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Schwerpunkt

„Ich arbeite in ständiger Angst“

Gespräch mit den Pädagogischen Mitarbeiterinnen Susanne Brunswick und Dorothea Klose

Susanne Brunswick und Dorothea KLose (Foto: Karsten Krüger)

Wie hat Corona euren Berufsalltag verändert?

Dorothea Klose: Das soziale Miteinander, die pädagogische Auseinandersetzung mit den Kindern ist im Wesentlichen zu einer Betreuung, zu einer Aufbewahrung geworden. Die jahrgangsübergreifenden Ganztagsangebote vor Corona gibt es nicht mehr.

Susanne Brunswick: Radikal verändert. Wir sind jetzt mehr pädagogische Mitarbeiterinnen für Lehrkräfte, vor Corona haben wir sozialpädagogisch gearbeitet. Wir hatten den Zugang zu den Kindern nicht, eben auch weil die Behörde uns noch keine zehn iPads gestellt hat. Bei Online-Sitzungen sind wir mit unseren Handys dabei, wir sind technologisch abgehängt. Das ist ein Skandal.

Pädagogische Mitarbeiter*innen haben sehr engen Kontakt zu den Kindern. Habt ihr Angst, mit Corona angesteckt zu werden bzw. selbst die Krankheit weiter zu geben?

Susanne Brunswick: Bis zu meiner eigenen Corona-Erkrankung hatte ich keine Angst. Ich glaube, ich habe mich in der Schule angesteckt, seitdem bin ich vorsichtiger geworden.

Dorothea Klose: Ich arbeite in ständiger Angst. Ich gehöre zur Altersgruppe 63plus, zu der man die Kinder gerade nicht schicken darf. Wir arbeiteten sonst sehr offen, spielten auch mal "Mensch' ärgere dich nicht". Eins-zu-eins mit dem Kind, das mache ich nur noch im Notfall.

Ihr übt einen systemrelevanten Beruf aus. Ist eure Gesundheit ausreichend geschützt?

Susanne Brunswick: Natürlich nicht, weil die Kinder keine Maskenpflicht haben. Die Abstandsregeln können an den Grundschulen nicht eingehalten werden.

Dorothea Klose: Ich bin Sicherheitsbeauftragte an unserer Schule und wollte die Corona-Regeln umsetzen helfen. Zuerst war ich eher eine Ruferin in der Wüste. Inzwischen hat sich viel getan. Trotzdem kann ich meine Arbeit nicht richtig gut tun, weil ich eine soziale Aufgaben habe:  Integrieren, Streit klären, Zuwendung geben, das Kind eben begleiten. Das macht meine Arbeit aus! Der Widerspruch zwischen eigentlich ist mein Herz offen für euch und ich kann euch nicht so empfangen, wie das in meinem Beruf eigentlich nötig ist, hat mich zwischen alle Stühle gesetzt. Endlich die Impfungen! Die entlasstet mich, dafür bin ich dankbar.

Was benötigt ihr in Eurer Schule, was fehlt euch noch für eine sichere Arbeit mit den Kindern, bezogen auch auf die Pandemie?

Susanne Brunswick: Die Bildungssenatorin hätte uns einen großen Gefallen getan, wenn sie die Schulen erst wieder ganz geöffnet hätte, nachdem die Impfung bzw. Testung erfolgt ist. So zäumt sie das Pferd von hinten auf – erst die Kinder in die Schulen und dann die Impfung der Beschäftigten.

Dorothea Klose: In den kleinsten Räumen sind die meisten Kinder. Unsere 1. Klassen sind von 22 auf 24 Kinder vollgestopft worden. Das bedeutet ein Tisch mehr. Und alle tummeln sich in 59 Quadratmeter "kleinen" Räumen. Corona wird nicht mehr mitgedacht! Ich leide darunter und klebe mit dem Rücken an der Tafel, immer mit der Maske im Gesicht.

Wie lässt sich die Situation verbessern. Was fordert ihr von der Politik?

Susanne Brunswick: Halbgruppen wären sehr sinnvoll gewesen. Das wäre die Lösung gewesen für die Probleme! Wir haben ja noch Glück, dass unser Schulleitungsteam sehr darauf bedacht ist, uns zu schützen und die Kohorten einzuhalten. Aber übergeordnet müssen sie das ausführen, was die Senatorin vorgibt. Und da habe ich das Gefühl, dass es jetzt nur darum geht, die Wirtschaft zu retten.

Dorothea Klose: Ja, Halbgruppen, das ist gut und dazu die Präsenzpflicht, um die Kinder regelmäßig persönlich zu sehen.

Das Interview führte Karsten Krüger