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Diskussion

Friedensgesänge für einen Kriegsherren

Eine Antwort auf die Stellungnahme des Bremer Friedensforums

Zur Annäherung ans Problem ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor, auf einer Friedensdemonstration würden Augusto Pinochet, der saudische Prinz Salman oder Ex-CIA-Chef Pompeo positiv gewürdigt; sofort wäre lautstarker Protest aus dem Publikum zu vernehmen und wohl auch aus dem Kreis der übrigen Akteure auf dem Podium. Zurück in die Realität: Als im Januar diesen Jahres auf jener Kundgebung des Bremer Friedensforums ein bizarres Loblied auf den durch amerikanisches Militär getöteten Terrorgeneral Soleimani angestimmt wurde, gab es artigen Applaus. Er repräsentierte bis zu seinem Tode die iranische Revolutionsgarde, die sich in den letzten Monaten an der blutigen Niederschlagung von Protesten im Iran und Irak beteiligt hatte, ein erklärter Hardliner des Mullah-Regimes, der das Schlachtfeld als sein eigenes 'Paradies' bezeichnete – dieser Mann und mit ihm die angeblich 'defensive' Regionalpolitik Irans wurden gefeiert. Wie konnte es zu einer solchen Beleidigung seiner Opfer, zu einer derartigen Obszönität kommen?

Vertane Chance zur Selbstkritik

Mit meiner Kritik daran in der letzten blz-Ausgabe verband sich ein naiver Hoffnungsschimmer; ich schrieb, eine Distanzierung des Forums von seinem Redner sei 'bislang' noch nicht erfolgt. Verschiedene Personen taten sich auf dem Podium mit Redebeiträgen hervor, ohne Anstoß daran zu nehmen, dass im Zeichen der Friedenspolitik einem zynischen Kriegsherren gehuldigt wurde. Ihre Namen verschwieg ich friedfertig. So blieb den Betreffenden noch Raum für einen Hauch von Selbstkritik oder zumindest Zeichen von Dialogbereitschaft; die bedenklichen Äußerungen mochten ihnen eventuell entgangen sein. Die Antwort von Drewes entlarvt meine Naivität: Das Friedensforum identifiziert sich mit der Rede, die auch immer noch auf der Website abzurufen ist. Bedauerlich, denn Kritik an der Außenpolitik Trumps impliziert ja nicht automatisch die Glorifizierung andere Mächte, wie des Irans.

Kritik am Friedensforum – 'unverschämt und denunziatorisch'

Auf meine Kritik wird nur am Rande eingegangen, stattdessen das altbekannte Arsenal politischer Rabulistik aufgefahren. Nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Kollege Wehe versucht mit seinem Brief in den GEW-Gremien Stimmung zu machen. Hartmut Drewes behauptet, ich hätte mich auf 'oberflächliche Internet-Recherche' verlassen. Dabei habe ich aus den vom Bremer Friedensforum selbst veröffentlichten Materialien zitiert, im Fall der kritisierten Rede aus dem vollständigen, ungekürzten Manuskript. Den Aufruf besagten Redners zur Unterbrechung der Gewaltspirale hätte ich ignoriert – keineswegs, aber rechtfertigt er lobende Worte für eine iranische Politik, die genauso zur Eskalation im syrischen Bürgerkrieg beiträgt wie die der USA? Schließlich haben die Revolutionsgarden schon ganz am Anfang des Konfliktes den syrischen Geheimdienst bei der blutigen Niederschlagung der Proteste unterstützt – Beispiel einer Politik, die Hartmut Drewes und Kollege Weihe als 'defensiv' ansehen.

