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Arbeitszeit

„Da muss sich etwas tun“

Lehrkräfte-Arbeitszeiten: Die Niedersachsen-GEW kämpft weiter. Die Vorsitzende Laura Pooth im Interview

Ihr in Niedersachsen habt eine lange Erfahrung in der Auseinandersetzung um bessere Arbeitszeiten. Wie kämpft man am erfolgreichsten?

Das ist oft eine sehr emotional geführte Debatte. Unser Ziel war und ist es, sie zu versachlichen. Neben unserer Arbeitszeitstudie gibt es jetzt eine bundesweite Untersuchung, die alle vorliegenden Arbeitszeitstudien in den Ländern verglichen hat. Das bundesweite Ergebnis zeigt klar: Lehrkräfte arbeiten überall länger als sie müssten.

Auch weil die Lehrkräfte zusätzliche Arbeitsbereiche abdecken müssen.

Genau. Die Tätigkeiten haben sich in den vergangenen 15 Jahren stark verändert, ohne dass dies in den Arbeitszeitverordnungen der Länder berücksichtigt wurde. Inklusion, Zuwanderung oder Ganztag sind da nur einige Stichworte. Das Lehrkräftebild hat sich gewandelt. Das muss auch bei der Arbeitszeit zu Buche schlagen. Wir sagen nicht: Wir wollen weniger arbeiten, weil wir einfach aus Lust und Laune weniger arbeiten wollen. Nein, die Unterrichtsverpflichtung muss runter, damit wir unseren Schülerinnen und Schülern überhaupt gerecht werden können. Das ist der Kern.

Sind die Forderungen nach Arbeitszeitreduzierung in Zeiten des Lehrkräftemangels schwieriger durchzusetzen?

Das wird uns immer vorgehalten: Kürzere Arbeitszeiten fordern, obwohl keine Lehrkräfte vorhanden sind. Das ist aber zu kurz gedacht. Ein Absenken der Lehrkräfte-Arbeitszeiten bleibt dennoch geboten, weil wir die Lehrerinnen und Lehrer gesund erhalten und den Frühpensionierungen entgegenwirken müssen. Da muss sich etwas tun.

Euer Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg macht es sicherlich jetzt leichter, die nächsten Schritte zu gehen?

Ja. Die damalige Arbeitszeiterhöhung wurde für rechtswidrig erklärt. Das betrifft auch alle anderen Bundesländer. Das bedeutet, dass bundesweit nie wieder eine Landesregierung eine Arbeitszeitverordnung verändern kann, ohne vorher die Auswirkungen zu ermitteln. Auf der politischen Ebene haben wir es geschafft, zu einer Großdemonstration aufzurufen.

Rund 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das sind zehn Prozent unserer Mitglieder, waren am Landtag in Hannover. Und das trotz teilweise langer Fahrtwege. Sie haben sich dort für bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten ausgesprochen, was ein deutliches Zeichen gegenüber der Politik war.

Ein Arbeitszeitproblem haben auch die Grundschullehrkräfte. Sie müssen in Niedersachsen 28 Stunden unterrichten, mehr als alle anderen Lehrkräfte? Die Empfehlung der Kommission lautet: eine Stunde runter. Kultusminister Grant Henrik Tonne will aber hart bleiben?

Das hat uns enorm geärgert. Es ist nämlich auch eine Sache der Wertschätzung. Wie kann denn ein Dienstherr über seine Beschäftigten urteilen, dass sie zu wenig arbeiten, obwohl die Tatsachen ein ganz anderes Bild zeigen. So etwas ist eine Unverschämtheit.

Ganz schön zornig.

Mein Zorn wird auch so schnell nicht verfliegen. Ich erwarte, dass Minister Tonne sich hinter seine Beschäftigten stellt. Zuletzt hat er schon kräftig zurückgerudert. Das ist ein Erfolg für uns, weil wir in den Medien sofort scharf reagiert haben. Tonne hat zudem im Februar zu einem Runden Tisch eingeladen, um zu beraten, wie die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden können.

Wie kann man verhindern, dass ein Runder Tisch zu einer langen Bank wird?

Der erste Schritt, den wir jetzt gehen, ist, dass wir die anderen Verbände ins Boot holen –  mit Ausnahme des Philologenverbandes. Dieser agiert gegen unsere A13/E13-Forderung. Wir sprechen uns vorher ab, um den Minister vor uns herzutreiben. Dann kommen wir auch zeitnah zu konkreten Schritten zur Entlastung der Lehrkräfte.

Was wären denn konkrete Schritte?

Es gibt ganz konkrete Empfehlungen der Kommission wie zum Beispiel die Einführung bzw. Erhöhung von Entlastungsstunden. Im Groben heißt das: Absenkung der Unterrichtsverpflichtung. Die Entlastungsstunden könnten Klassenlehrerinnen bekommen oder Kollegen, die einen großen Abiturkurs unterrichten. Oder Lehrkräfte mit einem besonders hohen Korrekturaufwand.

Ist die Niedersachsen-GEW Vorreiter in Sachen Arbeitszeitkampf?

Vorreiter - ja, das kann man sagen. Aber mit der starken Bereitschaft, gemeinsam mit den anderen GEW-Landesverbänden aktiv zu werden. Da haben wir schon ein gesteigertes Selbstbewusstsein. Uns hat hier im Land besonders das völlig verfehlte „Faule-Säcke-Image“ gestört, das ein ehemaliger Ministerpräsident einmal aufgebracht hat. Inzwischen hat sich die Wahrnehmung unseres Berufs jedoch gewandelt. Es wird jetzt nicht mehr in Frage gestellt, dass Lehrkräfte wirklich einen harten Job haben und oft viel zu viel arbeiten.