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Runder Tisch Schulsport

Hoffentlich nicht nur Lippenbekenntnisse

Was sich im Schulsport ändern soll

Seit vielen Jahren weist der Runde Tisch Schulsport (RTS) auf die Probleme im Schulsport hin und fordert bessere Rahmenbedingungen. Wir haben deshalb die bevorstehende Wahl zur Bremischen Bürgerschaft genutzt, um die sport- und bildungspolitischen Sprecher*innen der Parteien zu ihren Vorstellungen über die Zukunft des Schulsports zu befragen: Die Bedeutung des Schulsports als ein wichtiger Beitrag für die körperliche und geistige Entwicklung und für die Herausbildung sozialer Kompetenzen wurde von den Sprecher*innen nicht in Frage gestellt. Auch in ihren Wahlprogrammen finden sich Aussagen zur Wichtigkeit des Schulsportes.

In der Primarstufe werden die Grundlagen für eine lebenslange sportliche Betätigung gelegt. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass gerade in dieser Schulstufe der Anteil am fachfremden Unterricht besonders hoch ist. Alle Befragten würden sich im Falle einer Regierungsbeteiligung für die Einstellung von mehr qualifizierten Sportlehrer*innen einsetzen. Durch längere Unterrichtszeiten im Ganztag brauchen Kinder mehr Bewegungszeiten und Sportunterricht. Die Forderung des RTS, an Grundschulen mindestens eine dritte und an Ganztagsgrundschulen eine tägliche Sportstunde einzuführen, wurde von allen Parteien unterstützt. Laut Stundenkontingenttafel sind in der Sekundarstufe I je Jahrgang drei Stunden Sport vorgesehen. Obwohl den Schulen diese Stunden zugewiesen werden, erhalten bis auf wenige Ausnahmen die Schüler*innen in den meisten Jahrgängen der Oberschulen und Gymnasien nur zwei Stunden qualifizierten Sportunterricht. Ein Umgang, der leider schon seit 50 Jahren praktiziert wird. Alle Befragten wollen dies verbessern.

Der Schwimmunterricht rückt seit den tragischen Unfällen im letzten Sommer wieder stärker in den Fokus. Immer mehr Kinder verlassen die Primarstufe ohne ausreichende Schwimmfertigkeiten. Diese Beobachtung wird von der senatorischen Behörde jedoch nicht geteilt. Laut ihrer Aussage hat sich der Anteil der Schwimmer*innen erhöht. Dies ist jedoch eine Mogelpackung! Früher galt das Jugendschwimmabzeichen Bronze (Freischwimmer) als Maßstab für die Schwimmfähigkeit, heute soll das Frühschwimmerabzeichen (Seepferdchen) ausreichen. Unglaublich, denn dies bedeutet eine Reduzierung der Anforderungen um ca. 90 Prozent. Hinzu kommt, dass der Schwimmunterricht seit 2002 nicht mehr von den Sportlehrer*innen, sondern von häufig wechselnden Schwimmmeister*innen der Bremer Bäder durchgeführt wird. Für viele Kinder führt dies zu Verunsicherung, Ängsten und Vermeidung. Trotz Nachbesserungen und Weiterqualifizierungen des Bäderpersonals kommt es jedoch immer wieder zu Beschwerden seitens der Schulen und der Eltern. Die Parteien veröffentlichten unterschiedliche Lösungen, u.a. Schwimmunterricht ab der zweiten statt ab der dritten Klasse (wissenschaftliche Kenntnisse dazu liegen nicht vor), Schwimmen in öffentlichen Seen, Zusatzangebote in den Ferien, Schwimmen als Blockeinheit in der Schulzeit, Erhöhung der Badezeit durch bessere Organisation sowie freien oder geringeren Eintritt in die Bremer Bäder. Vorschläge dieser Art werden jedoch nicht in ein Gesamtkonzept eingebettet und sind nach Ansicht des RTS demnach nicht erfolgsversprechend. Der vom RTS gemachte Vorschlag, den Schwimmunterricht ganz oder teilweise wieder in die Hände der Schulen zu geben, um für die Schüler*innen während der Fahrt zum Schwimmbad und während des Unterrichtes eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die Voraussetzung für einen erfolgreichen Schwimmunterricht ist, wurde leider von den Politikern nicht aufgenommen.

