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GEW Bremerhaven

Aufteilung vor Klasse 1

Eine demokratische Gesellschaft muss allen Kindern Entwicklungsmöglichkeiten gewährleisten.

Bremerhaven – Wenn der stellvertretende Vorsitzende der CDU Bundestagsfraktion Linnemann davon spricht, dass Kinder, die kaum deutsch sprechen und verstehen, „auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“ haben, so werden einerseits wissenschaftliche Erkenntnisse über den Spracherwerb von Kindern ignoriert. Andererseits nutzt die CDU die in der Tat wenig zufrieden stellende Situation an den Grundschulen, um ihre Vorstellung eines gegliederten Schulsystems zu untermauern. „Die Grundschule aber ist die Schule für alle Kinder, und dies seit der Reichsschulkonferenz von 1920“, so Bernd Winkelmann, Landesvorstandssprecher der GEW Bremen. „Eine Feststellung von Schulreife hat man glücklicherweise überwunden. Aus guten Gründen sollte daran festgehalten werden, keine Eingangsvoraussetzungen festzulegen, um die Grundschule besuchen zu dürfen“.

Will man die aufgerufene Problematik angehen, so spricht nichts dagegen, Förderbemühungen für Kinder, deren Sprachstand nicht hinreichend entwickelt ist, zu intensivieren. Dies gilt für die Kindertagesstätten wie für die Schulen. „Wir erwarten in diesem Zusammenhang ein offensiveres Herangehen der Politik an die Lehrer*innenbildung“. Bundesweit fehlen zehntausende von Fachkräften, insbesondere auch in den Grundschulen. Die GEW fordert von Seiten der Politik nunmehr ernsthafte Initiativen anstatt eines fortlaufenden Beklagens dieses Zustandes.

Wir benötigen mehr Ausbildungsplätze, bessere Arbeitsbedingungen und eine Steigerung der Attraktivität des Studiums, insbesondere von Mangelfächern.

Allerdings kann man mit dem Beklagen eines durch politische Entscheidungen heraufbeschworenen Zustandes offensichtlich bestens Politik machen, wie Linnemann gerade zeigt. Fehlende Sprachkompetenzen, das belegt die Praxis, beziehen sich vordergründig auf zugewanderte Kinder. Allerdings hängt das Sprachvermögen, und das weisen die PISA-Untersuchungen seit dem Jahre 2000 nach, in erheblichem Maße mit dem sozialen Status der Eltern zusammen. Je besser der Status, desto besser die Kompetenz. Dieser Zusammenhang ist über 20 Jahre signifikant geblieben. Die CDU nun hatte bundesweit immer schon wenig Freude an integrativen und inklusiven Bemühungen. Wenn man Eingangsvoraussetzungen für Klasse 1 formuliert, kann man dem alten Wunsch nach früher Trennung wunderbar Ausdruck verleihen und manche Kinder liegen vielleicht so weit zurück, dass sie nie den Einstieg in die Grundschule schaffen. Dann hätte man wieder (selbst produzierte) Gründe, Sonderschulen einzurichten.

Dieses Vorpreschen wirft natürlich die Frage des dahinterstehenden (CDU-)Verständnisses unserer Gesellschaft und das Lernen darin auf. Eine demokratische Gesellschaft muss allen Kindern Entwicklungsmöglichkeiten gewährleisten. Kinder lernen durch strukturierende Arbeit mit Lehrkräften und im sozialen Kontext mit anderen Kindern. Für den Zusammenhalt eines Gemeinwesens sind solche verbindenden Prozesse unablässig. Kindergärten und Schulen allerdings müssen ökonomisch und personell in die Lage versetzt werden, den Auftrag gemeinsamer Bildung, unabhängig von den individuellen Voraussetzungen der Kinder, auch umsetzen zu können. Diese Voraussetzungen zu schaffen ist die dringlichste Aufgabe von Parteien und Parlamenten.

Für Nachfragen steht zur Verfügung:
Bernd Winkelmann | 0162-97 31 230