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Eine Schule für alle als Leitgedanke

Die Situation in Bremerhaven

Es ist nun bald 18 Jahre her, dass die GEW auf ihrem Lübecker Bundesgewerkschaftstag 2001 das „gemeinsame Lernen in der `Einen Schule für alle´“ als schulpolitischen Leitgedanken festschrieb. Seitdem ist in den Landesverbänden und den Bundesgremien viel über dessen Verwirklichung unter Bezug auf die tatsächlichen Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern nachgedacht worden. Wenngleich „Eine Schule für alle“ in keinem Gebiet der Bundesrepublik wirklich uneingeschränkt umgesetzt wurde und sich dies auch nirgendwo abzeichnet, gilt der Beschluss weiterhin und ist politisch richtig. Dieser Leitgedanke bleibt Maßstab für die Bewertung des Schulsystems.

Die Bremer Entscheidung von 2009

Das Land Bremen hat bekanntermaßen schulstrukturell einen anderen Weg gewählt. Für einen Moment erinnere man sich an die Selbstwahrnehmung der Landesregierung im Jahre 2009, als die damalige Senatorin Jürgens-Pieper in der Bürgerschaftsdebatte zum neuen Schulgesetz, das Neue Deutschland zitierend, von einer möglichen „Schulrevolution“ sprach, die in Bremen beginne. Bezuggenommen wurde auf das „Zwei-Säulen-Modell“ und den dieses Konzept absichernden „Schulfrieden“.

Man denke aber auch zurück an die damalige bildungspolitische Diskussion, die auf Grund der „PISA“-Ergebnisse in großer Aufregung geführt wurde. Anscheinend hatte man sich nicht vorstellen können, dass

  • die Bundesrepublik im Weltmaßstab keine zufriedenstellenden Ergebnisse erreichen würde;
  • in einer 16-er Tabelle auch ein 16. Platz vergeben wird – keinesfalls an Bremen, dachten zumindest die Bremer*innen;
  • die soziale Spaltung der Gesellschaft und der Beitrag des Bildungssystems nachgerechnet - und gerade Bremen mangelnde Gerechtigkeit bescheinigt wird!

Nun lässt die Landesregierung am Ende der zehnjährigen „Friedenszeit“ die Entwicklung in den Schulen evaluieren, und neben vielen einzelnen Befunden hebt die hochkarätig besetzte Kommission an exponierter Stelle hervor, dass Bildung in Bremen und Bremerhaven unterfinanziert und die soziale Lage unverändert erschreckend ist. Die nun nicht mehr wegzuschiebende Frage lautet: Kann durch „2 Säulen“ die ermittelte soziale Spaltung überhaupt aufgehoben werden?

Wirft man einen Blick in die Analysen, so bekommt man Zweifel, ob die Überwindung der so weit auseinander liegenden Lebensbedingungen tatsächlich geschehen soll. Neben der o.g. Kommission gibt die Bremer Fachgruppe Oberschulen eine dezidierte Übersicht über die Mängel in der Umsetzung des Schulgesetzes. In Bremerhaven veröffentlicht der Stadtverbandsvorstand seit einigen Jahren zu Schuljahresbeginn unter dem Titel „So sieht´s aus!“ eine gesammelte Rückmeldung aus den Schulen über die dort herrschenden Lern- und Arbeitsbedingungen. Übereinstimmend werden berechtigte Klagen geführt über zu wenige Pädagog*innen, mangelnde Vorbereitung der Reform, geringe materielle Ausstattung und fehlende Kohärenz von Räumen und moderner Pädagogik.

Diese Aussagen sind nicht neu, nur systematischer zusammengefasst. Die Ernüchterung bleibt - über die Situation und die politischen Entscheidungsträger. Statt Verantwortungsübernahme wird vielfach weiterhin der Eindruck erweckt, als würde sich die Schulentwicklung schon zurechtlaufen.

Der Stadtverbandsvorstand in Bremerhaven ist bei der Einführung der Schulentwicklungsplanung zu Beginn des Reformprozesses milde belächelt worden, als er 170 zusätzliche Stellen forderte, ungefähr zur Hälfte für die Umsetzung der Inklusion und zur anderen für Bildungsinitiativen in armen Stadtteilen. Dies geschah in einer Zeit, in der „Fachkräfte“ zu haben waren. Eine vorausschauende Politik damals würde uns jetzt größere Chancen auf erfolgreiche Bildungsprozesse eröffnen. Die Fehlentscheidungen von Senatoren, Dezernenten und Parlamenten wirken heute nach.

