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Gender contra Genderwahn

Ein wichtiger Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft – auch im Land Bremen

Foto: Colourbox.de

“Dieser Gender-Kram hat das Potenzial für ein ganzes Satire-Programm” - so die Publizistin Birgit Kelle vor ihrem Auftritt im Bremer Presse-Club; “niemand weiß, was Gender genau bedeutet” [WK 28.11.2016;].

Hätten sie und die gegenwärtige “‘Anti-Genderfront’, die am rechten Rand des politischen Feldes zur ‘Repolarisierung der Geschlechter’” aufruft [taz 25.8.2016], im Internet oder Brockhaus nachgesehen, hätte sie wissen können, dass der Begriff “neben der biologischen Zugehörigkeit eine fundamentale soziale Zuordnung” bedeutet, “mit der ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Ressourcen legitimiert werden”, und dass Gender-Mainstreaming nichts Schlimmeres verfolgt als die “Verwirklichung geschlechtergerechter Strukturen” [3 Brockhaus, Leipzig 2006]. Dabei hat diese Strategie - anders als Frauenpolitik - beide Geschlechter im Blick und bezieht Alter, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung usw. mit ein (Diversity [Heinrich-Böll-Stiftung, Schriften des Gunda-Werner-Instituts Bd.7 Berlin 2009, S. 9]).

Gender und Gender-Mainstreaming wurden erstmalig auf der 4. UNO-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking thematisiert, auf EU-Ebene im Amsterdamer Vertrag, der 1999 in Kraft trat, beschlossen und für die Mitgliedsstaaten verbindlich gemacht.

Wie immer, wenn es um die Demokratisierung der Gesellschaft geht, waren die skandinavischen Staaten die ersten, die Gender Mainstreaming zur Richtschnur politischen Handelns machten, und zwar für nationale, regionale und kommunale Organisationen. Die ehemalige Vertreterin Niedersachsens im GEW-Bundesfrauenausschuss (BFA) Malwine Seemann hat in ihrer 2009 veröffentlichten Dissertation “Geschlechtergerechtigkeit in der Schule” [Malwine Seemann: Geschlechtergerechtigkeit in der Schule - Eine Studie zum Gender Mainstreaming in Schweden, Bielefeld 2009] dargestellt, wie die sogenannte “3-R Methode” des Konzepts - Repräsentation, Ressourcen und Realisierung für bzw. von Frauen und Männern - im Bildungsbereich und in den Lehrergewerkschaften Schwedens angewandt wird. Natürlich habe es auch Kritik und Widerstand gegeben; aber “mit den Fortbildungen” für die Lehrkräfte “gehe die Arbeit erfolgreich voran.” [ebd. S. 92]

Die GEW ist dank der Initiative des BFA, dessen langjährige Vertreterin im Hauptvorstand Britta Naumann an der Pekinger Konferenz teilgenommen hatte, nicht untätig geblieben. So wurde auf dem Lübecker Gewerkschaftstag 2001 der BFA-Antrag “Gender Mainstreaming als Prinzip der GEW (Satzungsänderung)” angenommen [Anträge Drucksache 4, S. 291] und auf dem Gewerkschaftstag 2005 in Erfurt griff Anne Jenter bei ihrer Kandidatur für den Arbeitsbereich Frauenpolitik im Geschäftsführenden Ausschuss den Lübecker Beschluss auf: sie wolle dazu “beitragen”, “dass mit der Methode des Gender Mainstreaming die tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht wird” [Dok-Nr. 20/2005, S. 6].

Im Bremer Landesverband organisierte Hilke Emig als senatorische Beauftragte für “Koedukation und Gleichstellung” schon 1991 am damaligen Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis mit der Tagung “Schule, Geschlecht und Selbstvertrauen” die erste von vier weiteren themenverwandten Veranstaltungen [Die Materialien sind im Landesinstitut für Schule (LIS) einzusehen] und auf dem Gewerkschaftstag im Oktober 2016 wurden ihre Anträge “Satzungsänderung Geschlechterdemokratie” und “Einrichtung eines Frauenreferats”, das “gewerkschaftliche Arbeit unter Gender- und Diversitätsgesichtspunkten” weiterentwickeln soll [Bremischer Gewerkschaftstag 26.-27.10.2016, Beschlüsse GT3/16;GT7/16], angenommen, der zweite sogar einstimmig, obwohl mit ihm ein “eigener Haushaltstitel” verbunden ist.

Der Name “Frauenreferat” ist eigentlich missverständlich; Frauenpolitik bleibt zwar unverzichtbar, aber bei genderorientierten Vorhaben, wie es die Gendergruppe von 2014 [BLZ 03/04-2014, S. 25; BLZ 07/08-2014, S. 19] geplant hat, sollten auch Kollegen teilnehmen, denn von der herrschenden Ungleichbehandlung sind, wenn auch in geringerem Maße, Männer ebenfalls betroffen, z.B. durch ihre geringe Präsenz in Kindergärten und Grundschulen.