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„Die Bildungsdiagnostik muss verbessert werden.“

Bei der Integration von Zugewanderten in das Ausbildungssystem gibt es noch zahlreiche Schwierigkeiten, wobei die schulische Vorbereitung und die Unterstützung während der Ausbildung durch die Berufsschulen und Unternehmen enorm wichtig sind, sagt René Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Uni Bremen. Mit einer empirischen Analyse hat der Wissenschaftler im vergangenen Jahr die Gelingensbedingungen und Hürden beim Start in das Ausbildungssystem untersucht.

Was brauchen junge Menschen, die in Bremen ankommen, vor allem, damit der Start in das Berufsleben besser gelingt?

Als erstes natürlich ausreichende Sprachkenntnisse, aber auch eine passgenaue und längere Unterstüzung. Oft wird bei der Einschulung nicht so genau hingeschaut, welche Kompetenzen die Flüchtlinge mitbringen, welche Stärken und Schwächen sie haben. Die Bildungsdiagnostik ist unzureichend. Sie müssen besser beraten werden, welche Möglichkeiten das Bremer Schul- und Ausbildungssystem bietet. Aus den berufsbildenden Schulen höre ich, dass viele SchülerInnen bisher in den „falschen“ Vorkursen sind. Einige lernen Metallberufgrundlagen und wollen lieber in den Gastrobereich und umgekehrt. Die Vorkurse sind zudem oft sehr heterogen besetzt, da ist die Binnendifferenzierung schwer. Und die Geflüchteten brauchen insgesamt eine längere Schulzeit, um auf ein für eine Ausbildung erforderliches Grundniveau in Deutsch und Mathematik zu kommen. Die einjährigen Vorkurse reichten da bei weitem nicht aus. Auch die zweijährigen Klassen, die ab 2016 geplant sind, werden vielleicht für eine Reihe von Geflüchteten zu kurz sein, um eine Ausbildung erfolgreich meistern zu können.

Die Bremer Bildungsbehörde reduziert die Beratung, auch um die Flüchtlinge schneller beschulen zu können?

Das ist ein schwieriger Spagat. Einerseits sollten die Geflüchteten so schnell wie möglich eine Schule besuchen können, andererseits ist eine intensive Beratung extrem wichtig für den nachhaltigen Erfolg bei der Integration. Vielleicht könnte die Zeit bis zum Schulbesuch durch eine intensivere Hausbeschulung in den Flüchtlingsunterkünften genutzt werden.

Und was können die Ausbildungsbetriebe tun, damit die Flüchtlinge weniger Probleme bekommen?

Die Sprachförderung darf auch während der Lehre nicht aufhören. Am besten wären berufsbegleitende Deutschkurse während der Ausbildung, aber auch firmeneigene Lehrkräfte – das zeigen einzelne Beispiele – können hilfreich sein. Viele der Zugewanderten brauchen individuelle Betreuung. Eine hohe Ausbildungsqualität ist erforderlich. Denkbar ist, dass sich mehrere kleinere Ausbildungsbetriebe zu Verbünden zusammenschließen und sich gegenseitig unterstützen.

Die unklare rechtliche Situation vieler Flüchtlinge behindert den Lernerfolg, oder?

Ja, das ist so. Wir bekamen von allen Experten in Schule und Wirtschaft gespiegelt: Das gültige Asylrecht bringt Unsicherheit. Es ist doch klar, dass sich die SchülerInnen häufig nicht gut auf die Lerninhalte konzentrieren können, wenn nicht klar ist, wie es mit ihnen weitergeht.

Ziel der IAW-Studie war es, Handlungsempfehlungen für die politischen und schulischen Akteure in Bremen sowie die Unternehmer zu formulieren. Welche können Sie geben?

An allererste Stelle steht, dass der Bund auf der lokalen Ebene auch endlich die finanziellen Ressourcen bereitstellen muss, damit Integration in Ausbildung gelingen kann. Bisher werden nicht mal 20 Prozent der Kosten der Flüchtlingshilfe vom Bund übernommen. Mit mehr finanziellen Mitteln für die Flüchtlingsarbeit halte ich vier Dinge für wesentlich: Ganz am Anfang muss eine systematische Bildungsdiagnostik stehen. Zweitens: mehr Unterstützung vor und während der Ausbildung sowie mehr Schulsozialarbeit, weil sonst der Ausbildungserfolg einfach nicht realistisch ist. Drittens: Angebote auch für die zahlreichen18- bis 25-Jährigen, die bisher keinen Anspruch auf schulische Vorbereitungsmaßnahmen haben. Und schließlich müssen die Wohn- und Lernbedingungen verbessert werden. Die sind bislang oft so schlecht, dass sie sich nicht für eine Ausbildung eignen.

Flüchtlinge haben im Vergleich zu ihren inländischen Mitbewerbern insgesamt geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz. In welchen Berufen und Branchen haben sie etwas bessere Möglichkeiten?

In Banken, als Verkäufer oder in Kitas ist es natürlich schwieriger, etwas zu finden. In weniger sprachintensiven Berufen sind die Chancen grundsätzlich besser. Da bieten sich Branchen wie zum Beispiel der Metall- oder Logistikbereich an oder auch das Handwerk. Allerdings sind viele Handwerksbetriebe eher klein und können sich meistens nicht so intensiv um die jungen Flüchtlinge kümmern, wie es große Unternehmen können.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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