Die „Heldentaten“ iranischer Defensivpolitik

Oder ist meine geraffte Darstellung von Soleimanis blutiger „Lebensleistung“ unzutreffend? Laut Drewes geht es dem Iran um „Entspannung im Nahen Osten“, Soleimani war offenbar eine Art von Friedensdiplomat, und wenn in Syrien u.a. durch Soleimanis Milizen „tausende Menschen eingekesselt, ausgehungert und ermordet“ wurden (Andrea Backhaus in der ZEIT), dann kam man offenbar mit jeder Leiche dem Frieden näher. Der im Windschatten des Atomabkommens betriebene Aufbau schiitischer paramilitärischer Einheiten, die in verschiedensten Ländern des Nahen Ostens Gewalt ausüben, war vermutlich eine friedenspädagogische Maßnahme. Die Unterstützung von Hamas und Hizbollah, ihre Ausstattung mit Kriegsgerät dient in der Märchenwelt des Friedensforums wohl der Deeskalation.

Oder spielt das Friedensforum darauf an, dass die Revolutionsbrigaden am Kampf gegen den IS beteiligt waren? Das erklärt sich mehr aus der Tatsache, dass der IS sunnitisch ist und man Assads Herrschaft verteidigen wollte. Gesellschaftspolitisch sind der Iran und der IS nicht so arg weit auseinander; bei beiden steht, beispielsweise, auf Homosexualität die Todesstrafe, wobei der Iran den Strang und der IS das Schwert als Mittel der Wahl bevorzugt. Und was den diplomatischen 'Deal' betrifft, den Soleimani angeblich gerade aushandeln wollte: Punktuelle Verhandlungen zwischen verfeindeten Parteien über begrenzte Waffenruhen sind in Bürgerkriegen nicht ungewöhnlich – glaubt das Friedensforum wirklich, dadurch werde die Lage in Syrien friedlicher?

Eine 'anerkannte Persönlichkeit'

Ghassem Soleimani war als Chef der Al-Quds-Brigade Drahtzieher von Gewaltaktionen, Waffenlieferant, kriegsbegeisterter Überzeugungstäter -  alles Tätigkeiten, von denen man naiverweise annehmen könnte, sie würden in pazifistischen Kreisen ein gewisses Mißfallen erregen. Nicht so beim Friedensforum, wo man den Paramilitär für eine 'national und international anerkannte Persönlichkeit' hält und ihm attestiert, er sei wegen seines positiv konnotierten 'Widerstandes' gegen die USA liquidiert worden. Anerkannt? Das sehen iranische Oppositionelle etwas anders: 'Soleimani war verantwortlich für Krieg und Terrorismus in der Region', sagt Mariam Rajavi vom Nationalen Iranischen Widerstandsrat. Für Kazem Moussavi, den Sprecher der Grünen Partei Irans, hat der General 'Hunderttausende Menschen im Nahen Osten ermordet'. Ein Ingenieur aus Teheran bezeichnet Soleimani in der ZEIT als 'Auftragskiller'. Eine kommunistische Exil-Gruppe nennt ihn 'einen der bösartigsten Terroristen des Regimes'.

Schaden für die Opposition?

Das Attentat auf Soleimani habe der iranischen Opposition geschadet, das müsse ich, dem sie anscheinend am Herzen liege, doch einsehen. Die Behauptung wird nicht wahrer, bloß weil sie zigmal von Spiegel und Fokus wiederholt wurde. Die von oben angeordneten Trauerfeiern lassen keinen genauen Schluss zu, wer wirklich aus eigenem Antrieb teilnahm. Zweifellos hatte Soleimani in den nationalistisch und religiös indoktrinierten Teilen der Bevölkerung seine Anhänger. Als die Revolutionsgarde im Zuge ihrer Racheattacken wenige Tage später versehentlich ein Passagierflugzeug abschoss, brandeten jedoch neue Proteste gegen das Regime auf. An der Beheshti Universität in Teheran weigerten sich am 12. Januar etliche Studierende, über Flaggen der USA und Israels zu steigen, die auf dem Campus ausgelegt sind, damit die Vorübergehenden im Sinne der Regierung auf ihnen herumtrampeln. Vor allem jedoch zeigte der Ausgang der Wahlen im Iran, dass es nicht zu einem Zusammenrücken von Opposition und Regierungslager kam. Letzteres hatte eine starke Wahlbeteiligung als Zeichen der Einigkeit gegen die USA gefordert und wurde enttäuscht:  Die Wahlbeteiligung war denkbar niedrig, selbst nach offizieller Auskunft wollten nicht mehr als 30% an die Urnen, um den überwiegend konservativen Kandidaten Akklamation zu spenden.

