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Hundert Jahre Internationaler Frauentag

Der 19. März 1911 war ein Sonntag. Es herrschte schönstes Frühlingswetter, und die „Bremer Bürgerzeitung“ hatte schon zwei Tage zuvor die „verheirateten Genossen“ gebeten, „ihren Frauen den Besuch der Versammlungen tunlichst zu ermöglichen und ... sie auch ... im Hauswesen freundlichst die paar Stunden zu vertreten“. Es geschehe „ja um der guten Sache willen“. Und nicht nur in Bremen und Bremerhaven – in unzähligen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, in Belgien, Dänemark, Holland und den USA fanden große Demonstrationen von Frauen, aber auch Männern, statt.

1910- Kampf um den Frauentag!

Hintergrund des Ganzen war die 2. Internationale sozialistische Frauenkonferenz vom 26. Bis 27. August 1910 in Kopenhagen, die wie die erste von 1907 in Stuttgart – vor einem internationalen Sozialistenkongress tagte und einen Antrag zur „Agitation für das Frauenwahlrecht“ annahm. Der Antrag ging auf eine Resolution der Stuttgarter Konferenz zurück, aber anders als in Stuttgart wurden in Kopenhagen nicht „die sozialistischen Parteien ... verpflichtet, für die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts zu kämpfen“ sondern „die sozialistischen Frauen aller Länder“ sollten „jedes Jahr einen Frauentag (veranstalten), der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient.“ Die Forderung eines Tages der Frauen war offenbar brisant: der Antrag, der von der deutschen Delegation ausging, konnte nur von einzelnen Vertreterinnen eingebracht werden – angeführt von Clara Zetkin und Käthe Duncker; er kam nicht als Beschluss, sondern nur als Resolution zustande, und von der Sozialdemokratie wie den Gewerkschaften wurde er auf systematisch anmutende Weise ignoriert. 1913 traf der Parteiausschuss sogar die Entscheidung, für 1914 den Frauentag ausfallen zu lassen. „Ich bin nicht dafür,“ meinte ein Delegierter, „dass für irgendwelche Gruppen Extrawürste gebraten werden, am wenigstens für das weibliche Geschlecht, das ja sehr leicht geneigt ist, gleich die ganze Hand zu nehmen, wenn man den kleinen Finger bietet.“ Mit dieser Meinung stand der Redner keineswegs alleine da. Das Protokoll verzeichnet neben Widerspruch auch zustimmende Heiterkeit. Und tatsächlich konnte man die Frauen der Partei leicht als bloße „Gruppe“ abtun. Einmal bilden sie zahlenmäßig eine Minderheit; dann konnten sie erst seit der Aufhebung der Vereinsgesetze 1908, die ihnen seit 1850 den gang zu politischen Vereinen und Versammlungen verboten hatten, Parteimitglieder werden. Hinzu kam die Furcht der Arbeiter vor der Konkurrenz der billigeren weiblichen Arbeitskraft.

Geschichte des 8. März

Angesichts dieser nicht gerade frauenfreundlichen Einstellung der Parteimehrheit, für die Historiker den Begriff des „Proletarischen Antifeminismus“ geprägt haben, war die Durchsetzung des Internationalen Frauentages für das Jahr 1914 ein eindrucksvoller Erfolg. Als Erfolg sollte sich auch die Terminierung auf den 8. März erweisen. 1911 fand „Unser Tag“, wie die Arbeiterinnenzeitschrift „Die Gleichheit“ ihn nannte, am 19. März statt, in Erinnerung an die revolutionären Ereignisse vom 18. und 19. März 1848 in Berlin, bei denen viele Frauen auf den Barrikaden standen. 1912 gingen sie am 12. Mai und 1913 am 2. Und 3. März auf die Straßen. Erst 1914 wurde der Internationale Frauentag am 8. März gefeiert. Dass sich dieser Termin durchsetzte, ist russischen Arbeiterinnen zu verdanken. Obwohl kein Aufruf zum Streik gegen die miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen ergangen war – eine militante bolschewistische Organisation sprach sich sogar gegen einen Streik aus – verließen die Arbeiterinnen der Textilfabriken in St. Petersburg am Morgen des 8. März – nach dem russischen Kalender war es der 27. Februar – ihren Arbeitsplatz. Das war der Anfang der russischen Februarrevolution. 1920 legte die 2. Internationale Konferenz der Kommunistinnen den Frauentag auf den 8. März fest, und seitdem sind Name und Datum dieses Tages identisch. Trotzdem ist er kein nur kommunistischer Frauentag, denn schon vor der Kopenhagener Konferenz 1910 hatten Arbeiterinnen in New York und Philadelphia beschlossen, den letzten Februarsonntag jeden Jahres als Tag der Frauen zu begehen, und zwar für ihr Wahlrecht. Entsprechend enthusiastisch fiel die Grußadresse der „amerikanischen Sozialistinnen“ zum ersten Frauentag „ihrer deutschen Genossinnen“ aus.

Der 8. März nach 1914

Seit 1914 wird der 8. März in der ganzen Welt begangen, trotz seiner Verbote in Zeiten des Krieges und Faschismus. Die KPD- Abgeordnete Maria Krüger (1907-1987) hat einen solchen Tag eindrucksvoll beschrieben: „Am 8. März trafen wir uns – trotz aller Gefahr – in kleineren oder größeren Gruppen, auch in Gefängnissen und Konzentrationslagern dachten wir an ihn; z.B. kamen die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen bei Borgward am 8. März 1944 – weit über 100 – morgens bei Arbeitsbeginn die breite Treppe herunter, alle mit roten Kopftüchern, wie eine rote Welle. So gingen sie durch die Halle an ihre Arbeitsplätze. Welch ein Mut!“

Der 8. März - immer wieder bekämpft

Aber auch in sogenannten normalen Zeiten war der 8. März als Tag aller Frauen bedroht, zuletzt – zumindestens in Westdeutschland – sogar durch die Gewerkschaften. Am 19. Februar 1980 wies der DGB-Vorstand die DGB-Kreise an, „von eigenen Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag am 8. März aufgrund der Wahrung des Prinzips der Einheitsgewerkschaft abzusehen“. Erst der Protest der Kolleginnen führte zur Rücknahme dieser Restriktion:
Auf dem 12. Bundeskongress das DGB im Mai 1982 wurde ihr Antrag angenommen, dass „der 8. März...als internationaler Frauentag des DGB in allen seinen Gliederungen begangen“ wird, und für 2010 hat der DGB das Motto „Kurs halten! Gleichstellung“ ausgegeben. Damit folgt er der Forderung des „International Women’s Day“ der UNO: „Equal rights, equal opportunities, progress for all!“

Nach „Hundert Jahren Internationaler Frauentag“ zeigt sich: der 8. März ist nicht nur ein Kampftag der Frauen für ihre Rechte, sondern selber ein erkämpftes Recht!