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Arbeitszeitverkürzung

Die Lösung für viele Probleme

Wie Arbeitszeitverkürzung funktionieren kann

Foto: Lilith Krieger

Was Karl Marx vor 150 Jahren als Bedingung für das Reich der Freiheit bezeichnet hat, ist aktuell wieder Gegenstand wirklicher Bewegungen. Die IG Metall hat in ihrem jüngsten Tarifkampf die 28-Stundenwoche als Option erstritten, wenn auch nur auf maximal zwei Jahre begrenzt und ohne Lohn- und Personalausgleich. In Göteborg wurde für Beschäftigte verschiedener Betriebe der Sechs-Stundentag mit vollem Lohnausgleich eingeführt. Kürzere Arbeitszeiten sanieren die Sozialkassen und erhalten die Gesundheit.

Ökonomisch machbar

In Deutschland gibt es faktisch fünf bis sechs Millionen Arbeitslose. Das ist ein unmöglicher Zustand, der durch die Arbeitszeitverlängerungen der vergangenen Jahre verschärft wird. Menschen haben keine Zeit, sich um ihre Familien zu kümmern, die geschlechtergerechte Verteilung von Arbeit wird immer schwieriger. Dem wollen wir etwas entgegensetzen. In der Bremer Arbeitszeitinitiative haben sich Arbeitnehmerkammer, der DGB und die Einzelgewerkschaften, die Arbeitnehmerorganisationen der Kirchen und Attac zusammengeschlossen. Wir halten die Arbeitszeitverkürzung für die Lösung vieler gesellschaftlicher Probleme - und für ökonomisch machbar. Das haben wir in unserem "ABC" durchdekliniert. Damit wollen wir die Argumente für kürzere Arbeitszeit bekannt machen. Laut Berechnungen des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft müsste die Arbeitszeit auf 28,8 Stunden fallen, um alle arbeitsuchenden Menschen auf dem derzeitigen Produktionsniveau zu integrieren. Wir würden etwa 30 Stunden pro Woche vorschlagen.

In der Krise des Jahres 2009 gab es enorme indirekte Arbeitszeitverkürzung. In dem Jahr wurde durchschnittlich 30 Stunden gearbeitet. Das Bruttosozialprodukt schrumpfte um 5,6 Prozent, die Arbeitslosigkeit wuchs aber nur um ein Prozent. Im Ausland wird dies als "deutsches Beschäftigungswunder" bezeichnet. Es gelang durch Kurzarbeit, Arbeitszeitkontenabbau und beschäftigungssichernde Arbeitszeitverkürzung. Arbeitszeitverkürzung hat sich also in der Praxis bewährt.

Voller Lohnausgleich möglich

Bei den unteren Lohngruppen muss ein voller Lohnausgleich gezahlt werden. Die können auf keinen Cent verzichten. Das Land Bremen muss 102 Millionen Euro im Jahr für ,Aufstocker' aufwenden, die so wenig verdienen, dass sie trotz Erwerbstätigkeit auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Das ist ein Unding. Die mittleren Lohngruppen müssten teilweisen Lohnausgleich bekommen, höhere nicht unbedingt.

Alle, die durch Arbeitszeitverkürzung anderer dann nicht mehr arbeitslos oder in Minijobs beschäftigt wären, würden so viel mehr in die Sozialkassen einzahlen, dass die sinkenden Beiträge mittlerer und hoher Einkommen überkompensiert würden. Ein voller Lohnausgleich für alle wäre aber auch möglich, weil die Produktivität durch Arbeitszeitverkürzung wächst. Das kommt den Arbeitgebern direkt zugute. Bei einem Sechs-Stunden-Tag ist man ausgeruhter, es gibt weniger Arbeitsunfälle. Die schnellen mit zunehmender Arbeitszeit in die Höhe. Das Problem ist: Die wenigsten Arbeitgeber sind einsichtig. Sie sehen es nicht oder geben es nicht zu, weil sie zu sehr in ihrer engen Einzelkapitallogik gefangen sind.

Schön, mehr Zeit zu haben

Die Hälfte aller Beschäftigten geht viel früher als mit 65 Jahren in Rente. Die immer intensivere und teils längere Arbeit zieht oft unendliche Krankschreibungen und psychische Erkrankungen nach sich. Durch kürzere Arbeitszeiten bleiben ältere Beschäftigten länger gesund. Hinzu kommt das Arbeitskräftepotenzial vor allem von Frauen, die wegen Kindern pausieren. Ein Sechs-Stunden-Tag würde viele von ihnen locken - damit lässt sich Kinderbetreuung viel besser vereinbaren als mit acht Stunden tägliche Arbeit. Es gibt in Bremen einige Unternehmen, die Ansätze zur Arbeitszeitverkürzung umsetzen, wie die Brauerei Becks oder Arcelor Mittal. Dort gibt es einen Teillohnausgleich. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch aus den unteren Lohngruppen, haben sich dort für eine kürzere Wochenarbeitszeit entschieden. Sie haben gemerkt, wie schön es ist, etwas mehr Zeit zu haben.

Margareta Steinrücke hält am Donnerstag, 14. Februar 2019, um 19:30 Uhr in der Villa Ichon (Goetheplatz 4, Bremen) einen Vortrag zum Thema „Arbeitszeitverkürzung zwischen Utopie und wirklicher Bewegung“. Sie referiert über die heutige Bedeutung der Arbeitszeitverkürzung zwischen diesen beiden Polen - im Jahr des 100. Geburtstags des Acht-Stunden-Tages.