Selektive Wahrnehmung

Die Verbohrtheit des Bremer Friedensforums ist Symptom eines grundlegenderen Problems, welches über den konkreten Anlass hinausgeht und die Geschichte der westdeutschen Linken in einem allgemeineren Sinn betrifft: Es geht um die instrumentalistische Behandlung von, und damit den mangelnden Respekt vor Menschen- und Völkerrecht. In diesen Kontext gehört auch die Klage, statt über Soleimani hätte ich lieber über den Völkerrechtsbruch der USA schreiben sollen. Ich habe in der Vergangenheit in dieser Zeitung nicht an der Kritik amerikanischer Politik gespart. Aber entschuldigt die imperiale Machtentfaltung der USA alle Taten ihrer Gegner? Warum redet das Friedensforum so gut wie nie über Assads Bombardements oder Putins Waffenlieferungen?

Der Umgang der israelischen Armee mit jugendlichen Palästinensern wird sehr häufig thematisiert. Im September 2019 wurden hunderte Protestierende durch iranische Milizen erschossen, darunter, laut amnesty international, 23 Kinder. Warum hört man davon vergleichsweise wenig? Anstatt kritische Distanz zu allen beteiligten Staaten zu wahren, kürt man potentielle Verbündete, deren Gewaltorgien als bloße Verteidigungsmaßnahmen gerechtfertigt, als Feindpropaganda geleugnet oder anderweitig kleingeredet werden. Das hat einen gewissen Anstrich von Lächerlichkeit, ist es doch die zeitgemäße Karikatur früherer antiimperialistischer Solidarität – war es damals die Sowjetunion, so sind heute Russland oder der Iran vom Weltgeist bzw. dem historischen Materialismus berufen, den Kräften des Fortschritts zu dienen. Wer Menschenrechte solchen herbei phantasierten Bündnisloyalitäten unterordnet, liefert sich dem Verdacht aus, dass es ihm weder um Deeskalation, noch um Humanität oder Frieden geht.

Stellungnahme des Bremer Friedensforum zu dem Artikel von Werner Pfau

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Im Januarheft der Bremer Lehrerzeitung breitet das Redaktionsmitglied Werner Pfau seine Sichtweise zur Ermordung des iranischen Generals Soleimani und seiner Begleiter durch einen US-amerikanischen Raketenschlag aus. Neben der Denunziation des Bremer Friedensforums gibt Herr Pfau vor, dass ihm die Situation der gemäßigten und oppositionellen Bewegung im Iran wichtig sei.

Dazu einige Anmerkungen:

Grundsätzlich fällt auf, dass der Autor die Konfrontations- und Eskalationsstrategie der USA im Zusammenhang mit dem Iran hinter nichtssagenden Floskeln kleinredet.

Zerstörung des Atomvertrages durch die USA

Das ist zumindest bemerkenswert, denn es war US-Präsident Trump, der das funktionierende Abkommen zur Verhinderung einer atomaren Bewaffnung des Iran bewusst zerstört hat. Und das, obwohl die Bundesregierung und internationale Kontrollbehörden immer bestätigt haben, dass der Iran buchstabentreu alle Regelungen umsetzt. Mit der Zerstörung dieses völkerrechtlich verbindlichen Abkommens geht zugleich die Errichtung eines brutalen Sanktionsregimes der USA gegen den Iran einher. Konnte der Iran bisher täglich 2,5 Mio. Barrel Öl verkaufen, sind es jetzt mit großen Mühen etwa 500.000 Barrel. Wichtige Lebensmittel, Babynahrung, Medikamente und Einrichtungen für Krankenhäuser können nicht auf den internationalen Märkten beschafft werden, da die USA jede Firma, die etwas liefern würde, mit dem Bankrott bedroht. Trotz großer Bekenntnisse der Bundesregierung gegenüber dem Iran, bei der Rettung des Atomvertrages durch aktive Handelsbeziehungen behilflich zu sein, ist davon nichts zu sehen. Halten wir fest: Die USA zerstören den funktionierenden Atomvertrag und bei Herrn Pfau finden wir kein Wort zu dieser Ungeheuerlichkeit!