Gibt es an berufsbildenden Schulen Sportunterricht? Zumindest im Vollzeitbereich findet er bei genügend Hallen und Sportlehrer*innen in der Regel statt. Im Teilzeitbereich fällt der Sport jedoch meistens aus. Selbst wenn Sport laut Stundentafel vorgesehen ist, wird er nicht erteilt. Bedauerlicherweise wird von betrieblicher Seite das Fach Sport kaum oder gar nicht eingefordert. Unsere Gesprächspartner nahmen unsere Kritik zur Kenntnis und wollen auf eine Veränderung dieser Situation einwirken.

Der RTS stellt die Forderung nach einer ausreichenden Anzahl qualifizierter Sportlehrer*innen. Die Bremer Uni schaffte jedoch diese Ausbildung ab. Der ursprüngliche Plan, die Universität Oldenburg als Kooperationspartner zu gewinnen, scheiterte schon in der Anfangsphase. Seit Jahren sind die Anmeldezahlen für Sportreferendar*innen rückläufig. Der Primarbereich ist besonders betroffen. Der RTS fordert die Wiedereinführung des Studiengangs Sport. Eine von uns erstellte Resolution wurde von ca. 100 Institutionen unterstützt (mehr als 250.000 Mitglieder aus. LSB, ZEB, GEW, SV Werder Bremen, div. Schulen, Krankenkasse usw.). Die Notwendigkeit scheint nun auch bei den Regierungsparteien angekommen zu sein. Jedenfalls sprechen sich alle Parteien auch in ihren Wahlprogrammen für eine Wiedereinführung aus. Im aktuellen Wissenschaftsplan wird beabsichtigt, die Ausbildung für Lehrämter an Grundschulen sowie Gymnasien und Oberschulen wieder aufzunehmen. Damit könnten theoretisch 2022/23 die ersten Sportstudierenden ihr Studium beginnen. Theoretisch deshalb, weil die Sporthallen und auch der Sportturm dringend saniert werden müssen. Die Kosten in Höhe von 15 bis 26 Millionen Euro sind von der Universität zu tragen. Laut dem Bäderkonzept von 2014 ist das Unibad so marode, dass es nach dem Neubau des Horner Bades und dem Umbau des Waller Bades abgerissen werden soll. Einige unserer Gesprächspartner wiesen auf ihre Wahlprogramme hin, wo formuliert ist, dass sie sich bei Regierungsverantwortung für den Erhalt des Unibades einsetzen wollen. 

Sportunterricht kann an vielen Orten durchgeführt werden. Daher müssen diese Orte (Hallen, Sportplätze, Schwimmanlagen…) vorhanden und benutzbar sein. Dies ist oft nicht der Fall. So fehlen im Bremer Westen ausreichende Hallenkapazitäten. Der Neubau einer Halle steht schon seit Jahren an, verzögert sich aber immer wieder. Andere Hallen befinden sich oft in einem beklagenswerten Zustand. Nach mehreren Aufforderungen seitens der Opposition legte jetzt das erste Mal bzgl. der Sanierungskosten Immobilien Bremen eine Zahl in Höhe von 98 Millionen Euro vor. Der Haken dabei ist, dass sogenannte Schönheitsreparaturen darin nicht enthalten sind. Sind zum Beispiel Waschbecken oder Dusche defekt, kommen diese Kosten noch dazu, müssen dann aber von der Senatorin für Kinder und Bildung als Mieterin übernommen werden. Die Schulen verfügen nur über einen kleinen Reparaturetat. Hallenreparaturen können davon nicht bezahlt werden. Alle Parteien wollen sich für eine schnelle Sanierung der maroden Sportstätten einsetzten.

Alle Interviewpartner zeigten sich offen, für die Belange des Schulsports. Auch die Wahlprogramme enthalten viele gut gemeinte Absichtserklärungen. Was von der kommenden Regierung wirklich umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Aussagen der Parteien unterscheiden sich nur in Nuancen. Eigentlich müssten sie schnell zueinander finden, um Bedingungen für guten Schulsport zu schaffen. Oder sind es doch nur Lippenbekenntnisse: „Wir beabsichtigen…setzen uns ein…. wollen Mittel bereitstellen.“ Wir jedenfalls nehmen sie beim Wort und werden an die Wahlversprechen erinnern.