« und so eine Beschlussfassung verhindert. Es muss im Nachhinein aber konstatiert werden, dass die Strategie der senatorischen Behörde voll aufging: Indem zentral nur allgemeine Kennzahlen vorgegeben wurden, wurde der Kampf nicht in der Stadt um ein größeres Stück vom Haushalt geführt, sondern an den Hochschulen wurde darum gerungen, wessen Stelle wieder besetzt wird. Die Studierenden, die dieses unsolidarische Spiel nicht mitspielen wollten, fanden kein Gehör. Die Kürzungen folgten dabei weitestgehend einer demographischen Logik. Fächer, in denen Pensionierungen anstanden, wurden geschlossen oder dezimiert, wie beispielsweise Behindertenpädagogik oder Chemie.

Die Umsetzung der Hochschulgesamtplans V erwies sich dabei insbesondere an der Universität als schwieriger als gedacht. Der Stellenabbau, der bis zum Jahr 2010 prognostiziert war, ging bei weitem nicht so schnell vonstatten. Erst im Sommer 2014 wurde mit den Integrierten Europastudien das letzte Fach in Folge des Beschlusses vom Frühjahr 2008 abgewickelt. Auch an anderen Stellen konnte die Uni nicht so viel Personal sparen, wie vorgesehen. Sie ist schlichtweg an die Untergrenzen dessen gestoßen, was sie zum Funktionieren braucht. Folglich sammelt die Uni seit einigen Jahren ein Defizit an, weswegen das Rektorat seit Mitte 2013 nach Möglichkeiten zum Sparen sucht – bis jetzt jedoch erfolglos.

 

Die Pakte

Parallel zum Abschmelzen des Kerns der Hochschulen wuchsen sie paradoxerweise. Grund hierfür sind die verschiedenen gemeinsamen Initiativen von Bund und Ländern, die temporär den Hochschulen zusätzliche Gelder zur Verfügung stellen. Am bekanntesten ist die Exzellenzinitiative, die 2012 auch die Uni Bremen in den erlauchten Kreis der »Elite- Unis« aufnahm. Erhebliche zusätzliche Gelder brachte außerdem der Hochschulpakt, mit dem der Ausbau von Studienplätzen sichergestellt wurde. Besonders die Hochschule Bremen hat von diesem Pakt profitiert und ihre Studierendenzahlen massiv erhöht. Dies war politisch gewollt, da an der Uni parallel Studienplätze verloren gingen, das Land aber so insgesamt seine Ausbildungsverpflichtung einhalten konnte. 2007 als einmalige Sondermaßnahme für drei Jahre geplant, wurde dieser Pakt inzwischen bis 2020 verlängert. Aus einer kurzfristigen Hilfe des Bundes wurde also ein mittelfristiges Projekt. Exzellenz-Initiative und Pakt sind dabei die größten, aber nicht die einzigen Sonderprogramme, mit denen der Bund die Hochschulen mitfinanziert, die inzwischen von diesen staatlichen Projektmitteln abhängig sind. Bund und Länder verabschieden sich so aus der Verantwortung, den Hochschulen dauerhafte Perspektiven für ihre Arbeit zu liefern.

Die Hochschulen in Bremen stellt dies vor widersprüchliche Ansprüche: einerseits sollen sie mittelfristig ihre Grundhaushalte verkleinern, damit verbunden Fächer streichen und den Grundstock an Studienplätzen abbauen. Gleichzeitig sollen sie kurzfristig erheblich mehr Studierende versorgen, als ihre Grundausstattung vorsieht. Ausbaden müssen dieses Paradox die MitarbeiterInnen an den Hochschulen, deren Situation inzwischen fatal ist. Sie bekommen nur noch Kurzzeitverträge, maximal für die Laufzeit eines Paktes. In Deutschland hat sich dadurch ein akademisches Wanderprekariat gebildet, das von Hochschule zu Hochschule zieht, um vorübergehende Projektmittel mitzunehmen.

 

Wissenschaftsplan 2020

Der Widerspruch zwischen schrumpfendem Kern und wachsenden Aufgaben wird nun durch den »Wissenschaftsplan 2020« erneut verstärkt. Besonders der Universität und der Hochschule Bremen wird wieder eine Absenkung der Anzahl festangestellter MitarbeiterInnen bei weiterhin hoher Studienkapazität auferlegt.

