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Der Bremer Beamtenstreik

Rund tausend Lehrerinnen und Lehrer haben am 16. Mai vor der Bürgerschaft gemeinsam mit Beschäftigten von Polizei, Feuerwehr, Behörden und Gerichten gegen die Pläne des Senats zur Beamtenbesoldung protestiert. Mehr als sechshundert streikende Lehrkräfte zogen anschließen noch vor die Finanz- und Bildungsbehörde um ihren Unmut über die gestiegene Arbeitsbelastung, die unzureichende Ausstattung der Schulen und die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit deutlich zu machen. In der voraus gegangenen Personalversammlung am 15. Mai hatte Petra Lichtenberg den Streik begründet: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, die GEW hat ihre beamteten Mitglieder für morgen [17. Mai 2013, Anmerk d. Redaktion] zum Streik aufgerufen. Daraus ergeben sich eine Menge Fragen, über die wir heute sprechen müssen. Die erste Frage ist:

Dürfen Beamte überhaupt streiken?

Unsere Senatorin Quante-Brandt hat uns fürsorglich darauf hingewiesen, dass wir nach ihrer Rechtsauffassung nicht streiken dürften. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht das anders: Das aus den althergebrachten Grundsätzen des deutschen Berufsbeamtentums hergeleitete Streikverbot ist völkerrechtswidrig. Nach europäischem Recht ist das Streikrecht ein demokratisches Grundrecht – auch das der Beamten. Auch deutsche Gerichte entscheiden mittlerweile unterschiedliche – und diese Frage ist noch lange nicht ausgeklagt. Die zweite Frage ist:

Warum soll gerade morgen am 17. Mai 2013 gestreikt werden?

Schon morgen am 17. Mai 2013 soll in der Bürgerschaft das Gesetz zur Nicht-Besoldungsanpassung in erster Lesung beschlossen werden. Das ist Anlass genug, der Bremer Landesregierung laut und deutlich zu sagen und vor allem zu zeigen, dass wir dieses Vorhaben entschieden ablehnen. Wir, die Beamtinnen und Beamten, erbringen ebenso gute Leistungen wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen an den Bremer Schulen. Wir machen eine gute Arbeit und das trotz einer mittlerweile insgesamt unerträglich dünn gewordenen Personaldecke und unter schwierigsten Bedingungen. Es ist eine Sauerei, dass ein von den Gewerkschaften erkämpftes Tarifergebnis nicht sofort und in gleicher Weise auf alle Beschäftigten übertragen wird. Das Konzept wurde nicht mal mit den Gewerkschaften verhandelt, sondern es wurde völlig undemokratisch einfach beschlossen und dann den Gewerkschaften verkündet. Wir fordern die Übertragung dieses Tarifergebnisses! Wir fordern die Bürgerschaft auf, diesen Gesetzesentwurf abzulehnen.
Wir haben alle eine lange Ausbildung hinter uns, wir arbeiten engagiert, wir arbeiten viel und wir arbeiten gut – das Ganze unter Bedingungen, die an vielen Stellen unerträglich bis unwürdig sind. Wir arbeiten in einem Bereich, der elementar wichtig ist für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen und für die Gesellschaft. Diese gute und wichtige Arbeit unter diesen Bedingungen hat ihren Preis. Den fordern wir.
Damit wir aber nicht zu böse werden, haben haben unsere beiden Bürgermeister Böhrnsen und Linnert bei uns Beschäftigten selbst in einem gemeinsamen Brief um Verständnis für die als schmerzhafte, aber notwendige bezeichnete Maßnahme geworben.

Uns fehlt für die angekündigte Maßnahme jedes Verständnis, Frau Linnert und Herr Böhrnsen.

Uns fehlt auch jegliches Verständnis für die selbstauferlegte Schuldenbremse. Wir setzen eine Schulreform um, die Rot-Grün beschlossen hat, die nicht ausfinanziert und miserabel ausgestattet ist und wir machen trotzdem eine gute Arbeit. Wir fordern eine angemessene Bezahlung.
Wir haben längst mehrfach dauerhafte Einkommenseinbußen hinnehmen müssen und gehören bereits zum Schlusslicht in der bundesdeutschen Beamtenbesoldung. Wir wollen nicht noch weiter von der Einkommensentwicklung abgekoppelt werden. Seit vielen Jahren müssen wir beamteten Lehrkräfte der höheren Besoldungsgruppen durch Wegfall der Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, durch verspätete, bzw. verringerte Besoldungsanpassungen, durch die Senkung der Eingangsbesoldung, durch die U-50 Stunde, durch eine erhöhte Unterrichtsverpflichtung, durch verlängerte Wochenarbeitszeiten durch ständig neue Aufgaben – ebenso wie unsere nicht verbeamteten Kolleginnen – verschlechterte Arbeitsbedingungen und massive Einkommenseinbußen hinnehmen. Sonderopfer haben wir also bereits zur Genüge erbracht. Obendrauf kommt jetzt die beabsichtigte Nichtübernahme des Tarifergebnisses in Höhe von 5,6 % Einkommenseinbußen für die nächsten 2 Jahre. Dabei bleibt es aber gar nicht. Denn diese 5,6 Prozent werden uns auch in den nächsten 10, 20, 30 Dienstjahren und auch nach unserer Pensionierung bis zu unserem Lebensende nicht bezahlt. Wir können außerdem davon ausgehen, dass sich das Ganze in den kommenden Jahren wiederholen wird. Deshalb müssen wir uns jetzt wehren.
Infam ist auch, dass der Senat die Beamten in den höheren Besoldungsgruppen doch aus folgenden Gründen ausgesucht hat: Nicht nur, weil man bei uns am meisten einspart, sondern weil der Senat sicher davon ausgeht, dass gerade diese Beschäftigtengruppe, also wir, die Füße still halten wird – denn Beamte dürfen doch nicht streiken. Also kann man es doch mit uns machen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, da hat der Senat sich geirrt, mit uns kann es nicht machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die letzte Frage, die sich für mich stellt, ist:

Kann ich eigentlich noch guten Gewissens das, was hier in Bremen im Bildungswesen läuft, tragen, bzw. ertragen?

Nein, das kann ich nicht. Die Schuldenbremse, die bis 2019 in die Verfassung aufgenommen worden ist, führt dazu, dass auch im Bildungsbereich weiter und weiter Millionen eingespart werden. Wir können unter diesen Bedingungen unsere Arbeit nicht so machen, wie unsere Schülerinnen und Schüler es brauchen, um optimal auf ihre Zukunft vorbereitet zu werden. Wir werden gesundheitlich und mental unter diesen Arbeitsbedingungen verschlissen. Unsere Besoldung nicht zu erhöhen, sondern dauerhaft – wenn man die Inflationsrate noch gegen rechnet – abzusenken, ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
Erinnert sei daran, dass unserem Senat als Dienstherrn eine Fürsorgepflicht obliegt. Darüber setzt er sich großzügig hinweg – auch über die Tatsache, dass diese Nichtübertragung des Tarifergebnisses unserer Meinung nach verfassungswidrig ist. Deshalb müssen sich die Damen und Herren nicht wundern, wenn wir das verkündete Streikverbot mit der gleichen Hingabe beachten, wie diese ihre Fürsorgepflicht.