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Informationen des Stadtverbandes Bremerhaven 9 / 2015

So sieht´s aus! - Rückmeldungen aus den Schulen Auf unserer Sitzung der BG-Sprecher*innen und Schulleiter*innen zur Einschätzung des Starts in das neue Schuljahr waren am 9. September 25 der 37 Bremerhavener Schulen vertreten. Dies erlaubt eine realistische Einschätzung.

Zunächst einige Fakten:

  • Laut Statistik des Schulamtes werden in diesem Sommer 922 Kinder in die ersten Klassen eingeschult. Im Jahre 2010 betrug die Zahl 787, das bedeutet eine Steigerung um 17,2 %;
  • die gleiche Quelle weist 912 Jugendliche aus, die in den fünften Jahrgang eintreten. Im Vergleich zu 2012 ist dies ein Zuwachs von 9,1 %.

Ein „demographischer Gewinn“, mit dem die Schulreform finanziert werden sollte, ist weiterhin nicht in Sicht. Die zu diesem Zweck veröffentlichen Prognosen bleiben falsch.

  • In Bremerhaven haben zum 1.8.2015 insgesamt 28 Referendar*innen ihren Vorbereitungsdienst angetreten. Verglichen mit dem Beschluss der Deputation für Bildung, der 40 Ausbildungsplätze vorsah, sind damit 12 Plätze nicht besetzt, also nahezu 1/3.
  • Im Bundesland insgesamt sind 40 (der 180 vorgesehenen) Plätze nicht besetzt.

Die Wichtigkeit „eigener“ Referendar*innen für die Personalgewinnung ist unumstritten. Werden nicht alle Plätze ausgeschöpft, so verschärft dies die Situation an den Schulen.

  • Bei der Gewinnung von Kolleg*innen mit bestimmten Qualifikationen ist der Hinweis nicht überraschend, dass es keine Bewerbungen mit DAZ gibt. Die Nachlässigkeiten vergangener Jahre rächen sich. Neu ist der Trend, dass Stellen im Grundschulbereich bis zu Schuljahresbeginn nicht besetzt werden können.

Rückmeldungen aus den Schulen

Aus den Schulberichten werden folgende Entwicklungen sichtbar:

  1. Die personelle Situation an den Schulen bleibt angespannt. Von einer Vollversorgung kann keine Rede sein.

Mehrere Schulvertreter*innen berichten von Fehlstunden bis zu einer Stelle, von zugesagten Lehrkräften, die im Laufe der nächsten Wochen kommen (sollen), von fehlenden Vertretungen für Langzeiterkrankungen. Hier zeigt sich der Mangel im System: „Es gibt keine Reserven“.

  1. Es ist weiterhin nicht möglich, alle Stellen mit Kolleg*innen mit zweitem Staatsexamen zu besetzen.

Viele Schulen berichten von Kolleg*innen ohne 2. Staatsexamen, welche auf den Stellen arbeiten. In Spitzen umfasst dies 20 % des Personals. Diese Kolleg*innen leisten engagierte Arbeit und ihr Einsatz ist mit Respekt hervorzuheben. Allerdings werden sie sofort ins Referendariat wechseln, wenn sie eine Ausbildungsstelle bekommen, auch wenn sie als Klassenlehrer*in eingesetzt sind. Diese Fluktuation ist nicht lernförderlich.

Außerdem fehlt es an Fachqualifikation, für Elektrotechnik ist niemand in der Ausbildung. Weitere Mangelsituationen liegen vor allem in Sonderpädagogik und DAZ vor. Gefordert werden Maßnahmen des Landes, diese Mängel endlich wirkungsvoll zu beheben. Gelobt wird die gute Aufnahme der Neueingestellten durch das Schulamt. Unterlaufen werden die guten Ansätze aber dadurch, dass manche Verträge erst zum 1.9. beginnen, wenn Veranstaltungen zur Einführung in das Schulsystem und Absprachen in den Schulen längst begonnen haben.

