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Frauen in der Bildung

"Es bleibt viel zu tun"

Die Frauenbeauftragten Bettina Münsterberg (Bremerhaven) und Anke Wuthe (Bremen) werben im Interview für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Wie gleichberechtigt sind Frauen, die im Bereich Bildung beschäftigt sind?

Anke Wuthe: Auf den ersten Blick könnte man meinen im Bildungsbereich sei Gleichberechtigung kein großes Thema. Es gibt schließlich mehr weibliche als männliche Beschäftigte und bei der Besetzung von Funktionsstellen werden, bei gleicher Qualifikation, Frauen bevorzugt, wenn sie in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentiert sind. Aber bei genauerem Hinsehen gibt es doch deutliche Benachteiligungen, insbesondere bei Beschäftigtengruppen, die überwiegend von Frauen besetzt sind: So sind beispielsweise die meisten Pädagogischen Mitarbeiter*innen in Zwangsteilzeit und bekommen kein existenzsicherndes Einkommen.
Im Grundschulbereich ist die Bezahlung der Lehrer*innen deutlich schlechter als in den anderen Schulstufen. In beiden Bereichen arbeiten vorwiegend Frauen. Je jünger die Kinder desto pädagogischer und „weiblicher“ die Tätigkeit, desto schlechter wird sie bezahlt und desto geringer ist die Wertschätzung und desto höher die Unterrichtsverpflichtung. Dabei ist die pädagogische Arbeit mindestens genauso anspruchsvoll wie wissenschaftliche Arbeit und muss auch gleich bezahlt werden. Gleiche Ausbildung - gleiche Bezahlung, egal in welcher Schulstufe. Laut Rechtsgutachten wird die Eingruppierung von Grundschullehrkräften mit A12 auch ganz konkret als mittelbare Geschlechterdiskriminierung bewertet.

Bettina Münsterberg: Unterschiede bestehen u. a. bei der Vergütung der Lehrkräfte. Im Primarbereich arbeiten vorwiegend Frauen. Die Bezahlung ist schlechter als in anderen Schulstufen. Es bestehen keine höher bezahlten Funktionsstellen. Viele der pädagogischen Mitarbeiterinnen arbeiten in Teilzeit deren Entlohnung oftmals nicht existenzsichernd ist. Zusätzlich werden sie oft  als „Lückenbüßer“ eingesetzt, wenn der Ausfall zu hoch ist. In den Geschäftszimmern arbeiten ausschließlich Frauen, davon der größte Anteil in   Teilzeit mit niedriger Eingruppierung. Trotz der vielfältigen anspruchsvollen Tätigkeiten gab es keine Aufwertung der Stellenbewertung.

Was sind die größten Herausforderungen /Probleme für Frauen in der Bildung?

Anke Wuthe: Das kommt sehr auf die Schulstufe und auch auf den Standort an, aber Beruf und Familie mit den Arbeitszeiten und außerunterrichtlichen Terminen zu vereinbaren ist etwas, was für alle Beschäftigten gleichermaßen schwierig ist. Die spezifischen Arbeitszeiten und vielfältigen außerunterrichtlichen Verpflichtungen sind eine große Belastung. Probleme die insbesondere Frauen betreffen sehen wir bei der Genehmigung von Fortbildungen und dem Zugang zu Funktionsstellen im berufsbildenden Bereich. 
Eine weitere und zunehmende Herausforderung insbesondere für Frauen in Schule ist die Auseinandersetzung mit Schüler*innen und Eltern, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht respektieren.

Bettina Münsterberg: Gemeinsam ist ihnen die Schwierigkeit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu organisieren. Und das bezieht sich nicht nur auf Kindererziehungszeiten, sondern zunehmend auch die der Sorge und Pflege von Angehörigen. Für die Unterrichtenden reicht ja nicht nur ggf. Stundenreduzierung zu beantragen, denn es kommen viele Aufgaben außerhalb des Unterrichts unabhängig von der Klassenleitung hinzu. Regelmäßige Termine wie Gesamt- und Fachkonferenzen, Teamsitzungen usw. müssen eingeplant werden, Zeiten für Klassenfahrten organisiert, die Vielzahl von Dokumentationen geführt und Eltern- oder Schüler*innengespräche berücksichtigt sowie Kontakte mit außerschulischen Bildungspartnern gepflegt werden usw.. Die Respektlosigkeit gegenüber den beschäftigten Frauen in der Schule von Schüler*innen und Eltern führen immer häufiger zu Konflikten, dies nicht nur bei Familien mit Migrationshintergrund.

Wie steht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen und Männern, die in der Bildung beschäftigt sind?