An der Uni müssen bis 2020 10 Millionen Euro gespart werden. Zur Disposition steht der Studiengang Psychologie, eines der großen und beliebten Fächer. Auch diese Kürzung ist wieder rein demographisch motiviert, bis 2020 verlassen alle ProfessorInnen des Faches die Uni. Spareffekt: 2 Millionen Euro. Zusätzlich liegt eine umfangreiche Sparliste vor, die an verschiedenen Studiengängen und Forschungsinstituten Kürzungen vorsieht. Aktuell umfasst die Liste aber nur Einsparungen über 5,8 Millionen Euro. Es bleibt immer noch eine Finanzierungslücke – die Uni ist schlichtweg am Ende dessen angekommen, was aus ihr rauszupressen ist. Verzweifelt hat das Rektorat schon nach Studiengebühren gerufen, zum Glück ohne Gehör zu finden. Beschlossen wurde bis jetzt jedoch nichts, denn seit Dezember verhindern Studierende wieder eine Sitzung des AS nach der anderen.

Bemerkenswert an den Sparvorschlägen ist, dass die Vorstellung der Universität Bremen als breit aufgestellte Forschungsuniversität aufgegeben wird. Im erfolgreichen Antrag zur Exzellenzinitiative hatte man versprochen, gerade die bisher schwächeren Forschungsbereiche gezielt zu fördern und so eine Exzellenz über die gesamte Uni hinweg zu erreichen. Von diesem Ziel hat man sich nun in Behörde und Rektorat verabschiedet, eine Verengung auf das Kernprofil der Uni wird angestrebt. Ob man damit aber noch einmal den Status als Exzellenz-Uni sichern wird, ist zu bezweifeln.

Auch die Hochschule Bremen wird unter dem Schlagwort der Profilschärfung verkleinert. Der Kapazitätsausbau ging zu weit, urteilt das Land, man müsse nicht Studiengänge für vielfältige Interessen anbieten. So sieht also der Dank dafür aus, dass die Hochschule durch massives Wachstum überhaupt dafür gesorgt hat, dass das Land seine Zusagen im Hochschulpakt eingehalten hat. Von den Einsparungen sind besonders die wirtschafts- und geisteswissenschaftlichen Fächer betroffen. Volkswirtschaft wurde bereits im Dezember 2014 per AS-Beschluss gestrichen, die anderen Fächer der WiWi-Fakultät sollen erhalten bleiben, aber in der Lehre enger zusammen arbeiten. Für die Studierenden bedeutet dies wohl Massenvorlesungen statt kleiner Kurse. Das Fach Politikmanagement wurde gegen den Vorschlag der Behörde erst einmal am Leben gehalten, umkämpft ist der Studiengang Journalistik. Während das Rektorat diesen abräumen möchte, wehren sich auch hier die Studierenden und haben an der Hochschule ebenfalls eine Sitzung des AS blockiert und so eine Beschlussfassung erst einmal aufgeschoben.

 

BAföG-Millionen

Aberwitzigerweise findet diese Debatte statt, während dem Land Bremen mehr Geld zur Verfügung steht. Seit Januar trägt der Bund alleine die Kosten für das BAföG und hat dadurch die Länder entlastet – unter der deutlichen Aufforderung, mit diesem Geld die Grundhaushalte der Hochschulen zu stärken und die unsägliche Praxis der Kettenverträge für wissenschaftliches Personal einzudämmen.

In Bremen stehen 17 Millionen Euro zusätzlich im Jahr zur Verfügung, von diesen kommen jedoch nur drei Millionen in den Grundhaushalten der Hochschulen an. Sieben Millionen gehen an die Schulen, mit drei Millionen soll marode Bausubstanz saniert werden. Es bleiben vier Millionen Euro, deren Verwendung unter den Bedingungen der aktuellen Kürzungen skandalös ist. Für diese Summe soll ein Zukunftsfond für neue Projekte in der Hochschullehre gebildet werden, wieder nur zeitlich befristet. Dass angesichts der aktuellen Situation erneut Projektstellen geschaffen werden, statt mit dem Geld die bedrohten Fächer dauerhaft zu retten, ist absurd und eine Bevormundung der Hochschulen, deren Autonomie sonst immer so betont wird.

 

Aussichten

Zumindest bis Redaktionsschluss standen an den Hochschulen die Kürzungsbeschlüsse aus. Es bleibt zu hoffen, dass die Rektorate der Hochschulen die Sparmaßnahmen noch nicht in Kraft setzen. Vielleicht können die Studierenden an den Hochschulen mit ihrer Forderung Gehör finden: sie wollen das interne Gerangel um die zu knappen Mittel beenden und gemeinsam mit den Angehörigen aller Studiengänge solidarisch für eine volle Ausfinanzierung der Hochschulen durch das Land streiten. Schaffen es die Hochschulen, ihre Unterfinanzierung zu einem Thema im Bürgerschaftswahlkampf zu machen, können sich auch im knappen Bremer Haushalt noch Spielräume auftun.