  1. Die Situation der zugewanderten Kinder und Jugendlichen bedarf deutlich größerer Unterstützung als bislang gewährt. Dies bezieht sich auf psychologische Betreuung, alltägliche Hilfen auch für Eltern, Dolmetschertätigkeiten und zügiges Vorgehen bei der Eingliederung dieser Menschen, damit ihnen das Leben in ungewohnten kulturellen Zusammenhängen gelingt. Die Schulen nehmen diese Aufgabe mit großer Sympathie für die Menschen an, gerade wenn ¼, 1/3 oder fast die Hälfte der Erstklässler ohne Deutschkenntnisse kommen. Aber auch die politischen Stellen haben ihren Anteil zu leisten. Vor langer Zeit wurden z.B. Kinder von so genannten Spätaussiedlern 1,5-fach gezählt. Diese Regelung muss auch für die Zuwanderer heute gelten.
  2. Die Anzahl der Kinder pro Klasse steigt.

Die in den Schulentwicklungsplänen zugesagten Frequenzen (Primarstufe: 22, Klasse 5: Eingangsfrequenz: 21 + 1 Platz für „Zuzüge“) wird vielfach überschritten. Klassengrößen von 24 und 25 Schüler*innen sind keine Ausnahme. Dies wurde schon zu Beginn des Schulreformprozesses als nicht akzeptabel eingeschätzt. In der heutigen Situation gestiegener kultureller Vielfalt erst recht nicht.

  1. Die Raumnot nimmt zu.

An manchen Standorten geht es um eine zu geringe Zahl von Räumen, so dass weiterer Schulraum benötigt wird. Aufgeworfen wird die Frage, an welchen Stellen der Stadt neue Schulen zu bauen sind. Betont wird aber auch die zu geringe Größe mancher Klassenzimmer mit Bezug auf Anforderungen zeitgemäßer Pädagogik. Dazu sind umfangreiche Umbaumaßnahmen nötig.

  1. Schule findet nicht nur im Klassenraum statt.

Die geschilderte Situation macht die Bedeutung von Schulsozialarbeit deutlich. Zum Jahresende laufen mehrere befristete Verträge aus, die Zukunft ist ungewiss. Die wachsende Fülle an Aufgaben ist so schon „unschaffbar“.

Keine Vertretungen gibt es außerdem für das Geschäftszimmer oder Externenförderung. Diese Kolleg*innen benötigt man aber für eine funktionierende Schule!

  1. Die Ganztagsschule gerät unter Druck.

An mehreren Schulen läuft die Ganztagsschule nur mit einem Notprogramm. Hintergrund sind neue Verträge, welche die Honorarkräfte in eine Scheinselbständigkeit treiben. Durch die fehlende Gemeinnützigkeit des Trägers können diese Kräfte keinen Freibetrag geltend machen. Das bescheidene Honorar von 14,06 Euro (einschließlich Vor- und Nachbereitung) muss versteuert werden, dies bedeutet Einbußen von 20-25 %. Die Zukunft des Ganztagsangebots ist offen! Eine von Senatorin Bogedan angekündigte Erweiterung ist unrealistisch, da es schon jetzt Kolleg*innen gibt, die diese Verträge nicht akzeptieren. Dies wird sich auch auf die Vertretung durch Betreuung in der Grundschule auswirken. Zudem ist die „Pro-Kopf-Pauschale pro GTS-Kind“ seit 2001 kaum erhöht worden (1.150 Euro).

Der Magistrat ist gefordert, die GTS-Gelder deutlich zu erhöhen.

Alles in allem existiert kaum Zeit, drängende pädagogische Arbeit umzusetzen. Ebenso bleibt es dem individuellen Engagement der Kolleg*innen überlassen, für die Perspektive der Schulen wichtige Aufgaben wie die aktive Gestaltung des Generationenwechsels durch Einarbeitung in die Teams umzusetzen. Die Kollegien arbeiten an der Belastungsgrenze. Da reicht es bei den politischen Entscheidungsträgern nicht, alles, was mit Geld zusammenhängt, zu verdrängen.