Zum Inhalt springen

„Herausberatung“

Auf Grund sogenannter „Fehlanwahlen“ von Schülerinnen und Schülern soll die einjährige berufsvorbereitende Berufsfachschule neu strukturiert, vor allem das diesbezügliche Beratungs-, Zugangs- und Prüfungswesen reorganisiert werden. Geplant ist, von den jährlich etwa 1000 Neuzugängen 500 durch Lehrkräfte „heraus zu beraten“, mit den entsprechend möglichen Einsparpotentialen.

Grundlage des Umbaus des sog. Übergangssystems Schule-Beruf in Bremen sind die bundesweit ausgelegten Handlungsempfehlungen der Bertelsmann-Stiftung „Übergänge mit System“, die „Bremer Vereinbarung für Ausbildungs- und Fachkräftesicherung“ und das Landesprogramm „Ausbildung und Jugend mit Zukunft“- Planungen für die Jahre 2011 – 2014. Weiter gehören vor allem die „Eckpunkte zum Gesamtkonzept 'Berufsorientierung' und 'Übergang Schule -Beruf'“ dazu, aus denen sich die politischen Zielsetzungen ablesen lassen.

Detailkritik zur Verordnung

  • Es sind keine Bildungsgänge für Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen vorgesehen. Welche schulischen Bildungswege stehen diesen Jugendlichen offen?
    Für die Voraussetzung der einfachen Berufsbildungsreife sind nur die Schwerpunkte Ernährung und Hauswirtschaft sowie Technik vorgesehen. Das ist eine unverständliche Eingrenzung der Berufsfelder.
    Woraus begründet sich die Festlegung des Notenschnitts? Ist es nicht gerade so, dass die besondere Qualität beruflicher Bildungsgänge darin liegt, dass über den beruflichen Praxisbezug auch die Motivation, Lernentwicklung und damit Kompetenzen in den allgemeinen Grundlagenfächer verbessert werden ? Im Sinne einer Potentialförderung ist die Abklärung der Ursachen der Bewertungen und Entwicklung von Förderstrategien unter Berücksichtigung des Rahmens beruflicher Bildung (Handlungs- und Produktorientierung, Lernfelder) angemessen und hilfreich.
  • „§5 (2) Die Dauer des Praktikums soll mindestens drei Wochen betragen; davon sollen höchstens zwei Wochen in der Unterrichtszeit stattfinden.“
    An dieser Stelle lässt die Verordnung offen, wie die Betreuung der Schülerinnen und Schüler in der Ferienzeit aussehen soll.
  • „§6 (3) In die Bildungsgänge nach § 3 Absatz 2 und 3 werden Bewerberinnen und Bewerber nicht aufgenommen, die die Zulassungsvoraussetzung für einen Bildungsgang erfüllen, der zum Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife, zum Abschluss der Fachhochschulreife oder zum schulischen Teil der Fachhochschulreife führt.“
    Hier sehen wir einen Widerspruch zum berufsbildenden Anspruch der Bildungsgänge, “auf eine Berufsausbildung in einem Beruf oder mehreren verwandten Berufen vorzubereiten. Durch eine breit angelegte berufliche Grundbildung soll eine auf Fachrichtungen bezogene Vorbereitung auf einen nach Berufsbildungsgesetz oder Handwerksordnung anerkannten oder gleichwertig geregelten Ausbildungsberuf erfolgen.“ Schülerinnen und Schülern mit MSA brauchen ebenfalls diese Art der Berufsvorbereitung, gerade auch im Sinne der Ansprache leistungsstärkerer Jugendlicher und der Erhöhung der Attraktivität beruflicher Bildung. Die Motivation für betriebliche Ausbildung und die Vorbereitung auf betriebliche Ausbildung ist nicht gekoppelt an kognitive Leistungen.
  • „§7 (1) Bewerberinnen und Bewerber nehmen verpflichtend an der Beratung der Zentralen Bewerbungs- und Beratungsstelle teil. Die Beratung dient der Feststellung der Eignung für den Besuch einer berufsvorbereitenden Berufsfachschule.“
    Nach welchen Kriterien soll die Eignung festgestellt werden? Diese müssen sich aus den Zielsetzungen des Bildungsgangs ableiten lassen.
    Mit welchen Verfahren kann das erfasst werden? Kann es überhaupt eindeutige Ergebnisse geben? Immerhin handelt es sich um prognostische Voraussagen für eine komplexe, vielschichtige Entwicklungsfähigkeit.
    Dringend ist die Festlegung der Methoden, mit denen die Eignung ermittelt werden soll, in Abhängigkeit von den Kriterien zu benennen und festzuschreiben. Die Qualität des Testsettings ist ein Kriterium für die Validität und Reliabilität der Ergebnisse. Dazu gehören die Qualifikation der Tester und die Qualität des Testmaterials. Damit sind die Rahmenbedingungen dieser "Eignungsuntersuchung" in hohem Maße ressourcenabhängig. In Relation zu den übrigen Regelungen der Ordnung (Festlegungen über Ziele/Methoden/Form der Prüfung) muss auch dieses Verfahren geregelt sein.
    Wie ist die Beratungsstelle formal eingebunden, dass sie eine solche Entscheidung rechtssicher treffen kann?
    Nicht unbedingt im Rahmen der Verordnung ist auch die Frage zu beantworten, wie mit den Ergebnissen für alle Schülerinnen und Schüler umgegangen wird. Was passiert mit den Jugendlichen, die zwar getestet, aber als "nicht geeignet" eingestuft werden? Diese Jugendlichen sind noch schulpflichtig. Welche Angebote zur weiteren Ausbildung werden ihnen gemacht? Fließen die Ergebnisse der Untersuchung in diese Angebote ein, z.B. im Sinne einer gezielten Förderung? Wer stellt das fest, entscheidet und setzt um?
    (Zur Finanzierung der Beratung möchten wir anmerken, dass die zusätzlich notwendigen Ressourcen für Bremerhaven aus dem Landeshaushalt zur Verfügung zu stellen sind!)
  • „§ 8 Verfahren zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse“
    Auch hier ist wieder der Weg einer formalen kognitiv erhobenen Leistungsmessung vorgesehen. Warum werden nicht Formen individueller Nachweise, z.B. Probeunterricht eingeführt? Welche Deutschförderung ist vorgesehen? Gerade die Aussagen im Bericht zur Bildungs- und Ausbildungsbeteiligung von Migrantenkindern weisen auf die hohe Bedeutung besonderer Unterstützung und sprachlicher Förderung für diese Gruppe hin. Diesem Anspruch muss sich auch die Entwicklung der einjährigen Berufsfachschule stellen.