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Die Vorkursschule

Die Schulen im Land Bremen stehen vor großen Veränderungen. An immer mehr Schulen werden neue Flüchtlingsklassen eingerichtet. In Kattenturm werden gleich sieben Vorkurse unter einem Dach unterrichtet.

"Da rollt eine große Welle auf das Regelsystem zu", sagte Michael Huesmann, Abteilungsleiter in der Bildungsbehörde, auf einer Schulleiterdienstbesprechung und meinte damit die Integration von Kindern und Jugendlichen, die in diesem Jahr nach Bremen gekommen sind und nach einem Jahr im Vorkurs (VK) in reguläre Klassen wechseln. Und er brachte den Grundschulleiter/innen Zahlen mit, damit sie sich besser vorstellen können, wie groß die Welle sein wird: "Durch die Schüler/innen in den Vorkursen werden bis zum Jahr 2020 bis zu 110 neue Klassen in den verschiedenen Schulformen eingerichtet werden müssen. Allein dafür entstehen Personalkosten von mindestens 13 Millionen Euro."

Auch die weit mehr als hundert Vorkurs-Schüler/innen der Schule an der Theodor-Billroth-Straße (TBS) – einer Depandance der Allgemeinen Berufsschule – werden nach spätestens einem Jahr in anderen Bildungsgängen Deutsch lernen. Aber bis es soweit ist, lernen die vorwiegend männlichen TBS-Schüler im Bremer Süden die ersten Bausteine einer für sie neuen Sprache. "Bei uns sind sehr viele Jugendliche aus vielen verschiedenen Ländern unter sich. Das macht die Integration natürlich schwierig, Konflikte zwischen den jungen Menschen sind jederzeit möglich", sagt Bettina Horn-Udeze. Die Lehrerin koordiniert die VK-Klassen und sie hat damit alle Hände voll zu tun. Die meisten Jugendlichen und jungen Männer kommen aus Guinea, Gambia, Somilia, aber auch aus Syrien und Afghanistan. Ihre Deutschkenntnisse sind unterschiedlich, einige sind Analphabeten. Aber durch die Vielzahl an Vorkursschüler ergeben sich auch Vorteile. Horn-Udeze: "Wir können die Klassen einigermaßen homogen einteilen und  kommen so schneller zu ersten Lernerfolgen. Die meisten anderen Schulen, die nur einen oder zwei VKs haben, können das nicht."

Problematisch ist allerdings die derzeitige Situation in Sachen Schulsozialarbeit. Nur der Sozialpädagoge Hameth Ba kann sich um die sieben VKs und weitere sechs Berufsorietierungsklassen kümmern. "Ich kann nicht gleichzeitig überall sein. Manchmal muss ich von Klasse zu Klasse springen", sagt Ba. "Vor kurzem war ich für mehr als drei Stunden nicht in der Schule. Ich musste mit einem Junge aus Gambia, der akute Bauschmerzen hatte, als Übersetzer und Begleiter ins Krankenhaus. Unterricht ohne sozialpädagogische Betreuung - das ist auch für die Lehrkräfte belastend."

Die schlechte personelle Ausstattung könnte sich aber bald verbessern. Nach schulinternen und -externen Protesten gab es jetzt positive Signale und Finanzmittel für zwei Stellen im Bereich  Sozialpädagogik. Hameth Ba und das TBS-Kollegium hoffen auf eine schnelle Umsetzung der Pläne und damit auf spürbare Entlastung.

Horn-Udeze hat einen weiteren Wunsch. "Die zentrale Zuweisung der VK-Schüler an die Schulen durch die Behörde ist keine gute Lösung. Eine vorgelagerte pädagogische Beratung ist da wesentlich besser." Petra Jendrich, Referatsleiterin Berufliche Bildung, verweist in diesem Zusammenhang auf die hohe Anzahl von schulpflichtigen Flüchtlingen und die begrenzte Anzahl an Beratern. VK-Koordinatorin Horn-Udeze vermisst ein tragfähiges Konzept bei der Flüchtlingsbeschulung. Auch deshalb arbeitet sie derzeit mit Thorsten Block vom Landesinstitut für Schule an einer pragmatischen Handreichung zum Thema "Umgang mit VK-Klassen und Flüchtlingskindern", damit ihre Kolleginnen und Kollegen "nicht mehr so häufig allein auf sich gestellt sind", so die Autoren.