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Das Menschenrecht auf Bildung hat einen hohen Stellenwert in Kuba

Der GEW Bochum sei Dank für die Ausschreibung einer zweiwöchigen Kubareise mit dem Schwerpunkt auf Bildung und Kultur. Sie fand in den Osterferien 2013 statt. Trotz der Kürze der Zeit konnten die TeilnehmerInnen vielfältige Eindrücke mitnehmen, die im deutschen Schulalltag noch nachklingen und in einem Ländervergleich für gehörige Nachdenklichkeit sorgen.

Bildung ist ein öffentliches Gut und keine Ware

Mit der Revolution leitete Fidel Castro unmittelbar eine konsequente und äußerst wirksame Alphabetisierungskampagne 1961 ein. Während in den 1950er Jahren nicht einmal die Hälfte der Kinder eine Schule besuchte, kann der Analphabetismus heute als überwunden gelten. Dieses erfolgreiche kubanische Modell ist zur Grundlage in vielen anderen Ländern geworden. Der „Education for All Development Index“ der UNESCO hat im Jahr 2004 Kubas Bildungssystem auf eine Stufe gestellt mit den Bildungssystemen in Kanada, Finnland und Südkorea. Bei einer lateinamerikanischen Schulleistungsstudie lag Kuba in den Ergebnissen vor allen anderen Ländern des Kontinents. Mit seiner Orientierung an egalitären Prinzipien hat das staatliche Bildungssystem auch großen Anteil daran, dass patriarchalisches und rassistisches Denken im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern geringer ausgeprägt ist.

Der Besuch der Vorschule und Schule sowie die universitäre bzw. berufliche Ausbildung sind für alle kostenfrei. Dabei übernimmt der Staat auch alle anfallenden Kosten für Lernmittel, Verpflegung, Unterbringung. Es gilt eine Schulpflicht von 9 Jahren. Die Schulklassen umfassen nicht mehr als 20 SchülerInnen. Nach der sechsjährigen Grundschule folgt eine dreijährige Mittelschule. Danach schließt sich entweder eine Berufsschule oder eine auf das Studium vorbereitende Schulart von drei Jahren an. Das Studium dauert in der Regel 10 Semester. Als Ausgleich für das kostenfreie Studium müssen die UniversitätsabgängerInnen in ihrem Fachgebiet drei Jahre lang einen Sozialdienst leisten. Das entspricht ganz der Überzeugung von Jose Martí, dem kubanischen Nationalhelden und Freiheitskämpfer gegen die spanische Fremdherrschaft. Von ihm ist der Ausspruch überliefert: „ Jeder Mensch, der auf die Welt kommt, hat das Recht auf Bildung und dann die Pflicht, zur Bildung der anderen beizutragen.“

Schulen besonderer Art: die Kunst- und Musikhochschulen

In allen Provinzen von Kuba gibt es diese besonderen Schulen. Neben der Allgemeinbildung legen sie einen Schwerpunkt auf musisch-künstlerische Bildung und betreiben eine intensive Talentförderung vom Vorschulalter bis zum 18. Lebensjahr. Diese Schulen sind staatlich und kostenfrei wie alle anderen Schulen auch. Die AbgängerInnen dieser Schulen können sich entweder als ausgebildete Künstler betätigen oder aber noch ein Hochschulstudium an der Universität anschließen, um ihre Kenntnisse zu vertiefen.

Bildung dient dem Menschen

Unter dem Diktat der Ökonomisierung von Bildung wird uns in Deutschland eingebläut, dass Bildung verwertbar sein muss und der Wirtschaft zu dienen hat. In Kuba werden wir eines Besseren belehrt. Dieses wirtschaftlich arme Land leistet sich den „Luxus“ kultureller Bildung. In Deutschland hat kulturelle Bildung gegenüber den harten Schulfächern an Terrain verloren.

Der kubanische Anspruch lautet: Kunst ist für alle da und soll alle erreichen. Deshalb gibt es auch in einem ärmeren Viertel der Hauptstadt, im Stadtteil 10.Oktober, Kulturangebote und Künstler vor Ort. Sie arbeiten dort mit der Wohnbevölkerung und gestalten mit ihnen den Stadtteil künstlerisch aus.

Kuba verfügt in allen künstlerischen Sparten über eine ausgeprägte Kulturlandschaft. Sie hat ein hohes und weltweit anerkanntes Niveau erreicht, und das trotz der wirtschaftlich spürbaren Einschränkungen und der ideologischen Grenzen für die Kulturschaffenden. Mir hat sich ein Wandspruch mit einem Zitat von Fidel Castro eingeprägt, das ich zweimal auf der Reise las: „Ohne Kultur gibt es keine Freiheit“.

Bildung ist ein Menschenrecht, auch für Menschen mit Behinderung

In Santa Clara, der Stadt ganz im Zeichen von Che Guevara mit Denkmal, Mausoleum und Museum, besuchten wir eine Förderschule für seh- und hörbehinderte Kinder und Jugendliche. Kinder empfingen uns mit musikalischen Beiträgen und zeigten dabei Selbstbewusstsein und Begeisterung, unterstützt von einer engagierten Musiktherapeutin. Beim Rundgang durch die Schule begegneten wir überall ganz kleinen Lerngruppen, die personell und technisch vorbildlich ausgestattet waren.

In einem ausführlichen Gespräch über die Arbeit der Schule wollten wir natürlich wissen, wie es mit der Inklusion von Kindern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Kuba aussieht. In Kuba entscheiden die Eltern, ob ihr Kind in einer allgemeinen Schule oder einer Spezialschule gefördert wird. Das ist so üblich und löst keine erregten Diskussionen aus wie bei uns. Ziel müsse es in jedem Fall sein, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu überwinden und ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Kuba hat die UN-Konvention schon am 6. 9. 2007 ratifiziert, während sie in Deutschland erst seit dem 24. 3. 2009 deutsches Recht geworden ist. In den USA ist ein Beitritt zu der Menschenrechtskonvention bislang an dem Widerstand der Republikaner gescheitert.

Folgen der Wirtschaftskrise und Auswirkungen auf den Bildungssektor

Kuba „exportiert“ seine hervorragend ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer in das befreundete Ausland. Dies geschieht aus Solidarität, aber auch um z.B. im Austausch mit Venezuela verbilligte Öllieferungen zu erhalten. Die Personallücke wird durch den Einsatz von Hilfslehrern geschlossen. Es gibt Befürchtungen, dass dies zu einem Absinken des hohen kubanischen Bildungsniveaus führen könnte.

Der GEW möchte ich empfehlen, die Entwicklung Kubas - solidarisch und kritisch zugleich – zu verfolgen und vielen Lehrerinnen und Lehrern über Bildungsreisen, wie ich sie erlebt habe, zu ermöglichen, das Land kennenzulernen.

  • Kontakt:
    Dr. Brigitte Schumann
    ifenici [at] aol.com