Soleimani war auf dem Weg nach Saudi Arabien

Wenden wir uns der Ermordung des iranischen Generals Soleimani zu. Festzuhalten ist, dass dieser völkerrechtswidrige Mord am Flughafen von Bagdad, also im Irak, stattgefunden hat. Aus Informationen der irakischen Regierung wissen wir, dass der iranische General auf Vermittlung des Irak via Bagdad auf dem Weg nach Saudi Arabien war, um dort über die Entspannung der politischen Beziehungen zwischen Iran und Saudi Arabien zu verhandeln. Die Aussicht auf Entspannung der Beziehungen zwischen Teheran und Riad war den Befehlshabern des Mordes möglicherweise Antrieb für diese Tat. Bei Herrn Pfau finden wir kein Wort zu diesem Versuch des Iran, einen Weg aus der angespannten Lage im Nahen Osten zu finden.

Dass dieser Mord außerdem gegen das Gewaltverbot der UN-Charta, Artikel 2 Nr. 4, verstößt, kommt ihm ebenfalls nicht in den Sinn. Niemand hat demnach das Recht Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person zu sein! Die irakische Regierung hat die USA sofort nach dem Mord an Soleimani aufgefordert, die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen. Dieser Abzug wird systematisch verhindert. Stattdessen kündigen die USA den Ausbau der Militärbasen an. Ein Akt, der an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist!

„Kein Krieg gegen Iran. Verhandeln statt eskalieren!“

Mit diesem Slogan hat das Bremer Friedensforum in Sorge um den Frieden im Nahen Osten in Anbetracht der aufgeheizten Situation nach dem Attentat zu jener Kundgebung aufgerufen, die Herrn Pfau ein Dorn im Auge ist. Ebenso war auf einer picket line zu lesen: „Hände weg vom Iran“. Hintergrund dieser Aussagen ist der Aufmarsch der US-Kriegsmarine mit dem Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“, Kriegsschiffen mit Raketen und einer Bomberstaffel in Schlagweite zum Iran. Es ist erstaunlich, dass Herr Pfau angesichts des riesigen zerstörerischen Potenzials dieses Aufmarsches nicht selbst auf die Idee kommt, das Streben des Bremer Friedensforums nach Deeskalation zu unterstützen und sich auf dem Marktplatz für nichtmilitärische Lösungsansätze einzusetzen. Denn eins ist sicher, egal welche Meinungsverschiedenheiten uns unterscheiden mögen: Krieg kann nicht die Lösung sein!

Und – es hätte dem Artikelschreiber auch auffallen müssen, dass der von ihm heftig gescholtene Arzt Dr. Khaschayar Bayanifar in seinem Redebeitrag klar für politische Lösungen der Situation wirbt.

Last but not least

Herr Pfau gibt zu erkennen, dass ihm das Schicksal der Opposition im Iran am Herzen liegt. Da dürfte es wohl keine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns geben, wenn wir an dieser Stelle festhalten, dass es genau die durch Präsident Trump und seine Hintermänner verursachte Einschnürung des Iran ist, die den politischen Spielraum der Opposition einengt. Auch um dies zu ändern muss schleunigst auf eine Entspannungspolitik im Nahen Osten hingearbeitet werden.

Schlussbemerkung:

Der Artikel von Werner Pfau ist inhaltlich unverschämt und denunziatorisch gegenüber einer befreundeten Organisation, die von der GEW 1983 mitbegründet wurde. Der Artikel ist außerdem pädagogisch und vor allem journalistisch unprofessionell. Wo bleibt das „Audiatur est altera pars“ (Man höre immer auch die andere Seite!). Herr Pfau hat bedauerlicherweise eine oberflächliche Web-Recherche dem direkten Gespräch mit Vertreter*innen des Bremer Friedensforums vorgezogen.

