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Krieg und Frieden

„Es gibt aber keinen Staat, der zentral verantwortlich war“, sagte der britische Historiker Christopher Clark in einem taz-Interview zu den Ursachen des Ersten Weltkrieges; „verantwortlich waren damals die Männer in den Exekutiven. Es waren ja ausschließlich Männer“. [taz 9.10.2013] Zwar relativiert er diese Position in seinem Buch „Die Schlafwandler“, indem er die Kriegsbereitschaft der zuständigen Politiker auf eine „Krise der Männlichkeit“ zurückführt und diese sozialhistorisch erklärt [Christopher Clark: Die Schlafwandler, München 20134, S. 464Ff]; trotzdem fragt sich, ob Frauen in vergleichbaren Funktionen anders gehandelt hätten. Die Frage ist kaum zu beantworten. Tatsache aber ist, dass gegenwärtige Kriege weitgehend von Männern entschieden und geführt werden und „Frauen bei der Lösung von Konflikten bis heute kaum beteiligt (sind)“.[ Marc Engelhardt: Starke Frauen für den Frieden, Freiburg/ Breisgau 2011, S. 149] Tatsache ist auch, dass Frauen, Alte, Kinder spätestens seit dem Koreakrieg (1950-53) mehr Tote und Verwundete aufzuweisen haben als Militärs und dass dieser Gegensatz von Krieg zu Krieg größer wird.

Frauen gingen wiederholt gewaltfrei gegen kriegerische Gewalt vor

Für einen Dritten Weltkrieg hat man schon Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts den Anteil der Zivilisten „auf 98% von 300 Mill. Toten“ geschätzt [F. Vilmar: Rüstung und Abrüstung im Spätkapitalismus, Frankfurt/M. 1969, S. 203]; und Tatsache ist, dass Frauen wiederholt gewaltfrei gegen kriegerische Gewalt vorgegangen sind. So fuhren Russinnen an die russisch-tschetschenische Front, um ihre Söhne nach Hause zu holen;[Irena Brezna: Unbärtig und leise, Freitag 23.10.2006]
Liberianerinnen demonstrierten auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs im Juli 2003 in Monrovia, „traten in den Hausarbeits- und Sexstreik und setzten die Verhandlungsparteien unter Druck – so lange, bis der Frieden beschlossene Sache war“ [Ziviler Friedensdienst, Oktober 2011, S.1 ], und Ukrainerinnen verbrannten im Juli 2014 die Einberufungsbescheide ihrer Söhne und Ehemänner „und blockierten Straßen, Ämter und Kasernen.“ [Aufschrei der Soldatenmütter, WK/BN 1.8.2014] Darüber hinaus gingen die Teilnehmerinnen der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking strategisch vor. Ein Jahr nach dem Genozid in Ruanda und den bosnischen Vergewaltigungscamps stellten sie die Erfahrungen von Frauen in Kriegsgebieten in einer „Aktionsplattform“ zusammen und forderten ihre Beteiligung an Verhandlungen über „Konfliktprävention und Friedensaufbau“[ Gunda-Werner-Institut (Hg.): Hoffnungsträger 1325, Königstein/Taunus 2008, S.33]
. Diese Forderungen führten, unterstützt von Nichtregierungsorganisationen und UN-Mitgliedsstaaten wie Bangladesch und Namibia zur UN-Resolution 1325, die am 31. Oktober 2000 im Sicherheitsrat einstimmig beschlossen wurde. Die Resolution, die sich auf die „Aktionsplattform“ der Weltfrauenkonferenz von Peking bezieht, „fordert“ im ersten der 17 Absätze „die Mitgliedsstaaten eindrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Frauen in den ... Institutionen ... zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen stärker vertreten sind“. In den weiteren Absätzen wird diese Forderung konkretisiert, wobei immer wieder die „Geschlechterperspektive“ im Mittelpunkt steht.[ S. Anm.8, S. 248-253]

 

 

 

Seit 2000 gilt Vergewaltigung als Kriegsverbrechen

Die Resolution 1325 hatte 8 bzw. 9 Jahre später drei weitere Beschlüsse zur Folge, die sexuelle Gewalt im Krieg behandeln: die Resolutionen 1820, 1888 und 1889. Durch 1820 gilt Vergewaltigung im Kriege erstmals als Kriegsverbrechen!
Wie alle UN-Resolutionen sind auch diese völkerrechtlich verbindlich. Infolgedessen haben Mitgliedsstaaten „Aktionspläne“ zur Umsetzung beschlossen; die ersten waren Dänemark (2005), Großbritannien, Norwegen, Schweden (2006), Schweiz, Österreich, Niederlande (2007), Spanien, Island (2008). In der BRD hat erst ein „Frauensicherheitsrat“, der sich 2003 „zur beschleunigten Umsetzung der UN-Resolution 1325“ gegründet hat [ Frauensicherheitsrat/BRD – Flyer (e-mail: )], dazu geführt, dass seit Dezember 2012 ein deutscher „Aktionsplan“ vorliegt. Aber bis 2011 waren von 193 Staaten nur 23 tätig geworden und „an Friedensverhandlungen nahmen durchschnittlich weniger als 8% Frauen teil“. [Frauensolidarität/terre des femmes Nr. 1 2011, S.10] Auch werden Vergewaltigungen in Friedensverträgen nur selten thematisiert und zu Verurteilungen kommt es kaum. Die Gründe dafür sind zahlreich: Die Resolution 1325 enthält keine Geschlechterquote; es gibt keine Fristen für die Umsetzung; die Erfassung notwendiger Daten sowie die Finanzierung sind mangelhaft. Im Ersten Weltkrieg trafen sich Frauen aus kriegführenden Nationen 1915 in Bern und Den Haag. Die Haager Konferenz schickte Deputationen an „die Regierungen der Welt,...dem Blutvergießen ein Ende (zu) machen und einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schließen“; die Frauen in Bern wollten eine „internationale Friedensaktion ... in die Wege...leiten“ [Zit. Ute Gerhard: Unerhört – Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Hamburg 1990, 315, 321]: beide Initiativen scheiterten. Es ist zu hoffen, dass die Umsetzung der UN-Resolution 1325 irgendwann erfolgreicher sein wird.

 

 

 

Die Autorin

  • Romina Schmitter ist Lehrerin i.R. Und im Verein Bremer Frauenmuseum