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Beamtenstreik:

Die GEW sieht sich in ihrer Rechtsauffassung zum Streikrecht für Beamte durch ein Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts (VG) Kassel bestätigt: Verbeamtete Lehrkräfte dürfen streiken.

Im Anschluss an die Verhandlungen zum Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen hatten die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Übertragung der Regelungen zur Arbeitszeit auf die Beamten gefordert, insbesondere auch auf die Pflichtstunden der Lehrkräfte. Nachdem die Landesregierung dies abgelehnt hatte, hatte die GEW Hessen ihre Mitglieder für den 17. November 2009 zu einer eintägigen Arbeitsniederlegung aufgerufen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Gegen verbeamtete Lehrkräfte, die dem Aufruf der GEW gefolgt waren, wurden Missbilligungen und Verweise ausgesprochen. Hiergegen leitete die Rechtsabteilung der hessischen GEW einige Musterverfahren ein. Das erste dieser Musterverfahren hat jetzt zu o.g. Urteil geführt.

Das Gericht hat in einem am 1. September bekannt gewordenen Urteil der Klage einer verbeamteten Lehrkraft stattgegeben und die gegen den Kläger verhängte Missbilligung für nicht rechtmäßig erklärt. Die Sanktionierung verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und entspreche nicht der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Aus Artikel 11 EMRK folge, so die Kasseler Urteilsbegründung, „dass nunmehr nur noch solche Beamtinnen und Beamte einem Streikverbot unterfallen, die im hoheitlichen Bereich tätig seien. Nur diese Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention verhilft den Grundfreiheiten zur vollen Geltung und gewährleistet ein konventionskonformes Verhalten aller staatlichen Behörden. Der Kläger unterfällt als beamteter Lehrer nicht dem Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG ...“ Auch ein Verstoß gegen deutsches Verfassungsrecht liege nicht vor. Dieses sei im Sinne der Grundfreiheiten der EMRK entsprechend zu interpretieren, begründeten die Richter ihr Urteil.

„Die Kasseler Richter hatten den Mut, bei der Beurteilung des Beamtenstreiks den letzten Schritt zu gehen, den das VG Düsseldorf Ende 2010 noch vermieden hatte“, erklärte Ilse Schaad, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik. „Jetzt ist eine höchstrichterliche Bestätigung des VG-Urteils fällig, damit das unzeitgemäße und vordemokratische Verbot des Beamtenstreiks endgültig zu Grabe getragen werden kann!“
Derzeit laufen weitere Klagen in verschiedenen Bundesländern. Die Bremer Verfahren „hängen“ noch in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht. Über die in einigen Monaten hierzu ergehenden Entscheidungen werden wir selbstverständlich berichten.