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Jungencoaching an der Gesamtschule Bremen Ost

Finanziert über das Bildungs- und Teilhabepaket(BuT) der Bundesregierung, bietet die Gesamtschule Bremen Ost seit April 2012 ihren männlichen Schülern ein Coaching an. Es findet im Rahmen der Schulsozialarbeit statt und wird in Einzelsettings vom Autor durchgeführt, der eine Zusatzqualifikation als Jungenarbeiter hat. Das Konzept wurde von ihm in seiner jahrelangen Jungenberatungstätigkeit entwickelt. Das Angebot richtet sich an Schüler, die durch verschiedenartige Verhaltensweisen auffallen. Beispielsweise Jungen, die sich aggressiv oder gewaltbereit zeigen, und auch Jungen, die still, zurückgezogen und isoliert wirken, können das Coaching für sich nutzen.

Das Jungencoaching ermöglicht jedem einzelnen Jungen ein positives Selbstwertgefühl, Handlungsalternativen und Konfliktkompetenz zu erwerben.

Ziel des Angebotes ist, dem Jungen durch Wertschätzung und Erfolgserlebnissen in seiner individuellen Persönlichkeit zu stärken, sodass er sich für ein friedfertiges Leben entscheiden kann.

Jeder Junge erhält 15 Einzeltermine für sich und 5 für die Eltern oder Erziehungspersonen. Der Junge erscheint regelmäßig einmal wöchentlich. Um Hemmschwellen möglichst niedrig und die Motivation hoch zu halten, finden die Einzelberatungen während des Vormittages statt.

Nach einem Erstgespräch können die Jungen sich für oder gegen eine Teilnahme entscheiden.

Worin besteht die praktische Arbeit mit den Jungen? Das Jungencoaching ist ein Mix aus Gesprächen, Übungen, (Rollen-)Spielen und Körperarbeit, zu Themen, wie z.B. Sensibilisierung, Selbstbehauptung, Kräfte messen, Geschicklichkeit und ganz besonders die Lebenswelt der Jungen.

Grundsätzlich ist das Coaching individuell, prozess- und ressourcenorientiert ausgerichtet. Es ist kein starres Programm und in seinem Ablauf flexibel. In dem jungenspezifischen Setting sind Gefühle wie Wut, Angst oder Ärger genauso willkommen wie beispielsweise Traurigkeit, Liebe oder Freude.

Spaß und Humor erwünscht! Aufwerten statt abwerten! Für das Liebevolle im Jungen!

Nach einem Jahr Jungencoaching an der GSO sind die Erfahrungen überwiegend positiv. Von sieben möglichen Plätzen sind alle belegt. Bald werden die Plätze auf neun erweitert. Ca. 95 % der Jungen entscheiden sich nach dem Erstgespräch für eine Teilnahme. Die meisten kommen gern zu ihren Coachingstunden. Unbeobachtet von anderen Jungen, ohne Darstellungszwänge gegenüber Mädchen und ohne männliche Konkurrenzstrukturen öffnen sich viele Jungen schneller als in der Gruppe. Ein Junge sagte bei seinem 15. und letzten Termin, dass er sein Ziel erreicht hätte. Sein Verhalten wäre nicht mehr so laut und aggressiv. Er würde auch zu Hause merken, dass er viel ruhiger geworden ist. Das Jungencoaching hätte dafür eine wichtige Rolle gespielt. Die Gespräche fand er besonders hilfreich. Der Junge hatte das Gefühl reifer geworden zu sein.

Sein Eindruck wurde von den Eltern, der Klassenlehrerin und seiner Sozialpädagogin geteilt. Auch im Unterricht wäre es sehr viel angenehmer mit ihm. Davon würde die ganze Klasse profitieren.

Die Eltern nehmen ihre Termine verlässlich wahr. Einige Väter erzählen aus ihrer eigenen Jungengeschichte. Dieses „teilhaben lassen“ ist für viele Jungen neu und kann sich auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn unterstützend auswirken.

In der Schule ist das Konzept des Jungencoachings besonders gut aufgehoben und als Teil der Inklusion zu verstehen. Die internen Wege zu den Kolleg_innen sind kurz und effektiv. Die Eltern müssen nicht erst beim Jugendamt „Hilfe zur Erziehung“ beantragen, was für viele eine Hemmschwelle bedeutet. Falls eine Familienhilfe schon in der Familie aktiv ist, wird mit dem jeweiligen Träger und den Fachkolleg_innen eng kooperiert.

Die Finanzierung der Schulsozialarbeiterstellen durch den Bund ist bis Dezember 2013 befristet. Eine Verlängerung ist ungewiss. Es gibt noch viele andere „unbezahlbare“ Projekte, die von den Schulsozialarbeiter_innen im Laufe der ersten 1,5 Jahre mühe- und liebevoll aufgebaut wurden. Diese speziellen Unterstützungsformen können normalerweise ausschließlich vom Amt für soziale Dienste vermittelt werden. Fallen die Stellen weg, ist es für die Schulen finanziell nicht leistbar, solche wichtigen Projekte in Zukunft extern einzukaufen. Es wäre eine verpasste Chance mehr pädagogische Qualität in die Bildungslandschaft zu integrieren und ein Verlust u.a. für die Schüler_innen, die Eltern, die Bremer Schulen, die Stadtteile und natürlich für die Schulsozialarbeiter_innen selbst. Deshalb ist es im Interesse aller, dass dieser wichtige Arbeitsbereich fortgeführt werden kann.

Auch für die Nachhaltigkeit des Jungencoachings wäre eine Fortsetzung der Finanzierung dringend erforderlich. Es könnte sich dauerhaft positiv auf die Berufs- und Lebensplanung der Jungen sowie auf die gesamte Schulatmosphäre auswirken.