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Flüchtlingsintegration | Noch immer fehlen Konzepte und Finanzierung

Am 17. Januar kritisierte der Zentralelternbeirat im „Weser-Kurier" zu Recht das Integrationskonzept des Senats vom 13. Januar. Im Bildungsteil ist dort nämlich zu lesen: „Die Senatorin für Kinder und Bildung wird darüber hinaus ein Umsetzungskonzept zur Integration der wachsenden Kinderzahlen in die schulischen Strukturen vorlegen." Ein Konzept wurde vorgestellt, in dem ein Konzept angekündigt wird. In diesem Widerspruch wird die ganze Misere deutlich.

Der Zusatzbedarf ist schon lange bekannt

2015 war nach den Sommerferien klar, dass sich Bremen auf einen großen Flüchtlingsstrom einzustellen hat. Das Sozialressort rechnete schon damals für die Stadtgemeinde Bremen mit ca. 11000 Personen bis zum Jahresende (davon ca. 3000 unbegleiteten Minderjährigen). Damit war an fünf Fingern auszurechnen, dass die Schulen zum einen eine ausreichende Zahl von Vorkursen würden einrichten müssen, und zum anderen im Schuljahr 2016/17 die Integration von ca. 2600 - 3000 SchülerInnen in das Regelschulsystem anstehen würde.

Beim Bedarf an Vorkursen rechnete die GEW für das ganze Jahr 2015 mit bis zu 250. Mit Stand vom 20.11.15 bestanden an den Bremer Schulen 93 solcher Kurse. Das bedeutet, dass immer noch viele Kinder und Jugendliche in den Unterkünften auf eine Einschulung warten, obwohl im Senatspapier steht: „Die Schulpflicht gilt in Bremen bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung und unabhängig von der Art der Unterkunft." Einschränkend heißt es dann: „Allerdings ist zu beachten, dass die schulische Integration umso schwieriger wird, je instabiler die Unterbringungssituation (z.B. in Zelten und Turnhallen) ist. Angesichts der wachsenden Zahlen muss auch das schulische Erstversorgungsangebot nach dem sog. Hauslehrermodell ausgebaut werden." Mit dieser Aussage wird offen ausgesprochen, dass die Erstversorgung bisher nicht ausreicht.

Bisher keine Finanz- und Personalplanung

Betrachten wir nun, was im kommenden Schuljahr auf uns zukommt: Die Schüler/Lehrer-Relation in Bremen ist bedeutend schlechter als in den anderen Stadtstaaten und auch den meisten Flächenstaaten. Nach der Wahl hat Bürgermeister Karsten Sieling auf die vielen aus der Unterversorgung resultierenden Proteste reagiert und die zusätzliche Einstellung von 200 LehrerInnen versprochen. Laut Eckwertebeschluss des Senats für den Doppelhaushalt 2015/16 vom 29.09.15 sollen 120 davon im Stellenplan erscheinen und 80 durch einen „Flexibilisierungsfonds" vorläufig finanziert werden - mit der Verpflichtung des Bildungsressorts, diese Stellen an anderer Stelle wieder einzusparen. Mit 200 Stellen wäre der Rückstand gegenüber Hamburg und Berlin etwa zur Hälfte ausgeglichen - wenn jetzt nicht mit den Flüchtlingen bis zu 3000 SchülerInnen hinzukämen! Und für diese zusätzlichen SchülerInnen liegt bisher keinerlei Finanz- und Personalplanung vor. Nach Redaktionsschluss dieser BLZ findet eine Senatsklausur statt, und die Senatorin für Kinder und Bildung hat versprochen, danach nähere Auskünfte geben zu können.

Die Forderungen der GEW

Die Bremer Mitgliederversammlung für den Schulbereich hat bereits Anfang Oktober aufgrund der vorliegenden Flüchtlingszahlen die Rechnung aufgemacht:

  • Der zusätzliche Finanzbedarf errechnet sich aus dem Bremer Durchschnittswert von 6300 € pro SchülerIn (Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes 2014). Er beträgt ca. 19 Mio. €. Dieser Wert liegt im Stadtstaatenvergleich sehr niedrig (Hamburg und Berlin: 7400 € pro SchülerIn). Legt man deren Werte zu Grunde, sind es 22 Mio.
  • Der zusätzliche Lehrkräftebedarf für die allgemeinbildenden Schulen ergibt sich aus der derzeitigen Schüler/Lehrer-Relation. Diese lag in Bremen nach den neuesten verfügbaren Daten der Kultusministerkonferenz (KMK - Dokumentation 2015: Schüler-Klassen-Lehrer) im allgemeinbildenden System Bremens bei 13,7 SchülerInnen pro Lehrkraft. Der zusätzliche Bedarf beträgt hier also 116,7 Lehrer-Vollzeiteinheiten, wenn die Schüler/Lehrer-Relation nicht verschlechtert werden soll. Und dies ist unabdingbar angesichts des Bremer Rückstandes.
  • Hinzu kommt der Bedarf im berufsbildenden Bereich. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge werden nach den Vorkursen zum größten Teil in Berufsvorbereitungsklassen gehen müssen. Der Bedarf wird jedoch erst nach und nach entstehen und wird vorsichtig geschätzt auf 100 Klassenverbände anwachsen, in denen gut 1000 SchülerInnen nach dem Besuch eines Vorkurses unterrichtet werden. Der Lehrkräftebedarf für diese Zahl von Klassenverbänden beträgt nach der aktuellen Schüler/Lehrer-Relation ca. 89 Lehrer-Vollzeiteinheiten. Hinzu kommt (gerade in diesem Bereich) die notwendige Neueinstellung von SozialarbeiterInnen in einer Ausstattung entsprechend derjenigen der Werkschule. Das bedeutet für das Schuljahr 2016/17 einen Bedarf von ca. 33 zusätzlichen SozialarbeiterInnen.
  • Für Bremerhaven hat das Schulamt bereits am 01.12.15 im Schulausschuss eine Prognose vorgelegt: Der zusätzliche Personalbedarf beträgt hiernach für den Doppelhaushalt 2016/17 140,9 Lehrerstellen.

So sieht der Bedarf aus. Jetzt kommt es darauf an, dass Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen sich öffentlich für dessen Erfüllung einsetzen!