Anke Wuthe: Ganz dickes Brett. Wir haben gefordert, dass die senatorische Behörde, die sich mit dem audit beruf und familie  als familienfreundlicher Betrieb hat zertifizieren lassen, dieses auch für den Bereich Schulen tun soll. Aber anstatt mit einer solchen Zertifizierung gleichzuziehen, ist dieses Prädikat für die Behörde ausgelaufen und nicht erneuert worden. Es bleibt also viel zu tun. Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit muss im System Schule verankert werden. Der Teilzeiterlass muss neu aufgelegt werden und verlässliche Regelungen für außerunterrichtliche Tätigkeiten entsprechend des Stundendeputats gefunden werden.
Ziel ist es, Arbeitszeiten mit den verschiedenen Lebensphasen in Einklang zu bringen und dadurch Zufriedenheit, Motivation und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten zu erzielen

Bettina Münsterberg: Der Magistrat ist als familienfreundlicher Betrieb mit dem Audit Beruf und Familie Gütesiegel zertifiziert. Allerdings gilt Dieses nicht für den Bereich Schulen. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Schulamt eine Handreichung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für den Schulbereich erarbeitet und  2013  abgeschlossen. Ein großer zu überarbeitender bzw. ergänzender Bereich ist die Regelung zur Teilzeitarbeit. Die Handreichung bzw. der Erlass wird von den Schulen ganz unterschiedlich umgesetzt. So ist u. a. wichtig, für alle Schulen verlässliche Regelungen zu Arbeitszeiten, freien Tagen, anteilige Teilnahme an Konferenzen und an anderen außerunterrichtlichen Tätigkeiten wie Klassenfahrten usw. entsprechend der Unterrichtsverpflichtung verbindlich zu vereinbaren. Im September gibt es einen ersten Aufschlag zur Überarbeitung bzw. Ergänzung mit dem Schulamt.

Wo besteht für die zuständige Behörde dringender Handlungsbedarf?

Anke Wuthe: Die Notwendigkeit familienfreundlicher Arbeitsbedingungen muss erkannt werden. Sie sind die Grundlage um Fachkräfte zu motivieren und ihnen, sofern gewünscht, ein  höheres Stundendeputat zu ermöglichen. Das ist im Interesse aller Beteiligten. Das setzt u.a. voraus, dass die personellen Ressourcen so erhöht werden,  dass die Aufgaben derer, die in Teilzeit oder Elternzeit gehen, nicht als Zusatzbelastung an die Kolleg*innen weitergegeben wird. Funktionsstellen müssen teilbar und in Teilzeit möglich sein. Und natürlich müssen Kita Zeiten so gestaltet werden, dass sie mit den Arbeitszeiten der Beschäftigten in Schulen kompatibel sind. Dass dies möglich ist, sehen wir in anderen europäischen Ländern. 

Bettina Münsterberg: Ein Großteil der Frauen arbeitet in Teilzeit. Dies ist oft ein Hinderungsgrund Funktionsstellen zu bekommen. Von daher müssen Funktionsstellen teilbar sein. Leitungsaufgaben werden im Vorfeld durch Aufgabenübertragung an Kollegen verteilt und sichern ihnen so Vorteile für die Beurteilung und für zukünftige Bewerbungsverfahren. Ein besonderer Wiedereinstieg nach der Elternzeit muss geregelt sein, z. B. für die Eingewöhnung der Kinder in die Kita oder die mit deren Einschulung verbundene Zeit. 
Die personellen Ressourcen müssen in allen Bereichen erhöht werden, um den Frauen die Möglichkeit zu gewährleisten ihr Rechte auf Pflege-, Eltern-  oder Teilzeitarbeit in Anspruch zu nehmen.

Wie können Männer oder Partner*innen der betroffenen Frauen helfen?

Anke Wuthe: In wieweit sie Unterstützung ihrer Partner*in benötigen, müssten Sie die Betroffenen fragen. Aber eine partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben in der Familie und im Beruf ist sicher hilfreich. Wenn Frauen die Chance haben stärker am Berufsleben teilzuhaben indem auch der*die Partner*in  die Arbeitszeit reduziert, um für die Familie da zu sein, ist das nicht nur gut für Partnerschaft auf Augenhöhe sondern auch für die Renten bzw. Pensionen der Frauen.

Bettina Münsterberg: Das ist kein Schwerpunkt unserer Arbeit als FB. Sicherlich ist eine partnerschaftliche Aufteilung aller Aufgaben wünschenswert.

Was kann/muss die GEW tun, um die Situation für Frauen in Bildung insgesamt zu verbessern - auch in der eigenen Organisation / im eigenen Haus?

Anke Wuthe: Erst einmal im eigenen Haus beginnen. Frauen sind in fast allen Gremien der GEW unterrepräsentiert, obwohl fast 70% der Mitglieder weiblich sind.  Der Arbeitskreis Frauen sollte gestärkt und entsprechend seiner Arbeit anerkannt werden, anstatt ihn zu blockieren und infrage zu stellen. Und selbstverständlich sollte sich die GEW weiter für die Zertifizierung der Schulen als familienfreundlicher Arbeitsplatz einsetzen, für eine bessere personelle Ausstattung und bessere Arbeitsbedingungen.

Bettina Münsterberg: Entsprechend der Beschlüsse vom Gewerkschaftstag sollte die GEW  sich weiter für die Zertifizierung der Schulen als familienfreundlicher Arbeitsplatz einsetzen sowie für eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung sowie bessere Arbeitsbedingungen.