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Mitbestimmung

Informationen nur tröpfchenweise

Personatrat Schulen: Mitbestimmung in der Corona-Krise ist kein Luxusgut

Seit 16. April bin ich Vorsitzende des neu gewählten Personalrats. Ich freue mich über das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen an den Schulen und meiner Mitstreiter*innen im Personalrat. Ich möchte die beginnende Amtsperiode nutzen, um Klartext zu reden über die „Kultur“ von Beteiligung in der Bildungsbehörde und so manchen Missstand, der in der aktuellen Corona-Krise wie in einem Brennglas besonders deutlich wird.

Beteiligung ist kein Luxus

Bürgermeister Bovenschulte hat am 15. April bei buten un binnen zum Wiedereinstieg in den Schulbetrieb gesagt:

Ich kann versprechen, dass natürlich die Betroffenen und die Beteiligten intensiv in diese Diskussion einbezogen werden. Das ist auch die ganz klare Absicht der Bildungssenatorin.“

Leider hat das mit der Realität nur sehr wenig zu tun – im Gegenteil. Die Beteiligung scheint eher als Luxus angesehen zu werden, auf den man auch mal verzichten kann. Und für manch einen ist das vielleicht auch eine willkommene Gelegenheit, lästige Wege und Fristen, die Beteiligung und Mitbestimmung mit sich bringen, schlank zu umschiffen. Wir als Interessenvertretungen erfahren vieles erst, wenn wir keinen Einfluss mehr nehmen können - oder aus den Medien, oder gar nicht. Wir werden das nicht länger hinnehmen und notfalls die Gerichte bemühen.

Digitalisierung Privatsache?

Wenn ich höre, wie Politiker, Eltern oder Passanten sich darüber auslassen, wie unmöglich es doch sei, dass viele Lehrkräfte jetzt nicht mit digitalen Plattformen arbeiten und überhaupt der Digitalisierung hinterherhinken, werde ich wirklich zornig.

Wie wäre es denn, wenn sich die oben Genannten einmal in gleicher Lautstärke dafür einsetzen, Lehrkräfte endlich entsprechend auszustatten? Stattdessen dürfen wir uns auf Privatkosten Computer, Drucker, Software etc. kaufen und erhalten nicht einmal Support und Ersatz vom Arbeitgeber, wenn etwas nicht funktioniert. Und wie wäre es mit einer Initiative der Schulleitungen für die digitale Ausstattung ihrer Kollegien? Und wie wäre es, wenn endlich für ausreichend Fortbildung zu digitalen Themen gesorgt wird? Und wie wäre es, wenn endlich überhaupt einmal damit begonnen wird Rahmenlehrpläne zur Digitalisierung in den Fächern zu erstellen?

Stattdessen wird wieder eine typisch bremische „Qualitätsvariante“ gewählt: Jede Schule erstellt ihre eigenen schulinternen Curricula - später gibt es dann vielleicht den Rahmenlehrplan. Dann wäre alles für die Tonne, und zwar wieder einmal ohne Entlastung, versteht sich. Das ist einfach nur frech!

Tröpfchen-Desinfektion

Seit Wochen fordern wir die Bildungsbehörde auf, Pläne vorzulegen, wie die Abstands- und Hygienevorschriften in der Schule umzusetzen sind. Tröpfchenweise, unübersichtlich und viel zu spät kommen dazu Informationen, die an manchen Stellen die Entscheidungen, und damit die auftretenden Probleme, auch noch in die Schulen verlagern. So sollten sich die Schulen, in denen Abiturprüfungen stattfinden, Mittel zur Desinfektion selbst bedarfsgerecht bestellen. Aber falls Desinfektionsmittel dann nicht in ausreichend vorhanden sind, hat die Behörde wenigstens eine Lösung: 

„Sollten Desinfektionsmittel knapp werden, erfolgt eine Güterabwägung in Würdigung der verfügbaren Ressourcen.“

Was soll das denn bitte heißen? Wir haben nichts mehr, ja dann: Prüfung geht vor, Hygiene egal? Und wie sieht es aus mit Mund-Nasen-Schutz, Handschuhen und Schutzkleidung?

Bisher Fehlanzeige. Es wird auf die Einhaltung der Abstände als ausreichende Maßnahme hingewiesen. Wie das im Mai mit Schüler*innen der jüngeren Jahrgangsstufen oder Kindern mit speziellen Förderbedarfen, die zum Teil auch eine hygienische Versorgung benötigen, funktionieren soll, bleibt rätselhaft. Ebenso rätselhaft bleibt, wie Risikogruppen definiert sind und wie deren Gesundheitsschutz gewährleistet werden kann. Hier wartet Bremen weiterhin auf bundesweite Regelungen, während andere Bundesländer längst Definition getroffen haben. Wir erhalten derzeit extrem viele Anfragen besorgter Kolleg*innen, die endlich Klarheit brauchen und verdienen, wie es für sie weiter geht.

Wahlrecht oder Wahlpflicht?

Am Schluss noch ein paar Worte zu den Personalratswahlen. Die standen durch die Schulschließungen zwei Tage zuvor unter keinem günstigen Stern. Wir haben versucht eine Verschiebung zu erreichen, um im Anschluss eine Briefwahl durchzuführen, damit niemand ausgeschlossen wird. Der Senat, in dessen Befugnis das lag, hat sich anders entschieden. Anstatt aber nun die Wahl so zu ermöglichen, dass sie kein gesundheitliches Risiko für die Beschäftigten darstellt, haben sich diverse Schulleitungen dazu verstiegen, sich gegen die Durchführung der Wahlen zu positionieren, und einige haben das zum willkommenen Anlass genommen, auf den Personalrat zu dreschen, indem sie behaupteten, der riskiere Leib und Leben der Beschäftigten, weil er auf den Wahlen beharre. Ich dachte, wir hätten hier in Deutschland ein Wahlrecht – ein wertvolles demokratisches Gut, auf das man nicht leichtfertig verzichten sollte - und keine Wahlpflicht.