Hartmut Drewes, Mitglied der GEW

Sprecher*innenkreis Bremer Friedensforum

Leserbrief zum Artikel in der BLZ von Werner Pfau

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Befand ich mich auf Abwegen, als ich aus Protest gegen die völkerrechtswidrige Ermordung des iranischen Generals Soleimani und acht weiterer Personen durch einen US-amerikanischen Raketenangriff am 9. Januar an einer Kundgebung teilnahm?

Das jedenfalls legt mir der Kollege Pfau in der BLZ 1/2020 nahe.

Das Bremer Friedensforum hatte unter dem Motto: „Kein Krieg gegen den Iran - verhandeln statt eskalieren“ aufgerufen. Die Situation dort war hochexplosiv. Joe Biden brachte es auf den Punkt: Trump habe "eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen“.

Die TeilnehmerInnen setzten sich öffentlich gegen diese Militäraktion und für Deeskalation ein.

Doch diese militärische Aktion und das daraus erwachsende Kriegsrisiko kommen beim Kollegen Pfau nicht vor. Sein Problem ist, dass der Deutsch-Irani Dr. Bayanifar in seiner Rede für iranische Unterstützung Syriens Verständnis zeigte. Anlässlich von Gegenmaßnahmen der iranischen Regierung fordert Bayanifar: „Auf jeden Fall darf die Gewaltspirale nicht fortgesetzt werden!“ Das hat Kollege Pfau wohl übersehen.
Ich empfehle jeden Interessierten, die drei Redebeiträge von Volkert Ohm (IALANA), Dr Bayanifar und Walter Rufler von der Webseite des Friedensforums herunterzuladen, um sich ein eigenes Bild machen zu können.

Mich bewegt aber noch eine andere Frage:

Die BLZ-Redaktion muss sich etwas gedacht haben, wenn ihr ein solcher Verriss eine Doppelseite wert war. 

Die BLZ wird an die über 5000 Mitglieder verschickt. Da hat man schon eine Verantwortung und überlegt sehr genau, welche Wirkung ein Artikel haben soll. Ich gehe davon aus, dass der Artikel nicht aus Mangel an anderen Themen seinen Gang in die BLZ gefunden hat.

Was also war die Absicht der Redaktion?

Gibt die BLZ hier einen Diskussionsprozess in der GEW wieder? Anscheinend nicht, denn im Artikel findet sich kein Hinweis. Eine Diskussion des Themas vorher z.B. in der AG Internationales (Sprecher: Werner Pfau) hätte gewerkschaftlichen Gepflogenheiten entsprochen, zumal GEW und Friedensforum in der Vergangenheit oft kooperiert haben und viele Gewerkschafter sich an den Aktivitäten beteiligen.

Oder möchte die BLZ das Thema Frieden anstoßen, etwas in Bewegung setzen? 

Das würde ich persönlich sehr begrüßen. Da gibt es aktuell doch einiges Aktuelles wie Regionales:

  • Bis August läuft das größte US-Manöver Defender2020 seit 25 Jahren. Dagegen macht das Friedensforum schon wieder einseitige Aktionen und wird in den kommenden Wochen weitere starten. 
  • Den Rüstungshaushalt möchte die Bundesregierung bis 2024 von knapp 50 Mrd auf über 80 Mrd € erhöhen. Wofür, frage ich. Und eine Bildungsgewerkschaft kann sich ausrechnen, dass dann die Staatsknete nicht mehr reicht für Verbesserungen z.B. auch an Schulen und Universitäten. Mal abgesehen davon, dass durch Aufrüstung die Kriegsgefahr steigt. Und was ein Krieg in Europa bedeutet, weiß jedes Gewerkschaftsmitglied.
  • Zunahme der Propagierung von Feindbildern. Das braucht der Militarist, sonst kann er seine Rüstung nicht glaubhaft machen. Feindbilder brauchen die Rechten, um von den Ursachen abzulenken. Oder wenn Sozialabbau durchgesetzt werden soll. Ordne zu: Asylant - Russe - Muslim-Jude-Sozialschmarotzer. Ein umfängliches Arbeitsfeld gerade für eine Bildungsgewerkschaft.