Inklusion und „Eine Schule für Alle“

Mit dem neuerlichen Beschluss zur Inklusion beim Bundesgewerkschaftstag in Freiburg 2017 hat sich die GEW selbst verpflichtet, einen „Prozess der systematischen Weiterentwicklung eines gewerkschaftlichen Inklusionsverständnisses“ zu initiieren. „Inklusion“ ist ein Verständnis von gesellschaftlicher Entwicklung, mit dem Verwerfungen wie die soziale Spaltung angegriffen werden. „Eine Schule für alle“ wäre dazu die schulpolitische Entsprechung.

Hier könnte der Ansatzpunkt für die Fortsetzung auch der bremischen Diskussion liegen. Geht man von einem entsprechenden Gesellschaftsbegriff aus, so wird deutlich, dass Schule allein keine Lösung erzielen wird. Schul-, Gesellschafts- und Sozialpolitik müssen vielmehr aufeinander bezogen werden, und die kompensatorische Funktion der Bildung ist realistisch zu bestimmen. Die Beantwortung der darin enthaltenen Systemfrage wird von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen abhängen, die „2 Säulen“ jedenfalls haben keinen Fortschritt gebracht. Länder wie Berlin und Hamburg, welche die Wahlfreiheit zwischen den Säulen völlig freigeben, zeigen nur den Weg in die Absicherung der Spaltung. Auf „Eine Schule für alle“ laufen derartige Modelle eindeutig nicht zu.

Soll aber eine inklusive Schule auf eine inklusive Gesellschaft vorbereiten, so sind die oben kritisierten Bedingungen zunächst grundlegend zu verbessern. Zudem ist der Sinn dafür zu schärfen, dass wir gerade eine gesellschaftspolitische Debatte führen, die durchaus an Grundfesten rüttelt und Selbstverständliches in Frage stellt. Die unzureichenden Bedingungen spielen denen in die Hände, die nach Überholtem rufen und Vorbehalten Raum verschaffen. Beides, die inklusive Schule und die inklusive Gesellschaft, wird somit Geld kosten. Man kann dazu auf das Ende des Sanierungspfades 2020 hoffen. Eine Bildungsgewerkschaft darf sich darauf nicht beschränken, sie wird weiterhin für angemessene Ausstattung kämpfen. Gleichzeitig jedoch muss sie den gesellschaftspolitischen Diskurs führen. Nur dieser schafft die Voraussetzungen für „Eine Schule für alle“.

Das große Entrümpeln | Personalversammlung in Bremerhaven

von Dorothea Schulz

Rund 1000 Mit6arbeiter*innen nahmen an der Bremerhavener Personalversammlung im März teil. Das große Thema war natürlich die Arbeitssituation in Zeiten von Fachkräftemangel und einer hohen Anzahl von Flüchtlings- und anderen Migrationskindern.

Zuerst stellte Kollege Helmut Zachau die Ergebnisse des ISF über die Untersuchung im Primarbereich hinsichtlich der vielen Aufgaben vor. Fazit war, dass inzwischen die vielen verordneten Aufgaben einer Lehrkraft eine Gefahr darstelle. Dies Ergebnis kann auch auf andere Professionen in Schule und andere Schulstufen übertragen werden.

Im zweiten Teil berichtete Schuldezernent Michael Frost, über Planungen zur Entlastung und Unterstützung des vorhandenen Personals und zur Anwerbung neuer Kolleg*innen. Zum Teil handelt es sich jedoch um Maßnahmen, die von der Zustimmung des Bremer Senats abhängig sind, unter anderem die Rücknahme der befristeten Erhöhung der Unterrichtsstunden oder A 13/ E 13 für alle Lehrlräfte. Zum Abschluss dieses Teils wurde dazu ein Antrag von GEW-Kolleg*innen zur Unterstützung von bereits mehrfach erhobenen Forderungen einstimmig angenommen.

Am Ende der Personalversammlung rief der Landesvorstandssprecher der GEW, Bernd Winkelmann, zu einer Aktion auf. Alle Entrümpelungsbeauftragten der einzelnen Schulen sollten ihren „Müll“ zum Entsorgen zu einem Laster vor der Halle bringen. Da wurden dann überflüssige EÜs, alte Kassettenrekorder, schlechte Software und vieles andere mehr „entsorgt“. Wohin? Das erfahrt ihr in der nächsten BLZ-Ausgabe.