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Recht

Containern sollte straffrei bleiben

Das Retten von Lebensmitteln darf kein Diebstahl sein.

Foto: Enid Krieger

Damit widerspreche ich als Jurist und Wirtschaftsstaatssekretär a.D. dem Bundesverfassungsgericht. Das hatte zuletzt die Verfassungsbeschwerde zweier Studentinnen aus Oberbayern abgelehnt, die gegen die sinnlose Vernichtung von Nahrungsmitteln kämpfen. Damit hat das Gericht die Strafbarkeit nach § 242 StGB, also Diebstahl, perpetuiert und für die nahe Zukunft verfestigt. Mit der Autorität des Gerichtes kann man das natürlich so machen. Formaljuristisch ausgetrampelte Pfade begehen, nicht nach links und rechts schauen. Und dabei juristische Entwicklungen in Nachbarländern wie der Schweiz und in Frankreich ignorieren, wo Lebensmittelverschwendung selbst und nicht Aktionen dagegen unter Strafe stehen. Das heißt aber, einen täglich sich wiederholenden Sozial-Skandal, nämlich die tonnenweise Vernichtung von Lebensmitteln durch den Lebensmittelhandel, einfach auszublenden.

Jeder wirft 85 Kilo weg

Täglich werden in Deutschland laut einer WWF-Studie etwa 50.000 Tonnen Lebensmittel vernichtet, das sind rund 18 Millionen Tonnen im Jahr. Pro Jahr wirft jeder Bürger 85 Kilo in den Müll. Sicher werden auch bestimmte Chargen abgelaufener Lebensmittel an örtliche Tafeln abgegeben. Sicher wandert auch ein relevanter Anteil aus den Privathaushalten in den Müll. Doch gerade beim Lebensmittelhandel könnte viel Verschwendung vermieden werden. Die Rewes, Aldis und Lidls dieser Welt handhaben das dann so, dass die abgelaufenen Lebensmittel in Containern zur Abholung durch einen Abfallentsorger bereitgestellt werden.

Dabei fallen zwei Aspekte ins Auge: Zum einen gibt der Eigentümer damit sein Eigentum auf, vergleichbar damit, wenn ich meinen Sperrmüll zur Abholung bereitstelle. Die Sperrmüllsammler, die meinen Müll nach brauchbaren Sachen durchforsten, werden auch nicht wegen Diebstahls belangt und zwar aus einem schlichten juristischen Grund: Mit dem Rausstellen zur Abholung durch die Sperrmüllabfuhr habe ich mein Eigentum und meine Verfügungsbefugnis aufgegeben.

Zum anderen – und das fällt für mich noch mehr ins Gewicht –sind Lebensmittel nicht vergleichbar mit ausrangierten Stühlen oder alten Fernsehern. Generationen sind mit der Maxime erzogen worden, dass das Wegwerfen von Brot und Lebensmittel ein Frevel ist. Da in unserer Überflussgesellschaft Nahrungsmittel und Fertigessen an jeder Straßenecke verfügbar sind, ist diese moralisch-soziale Maxime löchrig geworden. Dennoch ist davon auszugehen, dass immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, dass die Vernichtung von Lebensmitteln sich schlicht nicht gehört und sozial nicht akzeptabel ist.

Bis die Politik einsichtig wird

Container-AktivistInnen müssen medial, politisch und gesellschaftlich solange mit Verve und Nachdruck unterstützt werden, bis die Justiz oder die Politik endlich einsichtig wird. Ermutigend ist das jüngste Beispiel aus Tübingen. Dort hat ein übermotivierter Rewe-Geschäftsführer den ContaineraktivistInnen nachts aufgelauert, um sie zu überführen. Was dann auch mit mehreren Einsatzfahrzeugen der Polizei gelang, mit Blaulicht, Handschellen und dem ganzen Programm für die Festnahme von Verbrechern. Die Tübinger Staatsanwaltschaft ließ sich davon wenig beeindrucken und stellte das Verfahren sang und klanglos ein. Der Geschäftsführer wurde ausgewechselt, der neu bestellte Geschäftsführer nahm als erste Amtshandlung die Strafanzeige zurück.

Ergänzung der Redaktion:
Ein Lestra-Kaufhaus in Bremen agiert im Sinne von Rezzo Schlauch: Es hat an seinen Mülltonnen Regeln aufgehängt. Dort steht unter anderem:

"Liebe Lebensmittelretter! Beachten Sie bitte folgenden Hinweis:  Hier wird keiner angezeigt.“