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Bremer Senat gibt Souveränitaet in Sachen Bildung auf

Es ist wohl erstmalig, dass ein Staat einen anderen Staat darum bittet, sich ins Bildungsprogramm des anderen einbringen zu können und zugleich anbietet, diese Mitwirkung auch mit zu finanzieren. Und es ist wohl auch erstmalig, dass der darum gebetene Staat dieser Bitte problemlos entspricht.

Mit Schreiben vom 15.8.2011 ist vom Senat für Bildung und Wissenschaft den Fachkonferenzen der Fächer Politik, Geschichte, Biblische Geschichte ein Angebot der Deutsch-israelischen Gesellschaft (DIG) unterbreitet worden. Es geht um Vor-träge und Gesprächsrunden mit von Israel ausgewählten Referentinnen und Referenten, die die DIG vermittelt. Außerdem soll ein „Projekttag Israel“ im November 2011 am Landesinstitut für Schule (LIS) für ca. 160 Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Jahrgansstufen stattfinden. Finanziert wird dieser Tag von der Behörde und Israel. Die Behörde wird für Essen sorgen, Israel übernimmt die Konzeption und die Referenten. Die für Projekttage ungewöhnliche Schirmherrschaft übernimmt der Bürgerschaftspräsident Christian Weber, der zweithöchste Repräsentant Bremens, und verleiht damit dem Ganzen eine besondere Weihe.

Das Angebot der DIG geht zurück auf den Beschluss der israelischen Regierung, ihr stark beschädigtes Image durch eine großangelegte Kampagne international aufzubessern. Das Ansehen Israels ist durch den Krieg gegen den Gazastreifen 2008/09, den Überfall auf die Gazaflotte 2010 und die Fortsetzung der Siedlungspolitik erheblich angeschlagen. Nach Berichten der Tageszeitungen „New York Times“ vom 17.2.10 und „Der Standard“ vom 28.11.10 hat die Regierung in Jerusalem israelische Botschaften in Hauptstädten angewiesen, eine Liste mit mindestens 1.000 po-tenziellen Multiplikatoren zu erstellen – unter ihnen vor allem Vertreter der jüdischen Gemeinden, aber auch pro-israelische Christen, Journalisten, Wissenschaftler und Politiker. Das Budget der Botschaften ist für diese Arbeit verdoppelt worden.

Zu den Projekten, die für den schulischen Bereich angeboten werden, gehören: Vorträge wie „Die Geschichte Israels von Abraham bis heute“ und „Die Gründung Israels – Zionismus und Staatswerdung“. Auch für die Jahrgangsstufen 5 und 6 ist an „altergemäße Information“ gedacht. Zwei weitere von Israel angebotene Module, einen über die jüdische Religion und einen weiteren über die „Integrationsleistung“ der israelischen Armee sollen im Bremer Programm allerdings nicht berücksichtigt werden. Bei allem aber tauchen Fragen auf: z. B. Welches Geschichts- und Rechtsverständnis wird hier vermittelt? Wird die Bibel bemüht, um den israelischen Gründungsmythos zu untermauern? Wird die Besatzung der palästinensischen Gebiete im Rahmen des Völkerrechts dargestellt?

Beutelsbacher Konsens vom Senat missachtet

Aber ganz gleich, wie die Angebote Israels im Einzelnen aussehen, das Ansinnen der israelischen Regierung ist höchst ungewöhnlich. Besonders überraschend aber ist, dass der Bremer Senat eilfertig darauf eingeht und sich von einer ausländischen Macht derart in seine Bildungspolitik hineinreden lässt. Da könnte ja jeder Staat kommen, einen Projekttag vorschlagen, ihn finanzieren und die Referenten für den regulären Unterricht gleich mitbezahlen. Stellen wir uns vor, China würde solch ein Angebot machen, oder der Iran, welch ein Aufschrei der Empörung wäre zu hören.
Der Bremer Senat stellt mit dieser Entscheidung Folgendes in Frage: Erstens seine Souveränität in Sachen Bildung, zweitens die Kompetenz seiner Lehrkräfte und des Lehrplans, in dem die Behandlung des Nahostkonflikts vorgesehen ist, und drittens den Beutelsbacher Konsens.
Im Letzteren sind die Grundlagen für den politischen Unterricht in den Bundesländern erarbeitet worden. Er schreibt ein Indoktrinationsverbot vor und fordert das Gebot der Kontroversität, d.h.: “Der Lehrende muss ein Thema kontrovers darstellen und diskutieren, wenn es in der Öffentlichkeit kontrovers erscheint.“ Niemand wird bestreiten, dass gerade das Thema „Israel und Naher Osten“ in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird. Dass aber dieses Israel-Projekt dem Beutelsbacher Konsens widerspricht, macht allein die Tatsache deutlich, dass die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft nicht einbezogen wird. Die Bemerkung eines Vertreters des Bildungsressorts, dass der „Nahost-Konflikt“ nur am Rande vorkommen wird, macht die Tendenz dieses Projektes unübersehbar.

Propaganda raus aus der Schule

Pädagogisch, politisch wie moralisch ist dieses Projekt nicht zu verantworten. Es kann, auch bei aller guten Vorbereitung seitens der beteiligten Kolleginnen und Kollegen, letztendlich nur eine Propagandaveranstaltung der israelischen Regierung sein, die mit dem Menschen- und Völkerrecht nicht gerade sorgfältig umgeht. Dieses gesamte Projekt gehört nicht an die öffentliche Schule.