In den Fragen Faschismus und Aufrüstung hat Carl von Ossietzky in seiner Weltbühne vor 1933 klar Position ergriffen mit guten Argumenten und scharfen Worten. Und ich sehe das Friedensforum genau in dieser Tradition.

 

Artikel von Werner Pfau BLZ Februar 2020
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“Das Schlachtfeld ist das verlorene Paradies der Menschheit — ein Paradies, in dem Moral und menschliches Verhalten ihren höchsten Grad erreichen. Eine Art Paradies, das Menschen sich ausmalen, besteht aus Flüssen, schönen Jungfrauen und üppigen Landschaften. Aber es gibt noch eine andere Art von Paradies – das Schlachtfeld.“

Khassem Soleimani (New Yorker vom 23. September 2013, Übersetzung WP)

Auf einer Kundgebung des Bremer Friedensforums verbreitet ein Redner Propaganda für den iranischen Paramilitär Soleimani und das zugehörige Mullah-Regime, ohne dass ihm von anderen 'Friedensbewegten' auf dem Podium widersprochen würde.

Lob für einen Militaristen

Anlässlich des amerikanischen Militäreinsatzes, bei dem Khassem Soleimani, Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigade, getötet wurde, hielt das Bremer Friedensforum am 9. Januar eine Kundgebung ab. Ein Redebeitrag wurde dabei von Dr. Khaschayar Bayanifar gehalten, der als deutsch-iranischer Arzt ausgewiesen war. Der Redner geißelte in harten Worten das schwere Verbrechen, welches von den USA begangen worden sei, hatte für Soleimani jedoch nur lobende Worte übrig: „Die unvergleichlich wichtige Rolle von General Gh. Soleimani bei der Organisierung des Widerstands gegen die Regionalpolitik der USA war der Hauptgrund der Liquidierung dieser national und übernational anerkannten Persönlichkeit“, so heißt es im offiziellen Redemanuskript. Einer Persönlichkeit, die, nach ihren eigenen Worten, das Schlachtfeld liebte.

Die Geschäfte des Herrn Soleimani

Um jegliche Opposition gegen die islamistische Diktatur im Iran zu unterdrücken, gründete das Regime frühzeitig verschiedene paramilitärische Einheiten, von denen die Revolutionsgarden wohl die mächtigste ist. Soleimani stieß schon als junger Mann zu ihnen. Sie wurden im Inneren zur Repression gegen Demonstrationen eingesetzt, kämpften im Krieg gegen den Irak und unterstützen Attentate im Ausland auf geflüchtete iranische Oppositionelle, aber auch auf Angehörige anderer Staaten. Bekannt geworden ist der Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994, bei dem über achtzig Menschen ums Leben gekommen sind. In ihn soll übrigens Mohammad Hejazi, der neue stellvertretende Kommandeur der Al-Quds-Brigade, verwickelt gewesen sein.

Eine Brigade zur 'Befreiung Jerusalems'

Seit 1998 leitete Soleimani die Eliteeinheit. Ideologisch galt er als Hardliner der religiösen Führung; als 1999 Studierende im Iran protestierten, unterzeichnete er einen Offenen Brief, in dem der gemäßigte Präsident Khatami aufgefordert wurde, mit Härte gegen sie vorzugehen, ansonsten würde das Militär die Angelegenheit in die Hand nehmen. Die für Auslandseinsätze zuständige Abteilung der Revolutionsbrigaden ist nach dem arabischen Wort für Jerusalem - al-Quds -  benannt, das es zu befreien gelte: Es handelt sich um ein Codewort für die Vernichtung Israels.

