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Auf ein Neues:

Die rot/grüne Koalition hatte gleich zu Beginn beschlossen, dass in dieser Legislaturperiode keine LehrerInnenstelle abgebaut werden soll. Dies war eine positive Entscheidung, die hoffen ließ, dass die Bremer Bildungspolitik in ruhigere Bahnen kommt, dass bei leicht zurückgehender SchülerInnenzahl frei werdende Stunden genutzt werden, um an den Brennpunkten des Schulsystems mehr Förderung zu ermöglichen und die Lehrkräfte zu entlasten. Aber was haben die neue Bildungssenatorin und ihre Behörde daraus gemacht?

Das Erbe der großen Koalition

Zum Regierungsantritt der großen Koalition, im Schuljahr 1995/96, hatten wir in der Stadtgemeinde Bremen 5762 Lehrkräfte (Personen), heute sind es noch 4766. Die erteilten Unterrichtsstunden pro Lehrkraft stiegen um 1,3 Wochenstunden an (nach: Kultusministerkonferenz: Schüler, Klassen, Lehrer).
Rein statistisch lässt sich also schon belegen, was alle KollegInnen, die länger im Dienst sind, so empfinden. Der Messwert „erteilte Unterrichtsstunden pro Lehrervollzeiteinheit (VZE)“ gibt jedoch nur unvollständig wieder, was an tatsächlicher Arbeitszeitverlängerung stattgefunden hat. Das liegt u.a. daran, dass bei der Zahl der Lehrkräfte auch die Schulleitungen und die erkrankten KollegInnen mitgezählt werden, was den Wert niedriger erscheinen lässt. Außerdem kamen neue außerunterrichtliche Verpflichtungen hinzu. Ein Blick auf die Gesetze und Verordnungen, die seit 1995/96 mit dem Ziel erlassen wurden, die Arbeitszeit der Lehrkräfte zu erhöhen, zeigt ein krasseres Bild:

  • 1997: Allgemeine Pflichtstundenerhöhung um zwei Unterrichtsstunden; Streichung der Altersermäßigung für 55-58jährige
  • 2000: Streichung der Koop-Stunde in der „Vollen Halbtagsschule“
  • 2002: Einführung der Präsenztage; weitere Kürzung der Altersermäßigung
  • 2003: Pflichtstundenerhöhung für junge Lehrkräfte (1 Stunde mehr für 2 Jahre)
  • 2004: Streichung der Ermäßigungsstunde für Lehrkräfte an Ganztagsschulen
  • 2005: Erlass der Präsenzzeit- und Fortbildungsverordnung; Erhöhung des bedarfsdeckenden Unterrichts der ReferendarInnen von 8 auf 10.

Das Ergebnis dieser Politik war, dass Bremen, das zu Beginn der 90er Jahre noch überdurchschnittlich mit Lehrkräften versorgt war, nun hinter den anderen Stadtstaaten hinterher hinkt (und nur mit ihnen und mit Landeshauptstädten sind Vergleiche seriös). Dies zeigen sowohl die Schüler/Lehrer-Relation als auch die Ausgaben pro SchülerIn:

Bremen im Stadtstaatenvergleich

 

Bremen

Hamburg

Berlin

Schüler/Lehrer-Relation

16,9

15,7

15

Gesamtausgaben pro SchüleIn (Euro)

4900

5900

5800

Quelle: Benchmarkingbericht der Senatorin für Finanzen

Die neue Politik: Unsolide Großprojekte statt Augenmaß

Die nach der Koalitionsvereinbarung erhofften Verbesserungen sind ausgeblieben. Seit dem Amtsantritt der neuen Bildungssenatorin ist charakteristisch, dass Großprojekte aus der Taufe gehoben werden, in denen Richtiges mit Falschem verwoben ist: Die bisherigen Schulzentren der Sekundarstufe I zu integrieren, entspricht der langjährigen Forderung der GEW. Diesen Schritt aber mit einem Aufmischen der Sekundarstufe II zu verknüpfen, ist chaotisch. Ebenso ist die Zielsetzung der Inklusion zu begrüßen, bei der Realisierung wird jedoch ohne Gesamtplan und schlecht ausgestattet vorgegangen. Diese Umorganisationen führen zu erhöhtem Arbeitsaufwand. Ein hohes Maß an Planung, Kooperation und Fortbildung ist nötig.
Bereits im November 2005 hatte die Personalversammlung der Bremer Lehrkräfte „mehr Lehrerstunden für zusätzliche Aufgaben“ gefordert. Der Personalrat Schulen hatte einen Initiativantrag auf Gewährung dieser Stunden gestellt, über 500 KollegInnen hatten eine persönliche Überlastungsanzeige beim Bildungssenator abgegeben. Willi Lemke sprach dem Personalrat die Mitbestimmung ab und musste erst durch ein Verwaltungsgerichtsurteil zu Verhandlungen gezwungen werden.

Bisher nur kleine Erfolge

In den zähen Schlichtungs- und Einigungsverhandlungen der Personalvertretung mit der Behörde konnte nur ein minimales Zugeständnis erreicht werden: Eine Reduzierung der Präsenztage und einige Klassenlehrerstunden im Hauptschulbereich (Volumen: 6 Stellen). Es war durch die Aktion vor der Bildungsbehörde und den Verwaltungsgerichtsprozess zwar so viel öffentlicher Druck erzeugt werden, dass der Arbeitgeber reagieren musste, aber der Protest war nicht stark und dauerhaft genug, um substanzielle Veränderungen der Arbeitszeitpolitik durchzusetzen.

Die Frage stellt sich erneut

Das Gedächtnis unserer Bildungspolitiker reicht nur für vier Jahre. So, als hätte es den rasanten Abbau durch die Große Koalition nicht gegeben, werden umfangreiche Maßnahmen, die neues Personal erfordern, ins Blaue hinein verkündet. In Wirklichkeit reißt jede Veränderung neue Löcher, wenn keine entsprechenden Personalmittel bewilligt werden. Angesichts hochfliegender Pläne für die Umorganisation des Sekundarbereichs betreibt die Bildungsbehörde eine „kopflastige“ Personalpolitik: Der Rückgang der SchülerInnenzahl in der Primarstufe wurde genutzt, um hier 38 Stellen abzubauen (das sind 4,5% oder 1045 Lehrerwochenstunden). Von einer „Demographierendite“, also einer Nutzung des SchülerInnenzahl-Rückgangs für pädagogische Verbesserungen, kann hier nicht die Rede sein. (Wenn den Grundschulen jetzt von den 1045 Stunden 100 zurück gegeben werden, um für den nächsten VERA-Test zu üben, dann ist erstens die Zweckbestimmung fragwürdig und zweitens ändert das wenig an der Gesamtbilanz.)
Die Forderungen, die von den Personalversammlungen gestellt wurden, sind aktueller denn je.