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Juristischer Kuschelsex reicht nicht

Fake News und ihre Verhinderung: Die Politik muss mutiger agieren.

Bei der Forderung nach Strafen für Fake-News-Verbreiter fehlt die Präzision: Dem Unternehmen Facebook ist Tür und Tor geöffnet worden. Die Politik hat zu viel Rücksicht auf ihr Geschäftsmodell genommen - dabei hat das Netzwerk auch eine publizistische Verantwortung.

Zeitungsverleger, die sagen, „es ist mir egal, was in meiner Zeitung steht“, das geht nach deutschem Recht auch nicht. Wir haben da eine andere Rechtskultur und auch Rechtstradition als Facebook sie mitbringt. Dem Unternehmen geht es vor allem ums Geld. Es ist ein Geschäftsmodell. Je bescheuerter die Meldung ist, die ich mir ausdenke,  - die ist zwar nicht wahr, aber es wäre doch schön, wenn es wahr wäre - desto eher kann jemand Geld verdienen damit, indem er viele Leute auf seine Seite lockt, wo sie dann Werbung sehen, und damit funktioniert das Ding.

Das ist ja auch ein unterschätzter Anteil an dieser Welle von Fake News. Da wird dann schnell geheimnist, ob es jetzt dieser Geheimdienst oder jener verbrecherische Diktator ist, der seine Trolle losschickt in Trollfabriken, um Meldungen zu erfinden. Das gibt es ganz sicherlich auch, haben wir ja auch im US-Wahlkampf aus beiden Richtungen erwähnt.

Eine Löschung von falschen Meldungen dauert bei Facebook mitunter Tage. Ein Beispiel: Renate Künast konnte ja zum Beispiel nachweisen, dass seit Tagen bei Facebook ein Zitat von ihr, ein angebliches Zitat aus einer angeblichen "Süddeutschen Zeitung" weitergereicht wurde, das nicht existierte, und Facebook hat Tage gebraucht, darauf zu reagieren. Was soll umgekehrt ich denn noch mehr tun, als zu sagen, ich bin derjenige, dem das Zitat zugeschrieben wird, ich habe das nicht gesagt, Sie können mir auch nicht beweisen, dass ich es gesagt habe, nun löschen Sie es bitte. Da finde ich die Position von Facebook überkomfortabel, dass sie dann sozusagen aus der Prunkkutsche sich huldvoll herabbeugen können und dem schmutzigen Politikerchen sagen können, na gut, wollen wir mal nicht so sein, löschen wir es halt.

Die bisherigen Maßnahmen von Bundesjustizminister Heiko Maas sind wenig effektiv. Er hat ja versucht, Facebook ein bisschen Selbstkontrolle nahezulegen, offenbar in der Erkenntnis, dass er juristisch keinen Hebel hat, oder dass er Schiss davor hat, dass Facebook dann sagt, so, liebe Millionen User in Deutschland, ihr könnt jetzt nicht mehr Nachrichten verschicken, weil der böse Heiko Maas uns so geärgert hat. Die Politik muss sich da mutiger machen, statt jetzt meinetwegen nur zu sagen, wir bestrafen dann die Leute, die da rumfaken. Klar, das ist auch nicht besonders nett.

Den Vorschlag von Thomas Oppermann (SPD), Medien, Verbände und Politik sollten beim Kampf gegen Fake News zusammenarbeiten, ist zu fromm. Ob jetzt gerade derjenige, der einen kritischen Kommentar schreibt, sagt: Mensch, da rufe ich mal beim Oppermann an und frage, ob ihm das gefällt. Das ist ein bisschen naiv, oder?

Auch der Journalismus selbst ist für das Entstehen der Fake-News-Problematik mitverantwortlich. Ein Beispiel: Wir haben in jedem Herbst jetzt seit mehr als zehn Jahren die Bundestagsabstimmung, Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes, und dann melden wir, mit über 70 Prozent fraktionenübergreifend und so weiter, tolle Sache, ist beschlossen. Eine Woche darauf kommt die Umfrage von Forsa, RTL und "Stern". Da steht drin, 70 Prozent der Bundesbürger sind dagegen. Und diese Dissonanz, dass wir uns ständig fragen müssen, sind wir als Journalisten diejenigen, die herausfinden, was die Menschen draußen interessiert und bewegt, und besorgen wir es den Mächtigen, berichten wir sozusagen von unten nach oben, ist unser Auftraggeber die Bevölkerung, oder ist es umgekehrt eher ein Dolmetscher-Job, die Politik will hier lang oder da lang und das verstehen die Leute nicht und deswegen werden wir es ihnen schon beibringen. Diese Unklarheit in der Journalistenbranche selber hat doch erst die Tür aufgemacht dafür, dass Leute losgehen, und sagen, die Meldung stimmt zwar nicht, aber wäre doch schön, wenn, und sich die Meldung selber ausdenken. Diese Unklarheit hat dazu geführt, dass eine Kluft entstanden ist, die "Rattenfänger" sich zu eigen machen konnten. Das ist ein dunkelrotes Alarmlicht.

Die Branche hat in den vergangenen Jahren Politik mit Parteipolitik verwechselt. Die Frage „Was ist denn die Sache der Öffentlichkeit, die res publica?“, die haben wir Journalisten uns bei den Parteien und Gremien abgeholt und nicht bei den Menschen draußen. Es ist halt gemütlicher und sicherer, parteipolitische Agenden abzuklappern, als herauszufinden, was die Bevölkerung will.

Friedrich Küppersbusch

ist JournalistAutor, Fernsehproduzent und Ex-Moderator der ARD-Politsendung ZAK. Für seine Arbeit erhielt er den Grimme-Preis. Er schreibt wöchentliche Kolumnen unter anderem in der taz und im Nordwestradio. Anfang 2009 sollte er Intendant von Radio Bremen werden, was er jedoch ausschlug.