Iranische Hegemonialpolitik

Soleimani belieferte schiitische, bisweilen aber auch sunnitische Milizen mit Waffen und koordinierte ihre Einsätze, unter anderem der Hisbollah im Libanon und der Hamas in Gaza, des weiteren Gruppen in Syrien und dem Jemen. Die Revolutionsgarden, denen er angehörte, stehen für Terror und Einschüchterung, nicht zuletzt auch gegenüber Frauen, die sich dem Kopftuchzwang und anderen Formen religiöser Bevormundung widersetzten. In den Monaten vor seinem Ende hatten die Pasdaran und andere Einheiten hunderte Demonstrierende im Iran getötet. Soleimani selbst hatte als Drahtzieher hinter den schiitischen Milizen im Irak die Repression gegen die Demonstrationen der letzten Monate dort koordiniert. Der „General“, wie Dr. Bayanifar ihn respektvoll nennt, war Exponent einer regionalen iranischen Hegemonialpolitik, mit deren Hilfe die aus Mullahs, Unternehmern und Militärs bestehende herrschende Klasse im Iran ihre Macht erfolgreich auf die Region ausgeweitet hat. Bei aller Kritik an der US-amerikanischen Außenpolitik: Es gäbe eigentlich Gründe, diesem Funktionär einer theokratischen Diktatur, Waffenlieferanten, Drahtzieher von Attentaten und Antisemiten keine Träne nachzuweinen. Und in der Tat besagen Berichte, dass in oppositionellen iranischen Kreisen, vor Ort oder im Exil, die Trauer um den feinen General sich in Grenzen hält. Anders Dr. Bayanifar: Die Aktion der Amerikaner sei eine Beleidigung der ganzen iranischen Nation. Der Mann weiß eben, was 82 Millionen Menschen denken...

Lob für Irans Kriege

Auch im Weiteren erweist sich der Redner des Friedensforums als Anhänger der von Soleimani orchestrierten Auslandseinsätze, die bei ihm vornehm ‚Engagement‘ heißen:  „Das Engagement Irans in anderen Ländern des mittleren Ostens, vor allem in Syrien, ist das Gegenteil von dem, was behauptet wird, nicht die Folge einer abenteuerlichen Expansionspolitik, sondern eine reine Defensiv- bzw. Vorbeugemaßnahme, die für den Erhalt der Souveränität und Sicherheit des syrischen Landes absolut notwendig ist.“ Dr. Bayanifar beherrscht Orwells Neusprech aus dem Roman 1984 perfekt: Jede Bombe, die Soleimani lieferte, diente lediglich defensiven Zwecken.

Und das Friedensforum?

Eine Distanzierung des Bremer Friedensforums von seinem Redner ist bislang nicht erfolgt. Betrachtet man den selbstverfassten Videobericht über die Kundgebung, so scheint niemand von den Anwesenden ihm widersprochen zu haben. Das Redemanuskript Bayanifars wurde anstandslos verteilt, man kann es auf der Website des Friedensforums herunterladen. Zufall? Durchforstet man die Rubrik 'Naher Osten' auf der genannten Seite, finden sich fast nur Berichte zur Kritik Israels. Halt – eine Aufforderung zum Rüstungsboykott Saudi-Arabiens gibt es, das freilich Verbündeter der USA ist. Daneben stößt man auf Sympathiebekundungen gegenüber Russland, wobei insbesondere der Politik Putins friedensfördernde Absichten zugebilligt werden. Sollte das Bremer Friedensforum die Kritik an Krieg und Militarismus etwa mit antiwestlichem Ressentiment verwechseln? Adelt es den Schlachtenliebhaber Soleimani, dass er gegen die USA 'Widerstand' leistete? Auf der Kundgebung fielen antikapitalistische Sprüche – ist der Iran etwa ein Hort des Sozialismus? Ist jede amerikanische Rakete eine imperialistische Perfidie, jede iranische hingegen eine Friedensbotschaft? Sind Waffenlieferungen zu kritisieren, wenn das Gerät englische Typenbezeichnungen trägt, aber in Ordnung, sofern es sich um Shahab-3-Projektile der Revolutionsgarden handelt? Ein Forum, dass seine Parteinahme für alternative weltpolitische Bündniskonstellationen als Kriegsgegnerschaft verkauft, würde jedenfalls das Erbe der deutschen Friedensbewegung, die Erinnerung an Carl von Ossietzky und andere, mit Füßen treten.

Die zitierte Rede findet sich auf: https://www.bremerfriedensforum.de/pdf/RedeBayanifar9_01_20.pdf
Zuletzt abgerufen am 29. Januar 2020